Fliegende Blätter (109.1898 (Nr. 2762-2787))

122 -°°°^A°. Durchschaut.

(In der Buchhandlung.) Kunde: „Ich möchte gern das Buch „Der Weg zum Reich-
thum!" — Gehilfe: „Jawohl; vielleicht gleich ein Strafgesetzbuch dazu gefällig?"

Herz, Lina?" — Köchin: „O
fa, sogar ein sehr treues!"

Hl- Abend am See. H§-

/IDit bleischwerer Gluth lag

Auf Hügeln und Halden Hochsommer-
sonne —

Run endlich neigt sie im Westen sich
nieder !

Da sinken die Schatten und Hütten
die Thäler

In weiches, wohliges

Dämmeriges Dunkel!

Tiefblau und düster

Abend am See.

Lin Riesenspiegel aus schwarzem
Krystall

Liegt der See wie im Schlafe.

Ls lösen sich leise
Hier — da — und dort
Kähne vom Ufer und ziehen
Auf schlummernder welle lautlos
dahin. —

So gleiten die Träume
Ueber die Seelen der schlafenden
Menschen —

Und wir,

Von der stillen Größe der Schöpfung
gebannt,

Lasten die Ruder
Sinken und lauschen
Andächtigen Herzens, wie Beter im
Dom,

Der köstlichen Stille,

Der himmlischen Ruh'. — —

Da horch! Lin Ton! Trompetenklang!
wehmüthig wimmert zu uns die weise:
„Behüt' Dich Gott, es wär zu schön
gewesen —“

Und jetzt vom Ufer:

Lin langgezogener, schleifender Auh-
schrei —

Hier — da — und dort
Antworten ihm Andere, schlecht und
recht!

Vom Rorden ertönt eine fette, gepreßte
weibliche Stimme:

»Aigeunerlieb', woher sie stamme — “
Mit quiekendem Ton fällt
Line Llarinette der Holden ins Wort:
„Fischerin du Kleine . . .

Sie übertönt von Westen her
Lin tremolirender Bariton:

„Auch ich war ein Jüngling mit
lockigem Haar!"

Und drüben im Osten läßt ein Tenor
In Fisteltönen sich hören:

„Run sei bedankt mein lieber
Schwan . . .

Roch ehe der Schwan

Au Lnde bedankt ist

Fällt eine Loncertina ein und leiert

Den lieben Radetzkymarsch

Fünf mal herunter!

Lin Schwarm von Schönen
Singt steinerweichend:

„D—oh du hi—i mmelbla—auer
See! . .

Und plötzlich schreckt uns ein Männer-
chor auf

Vierstimmig, bierstimmig
Fragt er den Wald, wer
So hoch da droben ihn aufgebaut
hat. — —

Horch! Jetzt ein Waldhorn! —