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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 9.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.13518#0438

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431

(520) aber durchaus im Charakter der römischen Cam-
pagua aufgefaßt. Wir halten, so wenig sonst wohl der
Titel eines Bildes in Betracht kommen kann, dies doch
für einen Fehler, weil darin ein Mangel an tieferer
Charakteristik liegt. Niemand würde dies Bild für eine
Partie aus Bayern und noch dazu aus dem bayerischen
Gebirge halten. Eine weite, ziemlich monotone Ebene mit
niedrigen Höhenzügen in weiter Ferne: dies bietet zunächst
das Bild dar. Es ist mit feinem Gefühl für Linien ge-
zeichnet, noch höher aber schätzen wir die Behandlung der
Licht- und Schattengegensätze. Das Terrain des Vorder-
grundes ist mit ungemeiner Naturempfindung und auer-
kennenswerther Sorgfalt durchgeführt. Der Totaleindruck
ist ein bedeutender, stimmungsvoller. Und dennoch — es
ist in der ganzen Auffassung ein Etwas, was den Eindruck
macht, als ob der Künstler alles dies mehr durch Routiue
als durch poetische Weihe erreicht hätte. Worin dieser
Eindruck liegt und wodurch er motivirt wird, ist schwer
zu sagen: vielleicht stimmt er aus dem sichtbaren Gepräge
von Fertigkeit, die dem Ganzen trotz seiner unverkennbaren
Schönheiten allzusehr den Charakter einer gewissen Vir-
tuosität aufdrückt. Wir wünschten um keiueu Preis un-
gerecht zu sein, aber wir müssen unserm Gefühl nach die
Wahrheit sagen. — Leu s italienische Landschaften haben
wir schon erwähnt. Auch A- Weber hat eine solche unter
dem Titel „Komponirte Landschaft" (680) ausgestellt, welche
einen durchaus italienischen Charakter besitzt. Aber freilich
einen ernsten, etwas schwertönigen, aber stimmungsvollen,
dichterisch empfundenen Charakter, wie er des Künstlers
Richtung angemessen ist. Diese „Komponirte Landschaft"
ist äußerlich bedeutender als seine „Deutsche Landschaft"
(679), welche wir hier gleich anschließcu wollen. — Einen
eigentümlichen Gegensatz dazu bilden die Gemälde von
Behrendsen: „An der Küste von Genua" (28), „Am
Comersee" (29) und „Küste bei Nizza" (30). Man muß
diese Bilder länger betrachten, nm darin das gewissenhafte
Streben zu würdigen, die Poesie der Farbenstimmung in
der italienischen Natur zur vollen Erscheinung zu bringen.
Ob dieser Zweck immer erreicht ist, ob nicht zuweilen die
Farbengegensätze noch zu sehr als solche statt als Ton-
gegensätze wirken, muß dem subjektiven Geschmack zu ent-
scheiden überlassen bleiben. Was uns betrifft, so wollen
wir nickt verhehlen,ßdaß uns hin und wieder daraus ein
kleiner Anklang von Buntheit berührt, welcher der Stim-
mung nicht vortheilhaft ist. Im klebrigen ist die große
Sorgfalt und die tüchtige Technik anzuerkennen, womit
diese Bilder durchgeführt sind.

Die „Gebirgslandschaft" im specifischen Sinne dieses
Worts — d. h. diejenigen Landschaften, in denen die Ge-
birgsansicht Hauptsache ist — fanden wir diesmal weniger

zahlreich als sonst vertreten. Zu den schönsten Bildern die-
ser Art gehören Leu's meisterhafte,(bereits erwähnte Bilder
„Der Oeschinensee in der Schweiz" (385) und „Sojen
Fjord" (387). — Knorr's „Norwegische Hochebene" (340)
macht bei mannigfachen, nicht zu verkennenden Schönheiten
doch zu sehr einen panoramaartigen Eindruck. — Dasselbe
möchten wir von dem ebenfalls sehr wirkungsvollen Bilde
A. Becker's „Norwegisches Hochgebirge" (15) sagen. Ein
zweites Bild des Letzteren „Das Kaisergebirge in Tyrol"
(14) ist bildmäßiger behandelt und von ansprechenderer
Wirkung, obwohl vielleicht etwas kalt im Ton.

Mit der „Gebirgslandschaft" steht „Die schöne Gegend"
in sofern in verwaudschaftlicher Beziehung, als die Maler
der letzteren Gattung meist Gebirgsmotive zur schönma-
lerischen Darstellung bringen. Der Unterschied'4iegt ledig-
lich in der Auffassung; diese aber beruht wieder auf dem von
den Malern der „schönen Gegend" gänzlich verkannten
Gegensatz zwischen Kunst- und Naturschönheit. Ist es denn
blos ein Caprice des Auges, daß es sich in der Natur
bei einem Sonnenuntergang alle Farben des Regeubegens
gefallen läßt, die auf einem Bilde eiueu abschreckenden
Eindruck machen würden, während es umgekehrt ein ganz
einfaches, farbloses Motiv, ein Stückchen Haidegegend oder
dergleichen auf dem Bilde mit Vergnügen betrachtet, wäh-
rend es dasselbe Stück in der Natur vielleicht gar nicht
beachten, ja langweilig finden würde? Wir könnten über
die Ursachen hiervon Mancherlei sagen, wollen uns jedoch
damit begnügen auf zwei Punkte hinzuweisen, welche we-
sentlich dabei Mitwirken: der erste ist die Unmöglichkeit,
das Natürlich! in den Sonnenuntergangsfarben wieder-
zugeben, der zweite die Beschränkung auf den Rahmen bei
dem Bilde. Die Wirkungsmomente in der Natur sind
wesentlich von denen im Bilde verschieden. Ties konsta-
tirt, halten wir es immer für ein Wagstück, die bloße
Naturschönheit zu malen. Abgesehen, daß dieses Nach-
treten in die Fußtapfen der Natur immer nur nur ein
Hinken bleiben wird, da das Abbild der Naturschönheit
immer eine blasse Kopie bleiben wird, giebt damit der
Künstler auch zugleich das subjektiv poetische Element der
bildmäßigen Wirkung aus, welches die Darstellung allein
zu einer „künstlerischen" stempelt. Es ist eine alte Lehre,
daß ein Kunstwerk entweder viel mehr oder viel weniger
als die Natur giebt, und die Malerei der „schönen Gegend"
gehört zu der letzteren Art.

Die Vertreter derselben sind zahlreich genug; wir er-
wähnen nur einige unter ihnen, die einen gewissen Namen
haben und im Publikum nicht unbeliebt sind: Kalkreuth,
Pape, Triebel, Baumgärtner, Mantel, Engel-
hardt, Seiffert u. A. (Forts, folgt.)

Ein Lutherbild weniger.

Der Katalog der berliner Gemäldegalerie führt unter
No. 618 ein Gemälde Lucas Cranachs des Aelteren als
das „Bildniß Luther's als Junker Georg" an, welche Be-
zeichnung sich jedoch bei näherer Prüfung als eine durch-
aus irrthümliche darstellt. Schon der erste flüchtige Blick
auf die Gesichtsbildung und die naheliegende Vergleichung
mit einem unmittelbar danebenhängenden, ächten, wenn
auch unbedeutenden Lutherbildniß zeigt die unbedingte
Verschiedenheit mit der durch Cranach's Bilder in fast
allen Lebensaltern längst festgestellten Physiognomie des
großen Reformators auf das Schlagendste. Namentlich
ist es die feine, zartgespitzte Nase, welche durchaus von
der kräftigen kurzen Formation der Nase aller anderen und
auch des danebenhängenden Luther-Bildnisses ganz ent-
schieden abweicht. Die ganze Gesichtsbildung ist schlanker,
das Oval länglicher, und somit fehlt allerdings gerade
das am meisten charakteristische Merkmal der Lutherphy-

siognomie, jene ausfallende Breite der Backenknochen, welche
auch denjenigen Bildnissen, welche ihn als Mönch und in
den nächstfolgenden Lebensperioden zeigen, wo er bekannt-
lich sehr mager war, dennoch immer einen gewissen Aus-
druck von Kraft und Formfülle verleiht. Nicht minder
ist die Art und Weise, wie das dichte hellbraune Haupt-
haar auf die Stirue gekämmt und glatt geschnitten, gänz-
lich verschieden von dem auf allen Bildnissen Luthers gleich
erscheinenden, lockig dünneren Haupthaar, welches immer
in drei großen Abtheilungen die freie Stirn und die Schläfe
umgiebt. Ebenso sind die Augenlider schmal, bei Luther
immer breit, zumeist in seiner jugendlichen Zeit, wo das
Auge tieferliegend erscheint als später. Die ganze Aehn-
lichkeit, worauf am Ende der verjährte Jrrthum be-
ruht, möchte sich auf die allen Bildnissen Cranach's gleich
ungehörige Behandlungs- und Ausfassungsweise, nament-
lich aus "die ihm so beliebte schiefe Stellung der Augen

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