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Zweck und Technik des "Lynarplans"

2. Zweck und Technik des "Lynarplans"

Der "Lynarplan" ist eine Federzeichnung auf Papier, ausgeführt in schwarzer und hellbrauner
Tusche. Dies und die Genauigkeit des wiedergegebenen Grundrisses besagen bereits, daß es
sich im Gegensatz zu den meisten alten Darstellungen der Zitadelle um einen Plan handelt, der
in direktem Zusammenhang mit dem Bauvurgang stand, also um einen Entwurf bzw. eine Zeich-
nung, die eigens zur Information des Bauherrn über das geplante Bauwerk angefertigt wurde.
Um die Bedeutung dieser Aussage zu unterstreichen, zählen wir kurz andere Funktionen sol-
cher Darstellungen auf: sie konnten in Büchern erscheinen, die die Festungsbauspezialisten
herausgaben, um ihre Fähigkeiten insbesondere gegenüber potentiellen Bauherrn zu unterstrei-
chen"^ , - dies gilt z.B. für den Plan aus der "Architectura militaris" (1647) des Matthias
Dögen, der als erster in dieser Reihe erschien. Sie konnten in dieser oder auch in der Form

einer Handzeichnung zur Information der Militärexperten, d.h. der "Architekten" und der Of-

2)

fiziere,über Grundsätze und neue Entwicklungen im Festungsbau dienen . Und schließlich be-
saßen sie eine zunehmende Bedeutung als Objekte eines Prestigedenkens der Landesherren, die
in dieser Weise nicht nur ihre eigenen Festungen als Machtsymbole präsentieren, sondern dar-
über hinaus auf ihre eigenen Kenntnisse auf diesem Gebiet verweisen konnten. Vor allem die-
se letzten Gründe führten seit dem 17. Jahrhundert zur Entstehung umfangreicher Sammlungen
von Festungsplänen und Büchern über dieses Thema an vielen europäischen Höfen; als ein-
drucksvollstes Beispiel kann die von Ludwig XIV. begründete Sammlung gelten, der vor allem

für Ausbildungszwecke auch eine große Anzahl höchst aufwendiger Festungsmodelle herstellen
3)

ließ . Die für diesen höfischen Adressatenkreis geschaffenen Pläne zeichnen sich im allgemei-
nen durch anspruchsvollere Ausschmückungen aus (Ornamente, Farbigkeit, Beschriftung), fer-
ner auch häufig durch geringere Genauigkeit gegenüber den eigentlichen Entwurfs- und Aufnah-
mezeichnungen der "Architekten", die ihnen zur Grundlage dienten.

Nach all diesen Kriterien handelt es sich beim "Lynarplan" um die Zeichnung eines "Architek-
ten" bzw. Festungsbauspezialisten, die mit möglichst hoher Genauigkeit das geplante Bauwerk
wiedergeben sollte, während sie "repräsentative" Zwecke nicht verfolgt; auf jede Ausschmük-
kung ist verzichtet und selbst ein einfacher gezeichneter Rand fehlt. Die Beschriftung be-
schränkt sich auf die Angabe der Einheiten an den beiden Maßstäben ( 250 bzw. 300 Werk-
schuh) . Dies entspricht, ebenso wie der Stil der Zeichnung insgesamt, durchaus auch ver-
gleichbaren Zeichnungen des 16. Jahrhunderts, wie sie vor allem in Italien, aber auch im

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brandenburgischen Bereich erhalten sind

Zur Entstehungszeit der Zitadelle (1559-83)"^ war der repräsentative Wert solcher Pläne tat
sächlich noch kaum entwickelt. Vielmehr hatte der Festungsbau als solcher gerade erst seine
Geburtsphase überwunden, und eine schmale Schicht von Spezialisten begann in der 2. Hälfte
des 16. Jhs., die gewonnenen Kenntnisse in architekturtheoretischen Schriften niederzulegen*^.
Dies war zunächst in Italien der Fall, wo sich der Bautyp und mit ihm der Typ des Festungs-
bauspezialisten entwickelt hatte. Spandau mit seinen beiden italienischen "Architekten" Chia-
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ramella und Lynar ist insoweit typisch für das damalige Geschehen in ganz Europa - die er-
ste Generation der Festungsbaumeister wurde aus Italien "importiert", und erst gegen Ende

des 16. Jhs. hatten sich Einheimische soviel Wissen angeeignet, daß sie unabhängig von ita-

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lienischem "know-how" Festungen planen und bauen konnten . Für das Verständnis des Pla-
nes und seiner Bedeutung muß man sich auch vor Augen halten, daß die kleinen Staaten im
deutschen Raum wie etwa Brandenburg durch den Umfang einer solchen Bauaufgabe ökonomisch
schwer belastet wurden, so daß völlig neu geplante Festungen zunächst durchaus selten blie-
ben .

Diese Seltenheit läßt sich allein schon an dem Papier ablesen, auf das der "Lynarplan" gezeich-
net wurde. Zwar gab es seit dem Mittelalter eine entwickelte Papierfabrikation, so daß das am
Orte hergestellte oder importierte Papier unproblematisch zu erwerben war, auch in der für
Schreibpapier ungewöhnlichen Stärke, die es im Falle des "Lynarplans" aufweist. Es gab aber

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