Warum ist der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen?
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trinken Kaffee. Man klopft,
der Herr Bürgermeister ru-
fen herein, die Thüre geht
auf und es traten ein der
Herr Gemeinde - B orsteher
und der Herr Stadtschreiber.
„Ah! recht guten Mor-
gen, meine Herren!" sagt
der Herr Bürgermeister.
„Gehorsamster Diener,
Herr Gevatter!" sagt der
Herr Stadtschreiber.
„Gehorsamster Diener,
Herr Bürgermeister!" sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Nehmen Sie Platz, meine Herren!" sagt der Herr Bür-
gernieister.
„Jchbinsofrei, Herr Gevatter!" sagt der Herr Stadtfchreiber.
„Ich danke, ich bin nicht müd, Herr Bürgermeister!" sagte
der Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Herr Gevatter, eine höchst wichtig scheinende Sache führt
uns schon so früh zu Ihnen."
„Ru', was gibt ® denn, Herr Gevatter!" sagt der Herr
Bürgermeister.
„Ich bin so frei, Ihnen Alles zu erzählen, Herr Gevatter!"
sagt der Herr Stadtschreiber:
„Ich lag noch in meinen Federn und schnarchte. Ta klopfte
es an der Thüre, zuvor leise, dann stärker, ich wache auf und
rufe herein. Ta geht die Thür auf und der Herr Gemeinde-
Vorsteher tritt herein."
„Recht guten Morgen, Herr Stadtschreiber!" sagt der
Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Ah, guten Morgen, Herr Gemeinde-Vorsteher!" sag'ich.
„Sie verzeihen, daß ich so früh schon störe," sagt der Herr
Gemeinde-Vorsteher.
„Bitte, das macht nichts!" sag ich d'rauf.
„Herr Stadtschreiber! Etwas von höchster Wichtigkeit treibt
mich zu Ihnen; sonst hätte ich mir nicht erlaubt, Sie so früh schon
in Ihrem Schlafe zu stören! sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher.
„So! was denn?" frag' ich, fahre aus meinem Bett' 'raus
und in meine Hosen hinein, „ich bitte, erzählen
Sie doch, Herr Gemeinde-Vorsteher!"
„Es war Morgens fünf Uhr," sagt der Herr
Gemeinde-Borsteher. „Ich stehe unter der Thüre
nieines Ladens, rauche aus meiner türkischen Pfeife
mit dem langen, ächten Weichselrohre und denke
eben an gar nichts. Da kömmt die Lisett', das
Stubenmädchen der Frau Rentbeamtin über den
Platz herüber auf meinen Laden zu.
„Recht guten Morgen, Herr Gemeinde-Vor-
steher!" sagt die Lisett'.
„Ah, recht guten Morgen, Lisett'!" sagt der
Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Eine schöne Empfehlung von meiner gnädigen
Frau, der Frau Rentbeamtin," sagt die Lisett', „sie
läßt Sie fragen, ob Sie nicht wissen, warum
vorhin der Herr Landrichter in Uniform über
die Straße gegangen ist?"
„So!" sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher
und nimmt die türkische Pfeife mit dem lan-
gen, ächten Weichselrohr aus dem Munde,
„so!" der Herr Landrichter ist in Uniform
über die Straße gegangen? Hm! zu der
Tageszeit schon, ist mir unbegreiflich! Es
wäre vielleicht möglich," sagt der Herr Ge-
meinde-Vorsteher, „daß der Herr Landrichter
hohe, höchste oder allerhöchste Personen er-
warten, aber da denke ich, hätten Sie doch
gestern Abends auf der Post Etwas geäuffert.
Richten Sie der Frau Rentbeamtin meine
Empfehlung aus, es thut mir leid, aber ich
kann Ihr da wirklich nichts Gewiffes sagen,
— hm! bin selber überrascht, kann mir gar
nicht denke» — . . . ."
„Verzeihen Sie halt, Herr Gemeinde-Borsteher!" sagt die
Lisett' drauf, „daß wir so frei waren."
„Bitte, bitte, Lisett'!" sagt der Herr Gemeinde-Borsteher
„es thut mir nur leid, daß ich der Frau Rentbeamtin nicht
dienen kann.“
„Nun wünsche ich Ihnen recht guten Appetit, Herr Ge-
meinde-Vorsteher!" sagt die Lisett'.
Die Lisett' ging, dem Herrn Gemeinde-Vorsteher ließ es,
wie ganz natürlich, keine Ruhe mehr; er ging in seinen Laden
zurück, zog seinen blauen Frack da an und
kam zn mir, um mich zu fragen, ob ich nicht
wisse, warum der Herr Landrichter in Uniform
über die Straße gegangen sei?
„Herr Gemeinde-Vorsteher, ich danke
Ihnen für das Zutrauen, das Sie mir
Hg schenken," sag' ich, „aber in diesem Falle bin
ich wirklich so unwissend wie Sie. Also um
fünf Uhr schon, sagen Sie," sag' ich, „und
in Uniforni? Weiß Gott! eine bewegte Zeit,
Herr Gemeinde-Vorsteher, hm! — wir wollen
sehen! Hm! um fünf Uhr schon und unter
uns gesagt, Herr Gemeinde-Vorsteher!" sag'
ich, „der Herr Landrichter ist doch sonst der
Mann nicht, der um fünf Uhr aufsteht, —
wie auch Sie wiffen, natürlich unter uns ge-
sagt, Herr Gevatter! Ich glaube, Herr Ge-
meinde-Vorsteher," sag' ich, „es wird das
Beste sein, wir gehen zu meinem Gevatter, dem Herrn Bür-
germeister, vielleicht ist der in die Sache cingeweiht."
„Wie Sie glauben, Herr Stadffchreiber!" sagt der Herr
Gemeinde-Vorsteher.
Ich greife nun nach meinem Hut und so sind wir zu Ihnen
gekommen, Herr Gevatter, in der Hoffnung, daß Sie uns diese
Sache ausklären können."
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trinken Kaffee. Man klopft,
der Herr Bürgermeister ru-
fen herein, die Thüre geht
auf und es traten ein der
Herr Gemeinde - B orsteher
und der Herr Stadtschreiber.
„Ah! recht guten Mor-
gen, meine Herren!" sagt
der Herr Bürgermeister.
„Gehorsamster Diener,
Herr Gevatter!" sagt der
Herr Stadtschreiber.
„Gehorsamster Diener,
Herr Bürgermeister!" sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Nehmen Sie Platz, meine Herren!" sagt der Herr Bür-
gernieister.
„Jchbinsofrei, Herr Gevatter!" sagt der Herr Stadtfchreiber.
„Ich danke, ich bin nicht müd, Herr Bürgermeister!" sagte
der Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Herr Gevatter, eine höchst wichtig scheinende Sache führt
uns schon so früh zu Ihnen."
„Ru', was gibt ® denn, Herr Gevatter!" sagt der Herr
Bürgermeister.
„Ich bin so frei, Ihnen Alles zu erzählen, Herr Gevatter!"
sagt der Herr Stadtschreiber:
„Ich lag noch in meinen Federn und schnarchte. Ta klopfte
es an der Thüre, zuvor leise, dann stärker, ich wache auf und
rufe herein. Ta geht die Thür auf und der Herr Gemeinde-
Vorsteher tritt herein."
„Recht guten Morgen, Herr Stadtschreiber!" sagt der
Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Ah, guten Morgen, Herr Gemeinde-Vorsteher!" sag'ich.
„Sie verzeihen, daß ich so früh schon störe," sagt der Herr
Gemeinde-Vorsteher.
„Bitte, das macht nichts!" sag ich d'rauf.
„Herr Stadtschreiber! Etwas von höchster Wichtigkeit treibt
mich zu Ihnen; sonst hätte ich mir nicht erlaubt, Sie so früh schon
in Ihrem Schlafe zu stören! sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher.
„So! was denn?" frag' ich, fahre aus meinem Bett' 'raus
und in meine Hosen hinein, „ich bitte, erzählen
Sie doch, Herr Gemeinde-Vorsteher!"
„Es war Morgens fünf Uhr," sagt der Herr
Gemeinde-Borsteher. „Ich stehe unter der Thüre
nieines Ladens, rauche aus meiner türkischen Pfeife
mit dem langen, ächten Weichselrohre und denke
eben an gar nichts. Da kömmt die Lisett', das
Stubenmädchen der Frau Rentbeamtin über den
Platz herüber auf meinen Laden zu.
„Recht guten Morgen, Herr Gemeinde-Vor-
steher!" sagt die Lisett'.
„Ah, recht guten Morgen, Lisett'!" sagt der
Herr Gemeinde-Vorsteher.
„Eine schöne Empfehlung von meiner gnädigen
Frau, der Frau Rentbeamtin," sagt die Lisett', „sie
läßt Sie fragen, ob Sie nicht wissen, warum
vorhin der Herr Landrichter in Uniform über
die Straße gegangen ist?"
„So!" sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher
und nimmt die türkische Pfeife mit dem lan-
gen, ächten Weichselrohr aus dem Munde,
„so!" der Herr Landrichter ist in Uniform
über die Straße gegangen? Hm! zu der
Tageszeit schon, ist mir unbegreiflich! Es
wäre vielleicht möglich," sagt der Herr Ge-
meinde-Vorsteher, „daß der Herr Landrichter
hohe, höchste oder allerhöchste Personen er-
warten, aber da denke ich, hätten Sie doch
gestern Abends auf der Post Etwas geäuffert.
Richten Sie der Frau Rentbeamtin meine
Empfehlung aus, es thut mir leid, aber ich
kann Ihr da wirklich nichts Gewiffes sagen,
— hm! bin selber überrascht, kann mir gar
nicht denke» — . . . ."
„Verzeihen Sie halt, Herr Gemeinde-Borsteher!" sagt die
Lisett' drauf, „daß wir so frei waren."
„Bitte, bitte, Lisett'!" sagt der Herr Gemeinde-Borsteher
„es thut mir nur leid, daß ich der Frau Rentbeamtin nicht
dienen kann.“
„Nun wünsche ich Ihnen recht guten Appetit, Herr Ge-
meinde-Vorsteher!" sagt die Lisett'.
Die Lisett' ging, dem Herrn Gemeinde-Vorsteher ließ es,
wie ganz natürlich, keine Ruhe mehr; er ging in seinen Laden
zurück, zog seinen blauen Frack da an und
kam zn mir, um mich zu fragen, ob ich nicht
wisse, warum der Herr Landrichter in Uniform
über die Straße gegangen sei?
„Herr Gemeinde-Vorsteher, ich danke
Ihnen für das Zutrauen, das Sie mir
Hg schenken," sag' ich, „aber in diesem Falle bin
ich wirklich so unwissend wie Sie. Also um
fünf Uhr schon, sagen Sie," sag' ich, „und
in Uniforni? Weiß Gott! eine bewegte Zeit,
Herr Gemeinde-Vorsteher, hm! — wir wollen
sehen! Hm! um fünf Uhr schon und unter
uns gesagt, Herr Gemeinde-Vorsteher!" sag'
ich, „der Herr Landrichter ist doch sonst der
Mann nicht, der um fünf Uhr aufsteht, —
wie auch Sie wiffen, natürlich unter uns ge-
sagt, Herr Gevatter! Ich glaube, Herr Ge-
meinde-Vorsteher," sag' ich, „es wird das
Beste sein, wir gehen zu meinem Gevatter, dem Herrn Bür-
germeister, vielleicht ist der in die Sache cingeweiht."
„Wie Sie glauben, Herr Stadffchreiber!" sagt der Herr
Gemeinde-Vorsteher.
Ich greife nun nach meinem Hut und so sind wir zu Ihnen
gekommen, Herr Gevatter, in der Hoffnung, daß Sie uns diese
Sache ausklären können."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Warum ist der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 10.1849, Nr. 232, S. 123
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg