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Entstehungszeit und Verfasser des "Lynarplans"

4. Entstehungszeit und Verfasser des "Lynarplans"

Die Interpretation des "Lynarplans" hatte zunächst zum Ziel, festzustellen, zu welchem Zeit-
punkt der Plan entstanden ist und wer demnach als Entwerfer betrachtet werden muß. Es war
an zahlreichen Einzelheiten zu beobachten, daß der Plan diejenigen Teile der Zitadelle, die
ihrem ersten "Architekten" Chiaramella zuzuschreiben sind, mit geringen Ungenauigkeiten wie-
dergibt. Andererseits zeigen sich bei jenen Teilen, die von Lynar gebaut wurden, eine ganze
Reihe von Abweichungen, die nur als Verbesserungen des Entwurfskonzeptes während des
Baues verstanden werden können; am aussagekräftigsten sind dabei die Veränderungen am
Torbau und am Kavalier "Brandenburg".

Es kann daher als Ergebnis der Untersuchung festgehalten werden, daß der Plan offenbar
beim Arbeitsbeginn Lynars, d.h. im Jahre 1578, entstanden ist. Die bestehenden Bauten Chia-
ramellas im Südteil wurden von einem älteren Plan übernommen oder vielmehr an Ort und Stel-
le aufgemessen, die noch fehlenden neu entworfen bzw. auch einige Änderungen der Bauten
Chiaramellas vorgesehen (Torbau). Entscheidungsprozesse während dieses Neuentwurfes spie-
geln sich in den beiden Einklebungen (Torbereich, Kavalier "Brandenburg") und den beiden
zu Rampen veränderten Treppen.

Daß der Plan nicht erst zu dem auf der Rückseite vermerkten Datum "1593" entstand, wird
darüber hinaus durch weitere Einzelfeststellungen bestätigt. Es fehlen nicht nur die nach
Lynars Tagebuch 1590 angelegten beiden Ravelins, sondern auch das im gleichen Jahr erwähn-
te Brauhaus, und schließlich die Kapelle im östlichen Magazinbau, die jedoch schon bald nach
1578 entstanden sein muß, da das Magazin von Chiaramella schon begonnen worden war.

Die Bezeichnung "Lynarplan" besteht nach all diesen Feststellungen zurecht. Es handelt sich

tatsächlich um jenen Entwurf, den Lynar wohl direkt nach seiner Bestallung zum "General und

124)

Obersten Artlärey, Zeugk- und Bawmeistern" des brandenburgischen Kurfürsten im April

1578 anfertigte. Es darf dabei allerdings nicht in Vergessenheit geraten, daß der südliche Teil
der Zitadelle auf dem Plan nicht von Lynar stammt, sondern bereits von seinem Vorgänger
Chiaramella ausgeführt worden war, so daß Lynar lediglich ein schon begonnenes Konzept er-
gänzt und umformuliert hat.

Die Frage, wer den Plan in der vorliegenden Form "ins Reine" gezeichnet hat, ist getrennt da-
von zu beantworten, freilich auch von nachgeordneter Bedeutung. Wir wissen, daß Lynar kei-
neswegs immer selbst gezeichnet hat, sondern daß er auch für die Reinzeichnungen Mitarbeiter
beschäftigte. Als Beleg für diese Tatsache ist u.a. ein Eintrag Lynars in seinem Tagebuch vom
18.2.1590 anzuführen, wo er berichtet, er habe "einen kleinen Abriß, wie ich Dresden befesti-
gen wolle ... aufreißen lassen", und noch deutlicher wird er in einem Schreiben an den Kur-
fürsten von Sachsen 1575, wo er bemerkt, daß er "mitt dem abreisen selbst nicht so rein umzu-
125)

gehen weis" . Wer von den verschiedenen Mitarbeitern, die aus der umfangreichen Schrift-
überlieferung bekannt sind, den "Lynarplan" ins Reine gezeichnet hat, wird jedoch letztlich

nicht zu erweisen sein. Von besonderem Interesse ist die These Ludewigs, der die Zeichnung

126)

Caspar Schwabe zuschreibt . Schwabe wird im Juni 1579 als Zeugschreiber bestallt, 1581

dann zum Unterbaumeister ernannt. Die zweite Bestallung enthält u.a. einen Passus, in dem

die Schweigepflicht über die Anfertigung und Aufbewahrung von "Abrißen, Visirungen, Instru-

127)

menten oder dergleichen" festgelegt wird . Schwabe muß 1581 also zu solch spezialisierten
Tätigkeiten fähig gewesen sein, d.h. daß er 1578 vermutlich in einer entsprechenden Ausbil-
dung war. Man kann daher nicht endgültig ausschließen, andererseits aber eben auch nicht
beweisen, daß Schwabe der Zeichner des "Lynarplans" ist. Eine andere These, nach der der
Italiener Giovanni Battista de Sala den Plan gezeichnet habe, basiert auf der Fehleinschätzung,

der "Lynarplan" sei erst "1593" entstanden. Sala scheint nämlich erst 1590, nach Ludewig

128)

1582, in Spandau nachweisbar zu sein

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