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der neu eröffneten Bahnstrecke in einer
Jß? bisher verkehrsarmen Waldgegend fuhr
^ ^ der Morgenzug eben an dem
Wärterhäuschen Nr. 85 vorüber. ^
Streckenwärter schien hievon ganz über
rascht worden zu sein, denn er stand
nicht stramm, wie ein Wachtposten,
auf dein Platze, sondern er be-
wegte sich, die zusammengerollte
Signalflagge nnter'm Arm rmd
die qualmende Pfeife im Munde,
langsam von der Hausthüre weg
dern nahen Kartoffelacker zu. Der
Lokomotivführer ließ einen Warn-
ungspfiff ertönen und zugleich
machte er eine drohende Armbe-
wegnng, welche jedoch, wie es schien,
nicht verstanden wurde; der gemäch-
liche Wärter erwiderte mit einer
grüßenden Handschwenknng.
Nachdein der Zug in der nächsten
Station eingetroffen war, erstattete der Loko-
motivführer Meldung von dem eigenthümlich
Verhalten des Streckenwärters, und auf Anordnung des
Stationschefs begab sich der Bahnmeister sofort per Draisine zu dein
Posten Nr. 85. Auf einer Bailk vor dem Hänschen saß ein altes
Bäuerlein mit der dampfenden Pfeife im Munde — sonst war
Niemand zu sehen. „Wo ist Nr. 85?" herrschte er den friedlich
Dasitzenden aii. Dieser nickte freundlich mit dciii Kopfe und er-
widerte: „Bist scho' recht — da san mir Haus Nr. 85!" — „Wo der
Wärter Nr. 85 ist, möcht' ich wissen", forschte der Beamte weiter
und las aus seiner Brieftasche heraus: „der Kaspar Hiendlbeck!"
— „Ja der" — berichtete der Befragte, „den siehst D' nimmer,
der is scho' vor drei Täg fnrt. Er is in d' Stadt 'nei' und macht
die Sach' wegen dem Häusl in Richtigkeit, hat er g'sagt und nach-
her geht er in's Amerika eine, zum Goldaußcrgraben — hat er
g'sagt!" — Der Bahnmeister schluckte seine Ueberraschung hinunter,
dann' fragte er in gereiztem Tone: „Der Bahnwärter durchge-
brannt? Wie kommst denn nachher Du da her und in das Haus?
Hat er Dir den Posten übergeben?" — „Freili'", sagt der brave
Mann, „jetzt g'hört Alles mei'; und i' wär' so weit ganz z'fricd'n.
Da Kaspar war nämli' a' Lump und is mir schon vor seiner
Anstelligung fünfzig Mark'ln schuldig g'wesen. Wie i' eahin mit'n
G'richt 'droht Hab', Hot er si' a' wen'gl b'sunna, nacha hat er
g'sagt: Daß D' siehst, Guggenbauer, daß i' an ehrlicha Mensch
bin, mach' i' Dir an Vorschlag. Du bist eh im Austrag und
da wär' dös a' schöne G'leg'nheit für Di' — Du kaufst mir
dös Häusl ab; es is für Di' und Dei' Alte g'rad wia g'macht —
a' bist a' Grund is auch dabei — und i' gib Dir's billig, weil
der Eisenbahnphysikus einen Austrag d'rauf hat — so oft a' Zug
vorbei fahrt, muß ma' nämlich außa geh'n!" — „Ein solcher Erz-
gauner!" unterbrach ihn der Bahnmeister und schaute den erzählen-
den Bauern wie ein Wunderthier an. — „No ja", fuhr dieser fort,
„da Hab' i' mir denkt, auf die Weis' kommst am besten zu dein
Geld, Hab' eahm no' 300 Mark'l 'nauszahlt, er hat mir's schriftlich
gcb'n, und so bin i' zu dem Sacherl kemma!" — Der Bahnmeister
schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und rief aus: „Herr-
gott im Himmel, ist's möglich, daß ein Mensch so vernagelt sein
kann! . . Der Gauner hat Dich schön angeschmiert. So wenig Du
den Psarrhof verkaufen kannst, ebenso wenig hat der Kaspar dieses
Dienstgebände veräußern können. Du mußt augen-
blicklich das Hans räumen; was sonst noch nach-
kommt, das wird sich zeigen!" — „Was?"
der Bauer wüthend, „i' Hab' mei'
schrift — dös Häusl g'hört jetzt mir —
laß's auf an' Prozeß ankvmma!" —
„Da wird kurzer Prozeß gemacht",
erwiderte der Bahnmeister — „wenn
bis heut' Nachmittag das Haus
nicht geräumt ist, kommt der
Gendarmeriekommandant und be-
sorgt das Weitere!" — Nun fing
der Guggenbauer zu jammern an,
er rief seine Ehegesponsin herbei
und es gab ein furchtbares La-
mento. Endlich ermannte er sich
und fragte den Zerstörer seines
Glück's: „Aba — mei' Geld kriag'
i' do' wieda?" —■ „Da mußt Du den
Kaspar fragen", erwiderte der Bahn-
ister, . . „also bis Nachmittag!" — Dann
r fort. — Wortlos sah sich das geprellte
Da sauste ein Zug vorüber; der Führer
gab ein Signal mit der Tampfpfcife. Ingrimmig
ballte der Guggenbauer die Faust und rief der dahineilenden
Lokomotive nach: „O du Deif'lsg'sellschaft — i' Hab' g'moant, wia
schön i's derrath'n Hab' — und jetzt pfeifen s' mir was!"
A r g e E n t t ä u s ch n n g.
Buchhalter: „Herr Chef, morgen werden es 24 Jahre, daß
ich in Ihr Geschäft ein- ?
getreten I" — Chef:
„Na, hoffentlich werden
Sie doch ein Jubiläums-
mahl geben und mich
dazu einladen?!"
der neu eröffneten Bahnstrecke in einer
Jß? bisher verkehrsarmen Waldgegend fuhr
^ ^ der Morgenzug eben an dem
Wärterhäuschen Nr. 85 vorüber. ^
Streckenwärter schien hievon ganz über
rascht worden zu sein, denn er stand
nicht stramm, wie ein Wachtposten,
auf dein Platze, sondern er be-
wegte sich, die zusammengerollte
Signalflagge nnter'm Arm rmd
die qualmende Pfeife im Munde,
langsam von der Hausthüre weg
dern nahen Kartoffelacker zu. Der
Lokomotivführer ließ einen Warn-
ungspfiff ertönen und zugleich
machte er eine drohende Armbe-
wegnng, welche jedoch, wie es schien,
nicht verstanden wurde; der gemäch-
liche Wärter erwiderte mit einer
grüßenden Handschwenknng.
Nachdein der Zug in der nächsten
Station eingetroffen war, erstattete der Loko-
motivführer Meldung von dem eigenthümlich
Verhalten des Streckenwärters, und auf Anordnung des
Stationschefs begab sich der Bahnmeister sofort per Draisine zu dein
Posten Nr. 85. Auf einer Bailk vor dem Hänschen saß ein altes
Bäuerlein mit der dampfenden Pfeife im Munde — sonst war
Niemand zu sehen. „Wo ist Nr. 85?" herrschte er den friedlich
Dasitzenden aii. Dieser nickte freundlich mit dciii Kopfe und er-
widerte: „Bist scho' recht — da san mir Haus Nr. 85!" — „Wo der
Wärter Nr. 85 ist, möcht' ich wissen", forschte der Beamte weiter
und las aus seiner Brieftasche heraus: „der Kaspar Hiendlbeck!"
— „Ja der" — berichtete der Befragte, „den siehst D' nimmer,
der is scho' vor drei Täg fnrt. Er is in d' Stadt 'nei' und macht
die Sach' wegen dem Häusl in Richtigkeit, hat er g'sagt und nach-
her geht er in's Amerika eine, zum Goldaußcrgraben — hat er
g'sagt!" — Der Bahnmeister schluckte seine Ueberraschung hinunter,
dann' fragte er in gereiztem Tone: „Der Bahnwärter durchge-
brannt? Wie kommst denn nachher Du da her und in das Haus?
Hat er Dir den Posten übergeben?" — „Freili'", sagt der brave
Mann, „jetzt g'hört Alles mei'; und i' wär' so weit ganz z'fricd'n.
Da Kaspar war nämli' a' Lump und is mir schon vor seiner
Anstelligung fünfzig Mark'ln schuldig g'wesen. Wie i' eahin mit'n
G'richt 'droht Hab', Hot er si' a' wen'gl b'sunna, nacha hat er
g'sagt: Daß D' siehst, Guggenbauer, daß i' an ehrlicha Mensch
bin, mach' i' Dir an Vorschlag. Du bist eh im Austrag und
da wär' dös a' schöne G'leg'nheit für Di' — Du kaufst mir
dös Häusl ab; es is für Di' und Dei' Alte g'rad wia g'macht —
a' bist a' Grund is auch dabei — und i' gib Dir's billig, weil
der Eisenbahnphysikus einen Austrag d'rauf hat — so oft a' Zug
vorbei fahrt, muß ma' nämlich außa geh'n!" — „Ein solcher Erz-
gauner!" unterbrach ihn der Bahnmeister und schaute den erzählen-
den Bauern wie ein Wunderthier an. — „No ja", fuhr dieser fort,
„da Hab' i' mir denkt, auf die Weis' kommst am besten zu dein
Geld, Hab' eahm no' 300 Mark'l 'nauszahlt, er hat mir's schriftlich
gcb'n, und so bin i' zu dem Sacherl kemma!" — Der Bahnmeister
schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und rief aus: „Herr-
gott im Himmel, ist's möglich, daß ein Mensch so vernagelt sein
kann! . . Der Gauner hat Dich schön angeschmiert. So wenig Du
den Psarrhof verkaufen kannst, ebenso wenig hat der Kaspar dieses
Dienstgebände veräußern können. Du mußt augen-
blicklich das Hans räumen; was sonst noch nach-
kommt, das wird sich zeigen!" — „Was?"
der Bauer wüthend, „i' Hab' mei'
schrift — dös Häusl g'hört jetzt mir —
laß's auf an' Prozeß ankvmma!" —
„Da wird kurzer Prozeß gemacht",
erwiderte der Bahnmeister — „wenn
bis heut' Nachmittag das Haus
nicht geräumt ist, kommt der
Gendarmeriekommandant und be-
sorgt das Weitere!" — Nun fing
der Guggenbauer zu jammern an,
er rief seine Ehegesponsin herbei
und es gab ein furchtbares La-
mento. Endlich ermannte er sich
und fragte den Zerstörer seines
Glück's: „Aba — mei' Geld kriag'
i' do' wieda?" —■ „Da mußt Du den
Kaspar fragen", erwiderte der Bahn-
ister, . . „also bis Nachmittag!" — Dann
r fort. — Wortlos sah sich das geprellte
Da sauste ein Zug vorüber; der Führer
gab ein Signal mit der Tampfpfcife. Ingrimmig
ballte der Guggenbauer die Faust und rief der dahineilenden
Lokomotive nach: „O du Deif'lsg'sellschaft — i' Hab' g'moant, wia
schön i's derrath'n Hab' — und jetzt pfeifen s' mir was!"
A r g e E n t t ä u s ch n n g.
Buchhalter: „Herr Chef, morgen werden es 24 Jahre, daß
ich in Ihr Geschäft ein- ?
getreten I" — Chef:
„Na, hoffentlich werden
Sie doch ein Jubiläums-
mahl geben und mich
dazu einladen?!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eingegangen" "Arge Enttäuschung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 109.1898, Nr. 2764, S. 32
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg