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Zoepfl, Heinrich
Deutsche Rechtsgeschichte (Bd. 3 : T. 2, Geschichte der Rechtsinstitute) — Braunschweig: Wreden, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.47346#0297
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§. 122. Neuere Fortbildung des Erbrechtes. 281
wurde 6). Als Beweggrund für diese Erbverzichte wird theils die Rück-
sicht auf Erhaltung des splendor familiae 7 8), theils die reichliche Aus-
stattung oder Ehesteuer angegeben s), mit Berufung auf das Herkommen
bei dem Adel 9). Noch im XVI. Jahrhundert wurden die Erbverzichte
als eine Art der Vergabungen im Sinne von Auflassungen, d. h.
als Aufgeben von Gütern aufgefasst10)-, daher wurde dabei auch die alte
Form der gerichtlichen Auflassungen beobachtet 1 ’). Bei dem üblichen
Beschwören der Erbverzichte wurde der Eid von der verzichtenden Frau
noch im XVI. Jahrhundert mit derselben Förmlichkeit geleistet, welche
bei den Eiden der Frauen schon in der merowingischen Zeit üblich und
auch in der Zeit der Spiegel im Gebrauche geblieben war ’2).
VI. In ähnlicher Weise, wie bei den Gütern des Adels, wenn gleich
aus anderen Gründen, erhielt sich noch lange bei den Bauerngütern
ein auf den Grundsatz der Untheilbarkeit des Gutes gebautes Erbsystem,
welches in manchen Gegenden noch heut zu Tage besteht 13). Hier war
es theils das Interesse des Gutsherrn bei den unfreien Bauerngütern,
theils das Interesse der Bauernfamilie selbst an der tüchtigen Bewirth-
schaftung des Gutes, was zur Untheilbarkeit führte, oder wes-
halb man daran festhielt. Nachdem man seit Jahrhunderten in einem
vielfach übertriebenen Eifer für die Verwischung aller Standesunterschiede.
den Bauernstand überhaupt mit dem Bürgerstande zusammengeworfen
und auch bei ersterem, zu seinem grossen Nachtheile, das nur für den
eigentlichen Bürgerstand zweckmässige römische Erbsystem zur Anwen-
6) Siehe über diese Streitfrage meine Grundsätze des allg. u. deut. Staatsr.
5. Aufl. 1863. §. 253.
7) Erbverzicht der Ermgardt v. J. a. 1549: „derohalben (verzichtet), uff
dass der name deren von J. desto stattlicher und beharrlicher erhalten, und iren
stand ausführen mögen.“
8) Erbverzicht der Anna v. J. a. 1546; der Margaretha v. J. a. 1548:
„demnach dann sie erlich, reichlich und nach Gelegenheit Ires Standes ge-
nugsam . . . durch ire Vormünder und Freund berathen, versehen, aus-
gesatzt, daran sie auch wol gesättigt und begnügig were.“
9) Ebendas, a. 1546 und 1548: „wie unter dem adel der gebrauch ist.“
10) Ebendas, a. 1548: „bei obgedachter renunciation, Verzeihung,
vergabung.“
1!) Erbverzicht der Apollonia von J. a. 1510: „vor vns . . . Richter und
Gericht mit Münde, handt und Halm, wie gewonheit vnd recht ist, ver-
zigk getan.“
12) Erbverzicht der Anna vom J. a. 1546: (schwört) „mit auflegung ihrer
rechten hant uff ire linke brust, nach gewonheit adelichs weiplichs ge-
schlechts.“ — Dieselbe Förmlichkeit erwähnen noch Erbverzicht der An na Maria
Christ, von J. a. 1710 und der Anna Maria Amalia von J. a. 1731. —
Vergl. über das Alter dieser Sitte, oben §. 81c Note 4, §. 89« Note 10.
13) So z. B. in Baden unter dem Namen „Vortheilsgerechtigk eit;“
„Vortheilserbe.“ Landr. Art. 827 flg.
 
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