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Vergleichende Auswertung des "Lynarplans"

Die mittelalterliche Burg

Die Zitadelle entstand nicht nur an der Stelle einer historisch und baulich bedeutenden mittel-
alterlichen Burg des brandenburgischen Landesherrn, sondern sollte diese Tradition darüber
hinaus in verschiedener Weise aufnehmen. Architektonisch wird dies in der Erhaltung zweier
Bauteile der Burg deutlich: des "Juliusturms" als Bergfried und des aus dem mittleren 14. Jh.
stammenden Wohnbaus daneben. Bevor wir uns der Frage zuwenden, welche Gründe zur Er-
haltung gerade dieser beiden Bauten geführt haben, muß kurz auf das Aussehen der Burg

bei Beginn der Arbeiten an der Zitadelle eingegangen werden. Wie ich an anderer Stelle dar-
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legen konnte , wissen wir über dieses Thema weniger, als es inbesondere die zeichnerischen
Darstellungen von A. Ludewig suggerieren, die über das vertretbare Maß von Rückschlüssen
an vielen Stellen hinausgehen.

Die gesicherten Fakten besagen beim derzeitigen Forschungsstand, daß der Juliusturm als äl-
terer der beiden erhaltenen Bauteile vermutlich in der 1. Hälfte des 13. Jhs. an einer Stelle
entstand, an der vorher mindestens eine von Slawen bewohnte Siedlung gelegen hat. Erst
1271 findet sich der erste schriftliche Hinweis auf eine Burg in Spandau (!), indem zwei
"castellani" (Burgmänner) genannt werden. Alle früheren Nennungen von Spandau erwähnen
immer nur den Namen, enthalten aber nie das Wort "Burg" oder einen anderen eindeutigen
Hinweis auf ihr Vorhandensein. Erst 1317 wird zum ersten Mal eine "Burg" erwähnt, die da-
mals auch eine baulich nicht mehr greifbare Kapelle enthielt. Bis zur Mitte des 14, Jhs. ist
die bauliche Gestalt der Anlage über den Juliusturm hinaus unklar. Hinweise auf ein daneben
stehendes Gebäude sind spärlich. Ober die Topographie der Umgebung wissen wir soviel, daß
ein beim Zitadellenbau zugeschütteter Arm der Havel östlich und südlich an der Burg vorbei-
führte und daß die Straße Spandau - Berlin, vom nordöstlichen "Mühlentor" Spandaus aus-
gehend, relativ dicht an der Burg vorbei oder durch sie hindurch geführt haben muß, und
zwar an ihrer Nordseite. Auch der "Kiez" als Fischer- und Dienstmannensiediung lag im Be-
reich der Burg und späteren Zitadelle.

Der in vielfach umgebauter Form erhaltene, z.Zt. ( 1980) untersuchte und restaurierte Wohn-
bau neben dem Juliusturm entstand nach den noch unveröffentlichten Ergebnissen dieser Un-
tersuchung im mittleren 14, Jh., zu einer Zeit, als auch die Schriftquellen eine erhebliche
Bedeutungssteigerung der Spandauer Burg erkennen lassen. Dieser Bau enthielt über dem
Keller einen Saal und darüber ein weiteres Obergeschoß, wohl mit Wohnräumen. Direkt vor
seiner Südostseite befand sich der erwähnte Havelarm, während eine kleine "Kernburg" nörd-
lich von ihm und dem Juliusturm mit guten Gründen vermutet werden kann, aber grabungs-
mäßig bisher kaum erfaßt ist (ein wohl noch jüngeres kleines Gebäude an der Westseite die-
ser Kernburg, 1979 freigelegt, harrt gleichfalls noch der Publikation). Ein langer Mauerzug,
der vom Wohnhaus aus gegen Nordosten zog und durch einen oder mehrere Türme verstärkt

war, ist archäologisch festgestellt und darf als südöstliche Begrenzung einer Vorburg ver-
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standen werden ; die nördliche Begrenzung dieser Vorburg ist im einzelnen ungeklärt, je-
doch müssen die Rekonstruktionsversuche von Ludewig für diesen Bereich als in den Einzel-
heiten unwahrscheinlich und unbelegt zurückgewiesen werden. Die Innenbebauung der Burg

wird in einer Urkunde von 1441 angedeutet, die neben der Kernburg ("Borgfride mit dem

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wonhawse") ein Brauhaus und ein weiteres Gebäude nennt

Eine inzwischen zu Recht mehrfach zurückgewiesene These von A. Ludewig besagt, daß die
mittelalterliche Burg seit dem frühen 16. Jh. zu einer "Festung altdeutscher Manier" ausge-
baut worden sei, die die Zitadelle in Umfang und baulichem Aufwand im wesentlichen vorweg-
genommen hätte . Diese These, wie die ebenfalls von Ludewig stammende des sog, "Gelben
Schlosses", die damit assoziiert ist, hat eine so komplexe, auf vielfach veränderten Rück-
schlüssen und Spekulationen beruhende eigene Geschichte, daß sie schon aus Platzgründen
hier nur kurz untersucht und widerlegt werden kann (vgl, a, hier Abschnitt 2., 'Die Bastion
"Kronprinz" ' und 'Der Nordbau'). An dieser Stelle sei nur soviel gesagt, daß die Quellen

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