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Ziel und Methode der Untersuchung

DER "LYNARPLAN" UND DIE ENTSTEHUNG DER ZITADELLE SPANDAU IM 16. JAHRHUNDERT
von Thomas Biller

1. Ziel und Methode der Untersuchung

Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist die Oberzeugung, daß jedes Bauwerk mehr ist
als ein Instrument zur Erfüllung bestimmter Funktionen und auch mehr als ein Ergebnis mensch-
licher Kreativität und Objekt ästhetischer Betrachtung. Jedes Bauwerk ist zugleich auch Ge-
schichtsquelle, d.h. in seiner Konstruktion und seinen Formen sind Auswirkungen konkreter
gesellschaftlicher Prozesse zu erkennen. Die Erkenntnis dieser Inhalte kann beitragen zu einem
besserenVerständnis jenes Entwicklungsablaufes, der zu uns selbst und der momentanen Gesell-
schaftsform geführt hat, aber eben auch noch über diesen Moment hinauswirkt und unser Han-
deln fordert, das umso sinnvoller sein kann, je genauer wir über den bisherigen Ablauf des
Prozesses unterrichtet sind.

Die folgende Untersuchung ist daher zweiteilig aufgebaut. Im ersten Teil geht es um die Inter-
pretation der Geschichtsquelle, d.h. in erster Linie um den "Lynarplan"; aber nicht nur um
diesen Plan, sondern auch um alle anderen Zeugnisse, die zu der Erkenntnis beitragen können,
was hier im 16. Jh. geplant, gebaut (oder auch gerade nicht gebaut) wurde und welchen
Funktionen und Interessen es dienen sollte. Herangezogen werden daher weitere alte Pläne,
zeitgenössische Schriftquellen, die in irgendeiner Form Aussagen zum Planungs- und Bauablauf
enthalten, und schließlich der Bau selbst, dessen Bestandteile zahlreiche Spuren seiner Ent-
stehung und Veränderung tragen. Ergebnis dieser vergleichenden Untersuchung soll ein mög-
lichst genaues Bild des Gesamtprozesses der Entstehung der Zitadelle sein - eines Prozesses,
in dem sich viele klare Linien, aber auch einige Brüche zeigen werden.

Der zweite Teil ist die Interpretation dieses Prozesses, der Versuch also, jene Triebkräfte und
Interessen innerhalb der Gesellschaft und innerhalb von Einzelpersönlichkeiten zu verstehen,
die die Planung und den Bau geprägt haben, Zu diesem Zweck werden wir den Bau mit ande-
ren ähnlicher Funktion und Entstehungszeit vergleichen, um so das Typische und das Unty-
pische in ihm zu erkennen. Und wir werden die Entwicklungen in Brandenburg und darüber
hinaus im 16. Jh. skizzieren, um besser zu begreifen, was an diesem Bauwerk Folge von
Staaten- und länderübergreifenden geschichtlichen Prozessen ist, und was eben nur in diesem
Land Brandenburg, unter gerade diesen beiden Kurfürsten Joachim und Johann Georg und
durch die Arbeit gerade dieser beiden Architekten Chiaramella und Lynar entstehen konnte.
Es ist unvermeidlich, daß der erste Teil in wesentlich höherem Maße konkret und beweisbar
sein wird als der zweite, denn ein einzelner Bau und eine begrenzte Folge von Jahren bietet
ein zwar umfangreiches, letztlich aber doch bis zu einiger Vollständigkeit sammel- und aus-
wertbares Material. Ein gesellschaftlicher Prozeß schlägt sich demgegenüber in einer fast un-
endlichen Fülle von Material nieder, so daß die Notwendigkeit des Auswählens eintritt und da-
mit die Subjektivität der Darstellung unvermeidbar ist, Dies ist aber ein grundsätzliches Pro-
blem jedes Versuches geschichtlicher Einordnung und Wertung, und es wäre fatal, sich des-
halb auf die scheinbare Objektivität der Bauten und Pläne zurückzuziehen.

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