§. 1. Charakter und Bezeichnungen der ältesten Volksrechte.
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iws)11), aus welchen Bezeichnungen erhellt, dass diesen Rechtsaufzeich-
nungen im Allgemeinen der Charakter von autonomischen, gleichsam ver-
tragsmässig vereinbarten Stammesrechten (später sog. Willkühren)
beigelegt wurde *-). Hiermit stimmt auch überein das „Firmare
legem per g air ethinx s ecunclum ritus gentis“ im Epilog (al. c.
386) des Edictum Rotharis, d. h. das Angeloben sie fest zu halten,
auf die gaira, den Eidstab, wie dies bei Verträgen üblich war, und wie
auch später die Landfrieden angelobt und beschworen wurden, und dies
noch jetzt bei Verfassungsurkunden üblich ist. Ob auch „Justitia11 schon
in dieser Zeit in der Bedeutung von Rechtsaufzeichnung gebraucht
wurde, bleibt zweifelhaft13). Bei einzelnen Volksrechten finden sich Be-
zeichnungen, welche darauf hindeuten, dass man dieselben, wenigstens
in ihren ersten Grundlagen, als gerichtliche Weisthümer oder
Appendix II. c. 35; ebendas, p. 324. — „Ewa Fresonum“ in Urk. a. 855 bei
Lacomblet, I. p. 30 Nr. 65. — „Ewa Bajuvariorum“ in Benedicti,
Capp. Lib. II. c. 250, bei Pertz, Tom. Legg. II. Pars altera p. 85. — Cap.
Bajuvar. a. 803 (al. 806) c. 5, bei Pertz, Tom. Legg. I. p. 127. Vergl.
die Rubrik der L. Alamannor. Tit. VI. — Caroli M. Legg. Langob. c. 30.
bei Canciani I. p. 153. — In diesen Stellen werden Lex et ewa und Lex vel
ewa als durchaus gleichbedeutend gebraucht; die Gleichheit beider Ausdrücke be-
zeugt auch die alte Glosse bei Pertz, Tom. Legg. I. p. 324 not. r. Vergl. auch
oben not. 7. — Ein Gegensatz lässt sich daher durchaus nicht weiter annehmen,
als dass Ewa mitunter mehr auf die consuetudo selbst, Lex mehr auf die Auf-
zeichnung derselben geht. — Ueber die Composita : seolandewa u. s. w. siehe §. 4,
Note 24.
1X) Z. B. Pactus legis Salicae, in der Rubrik der L. Sal. Pleroldina. —
Ebenso heisst die L. Bajuvariorum, Pactus, in dem Decretum Thassilonis,
Dingolfing, a. 772. Art. IX. bei Canciani, T. II. p. 393. — Pactum oder
Pactus erscheint als latein. Uebersetzung von Ewa; s. not. 10; und vonThing
oder Ding, s. not. 14; desgleichen von Einung, welches Wort besonders im
XIV. Jahrhundert die Weisthümer häufig zur Bezeichnung für Strafgebote ge-
brauchen, welche auf Vereinbarung des Grundherrn und der Hübner beruhen.
— Schon im XII. Jahrhundert war das Wort Pactus in der Form Phahte
(jetzt „Pacht“), in der Bedeutung von Lex (Gesetz) in der deutschen Sprache
selbst eingebürgert, daher z. B. in der Kaiserchronik: Charles phaht, h. e. Lex
Caroli M.; Sch’w'ab en spiegel (Lassberg) c. 1. b: „reht von römischer phahte,
d. h. römisches Recht. Vergl. Graff althochdeut. Sprachschatz, T. III. p. 325.
— Ziemann, mittelhochdeut. Wörterbuch, p. 291. — Später und noch jetzt
bezeichnet Pacht vorzüglich die Vermiethung von Landgütern, da in diesem Ver-
trage fortwährend sehr deutlich erkennbar die Idee einer autonomisch zwischen
den Contrahenten für die Regulirung ihres gegenseitigen Verhältnisses errichteten
Lex hervortritt.
x2) Ganz in diesem Sinne beginnt der Prolog der Lex Salica emendata mit
den Worten: ,-, Placuit atque convenit inter Francos eorumque principes“.
Vergl. auch, was oben (n. 4) über die Bellagines gesagt worden ist.
13) So könnte wohl in dem grossen Prologe der Lex Salica die unter den
Gründen ihrer Aufzeichnung enthaltene Angabe, „Gens Francorum . . . deside-
rans justitiam“, von dem Wunsche einer Rechtsaufzeichnung verstanden
werden, wenn nicht durch die unmittelbar folgenden Worte „custodiens pietatem“
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iws)11), aus welchen Bezeichnungen erhellt, dass diesen Rechtsaufzeich-
nungen im Allgemeinen der Charakter von autonomischen, gleichsam ver-
tragsmässig vereinbarten Stammesrechten (später sog. Willkühren)
beigelegt wurde *-). Hiermit stimmt auch überein das „Firmare
legem per g air ethinx s ecunclum ritus gentis“ im Epilog (al. c.
386) des Edictum Rotharis, d. h. das Angeloben sie fest zu halten,
auf die gaira, den Eidstab, wie dies bei Verträgen üblich war, und wie
auch später die Landfrieden angelobt und beschworen wurden, und dies
noch jetzt bei Verfassungsurkunden üblich ist. Ob auch „Justitia11 schon
in dieser Zeit in der Bedeutung von Rechtsaufzeichnung gebraucht
wurde, bleibt zweifelhaft13). Bei einzelnen Volksrechten finden sich Be-
zeichnungen, welche darauf hindeuten, dass man dieselben, wenigstens
in ihren ersten Grundlagen, als gerichtliche Weisthümer oder
Appendix II. c. 35; ebendas, p. 324. — „Ewa Fresonum“ in Urk. a. 855 bei
Lacomblet, I. p. 30 Nr. 65. — „Ewa Bajuvariorum“ in Benedicti,
Capp. Lib. II. c. 250, bei Pertz, Tom. Legg. II. Pars altera p. 85. — Cap.
Bajuvar. a. 803 (al. 806) c. 5, bei Pertz, Tom. Legg. I. p. 127. Vergl.
die Rubrik der L. Alamannor. Tit. VI. — Caroli M. Legg. Langob. c. 30.
bei Canciani I. p. 153. — In diesen Stellen werden Lex et ewa und Lex vel
ewa als durchaus gleichbedeutend gebraucht; die Gleichheit beider Ausdrücke be-
zeugt auch die alte Glosse bei Pertz, Tom. Legg. I. p. 324 not. r. Vergl. auch
oben not. 7. — Ein Gegensatz lässt sich daher durchaus nicht weiter annehmen,
als dass Ewa mitunter mehr auf die consuetudo selbst, Lex mehr auf die Auf-
zeichnung derselben geht. — Ueber die Composita : seolandewa u. s. w. siehe §. 4,
Note 24.
1X) Z. B. Pactus legis Salicae, in der Rubrik der L. Sal. Pleroldina. —
Ebenso heisst die L. Bajuvariorum, Pactus, in dem Decretum Thassilonis,
Dingolfing, a. 772. Art. IX. bei Canciani, T. II. p. 393. — Pactum oder
Pactus erscheint als latein. Uebersetzung von Ewa; s. not. 10; und vonThing
oder Ding, s. not. 14; desgleichen von Einung, welches Wort besonders im
XIV. Jahrhundert die Weisthümer häufig zur Bezeichnung für Strafgebote ge-
brauchen, welche auf Vereinbarung des Grundherrn und der Hübner beruhen.
— Schon im XII. Jahrhundert war das Wort Pactus in der Form Phahte
(jetzt „Pacht“), in der Bedeutung von Lex (Gesetz) in der deutschen Sprache
selbst eingebürgert, daher z. B. in der Kaiserchronik: Charles phaht, h. e. Lex
Caroli M.; Sch’w'ab en spiegel (Lassberg) c. 1. b: „reht von römischer phahte,
d. h. römisches Recht. Vergl. Graff althochdeut. Sprachschatz, T. III. p. 325.
— Ziemann, mittelhochdeut. Wörterbuch, p. 291. — Später und noch jetzt
bezeichnet Pacht vorzüglich die Vermiethung von Landgütern, da in diesem Ver-
trage fortwährend sehr deutlich erkennbar die Idee einer autonomisch zwischen
den Contrahenten für die Regulirung ihres gegenseitigen Verhältnisses errichteten
Lex hervortritt.
x2) Ganz in diesem Sinne beginnt der Prolog der Lex Salica emendata mit
den Worten: ,-, Placuit atque convenit inter Francos eorumque principes“.
Vergl. auch, was oben (n. 4) über die Bellagines gesagt worden ist.
13) So könnte wohl in dem grossen Prologe der Lex Salica die unter den
Gründen ihrer Aufzeichnung enthaltene Angabe, „Gens Francorum . . . deside-
rans justitiam“, von dem Wunsche einer Rechtsaufzeichnung verstanden
werden, wenn nicht durch die unmittelbar folgenden Worte „custodiens pietatem“