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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0214

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V. Die Verallgemeinerung persönlicher Themen (1880—1887)

eigenen Lebenserfahrungen. Die Gemälde verschleiern ihre autobiographischen
Ursprünge nun bis zur Unkenntlichkeit. Erst spät und nur ausnahmsweise bringt
Marees dann autobiographische Gehalte von Anfang an in literarischen oder my-
thologischen Sujets zum Ausdruck. Dies zeigen besonders die erörterten Cheiron-
und-Achill-Zeichnungen (Abb. 60-62), die Vorzeichnungen zu einer Statue des
Nestor mit ihren Anklängen an das Thema >Ganymed als Mundschenk des Zeus*127
(Abb. 63) und schließlich die Entführung des Ganymed (Abb. 111).

V.5. Fazit und Ausblick
Marees folgt der konventionalisierten Zuordnung von literarisch »lesbaren* Figu-
rengruppierungen zu bestimmten traditionellen Themen, wie sie beispielsweise in
den Darstellungsschemata der >Drei Grazien* und des >Parisurteils< vorgegeben
ist, zumeist nicht. Dies gilt auch dann, wenn er etwa in den Triptychen Die Hespe-
ridin und Das Urteil des Paris I und H auf bekannte Sujets anspielt, da er kon-
ventionalisierte Zusammenstellungen von Figuren wie das klassische Motiv der
>Drei Grazien* in einem solchen Grade abwandelt, dass sie neue Bedeutungen ver-
mitteln. Dies soll im folgenden Kapitel gezeigt werden.
Die verbreitete Auffassung, mit der weitgehenden Aufgabe überkommener Bild-
themen bei Marees ein »Verschwinden des Sujets«128 zu konstatieren, erwies sich
als unangemessen. Vielmehr entwickelt er eine thematisch komplexe Bildsprache,
die zunächst autobiographische, dann zunehmend ihrer Intention nach allgemein-
gültige Inhalte veranschaulicht. In ihr durchdringen sich biographische Motive mit
den im späteren 19. Jahrhundert verbreiteten Sujets des »Goldenen Zeitalters<
und der »Lebensalter* sowie zuletzt mit mythologischen Stoffen.
Sämtliche motivische und thematische Merkmale des »eigenen Genres«129 der
»Hesperidenbilder* und ihrer privaten Ikonographie können auf eine doppelte
Anforderung zurückgeführt werden, die Marees offenbar an seine Malerei stellte:
individuelle Lebenserfahrungen zu verbildlichen und gleichzeitig in intersubjektiv
verständliche und universal gültige Bilderfindungen zu übersetzen. In Reaktion
auf den Verfall der traditionellen Bildrhetorik setzt Marees dabei auf die klassizis-
tische Konzeption des »sich selbst aussprechenden Bildes*, die in der »ursprüng-
lichem Sprache der Gebärden und Gruppierungen von Figuren fundiert ist. Es gilt
nun zu zeigen, dass auch die zunehmende Formalisierung der »Hesperidenbilder*
in dem Bestreben motiviert ist, zunächst »private* Motive in allgemein verständ-
liche und bedeutsame Gemälde zu überführen.

127 Vgl. in der vorliegenden Arbeit IV.4.2.2.
128 Vgl. zu diesem kunsthistorischen Topos: Settis 1982 (1978), S. 8 ff., Imdahl 1987, S. 19. Zu
seiner Bedeutung für die Marees-Forschung vgl. in der vorliegenden Arbeit 1.1.2.
129 Speidel 1891, S. 381.

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