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Wie der Khalis zu seinem Rechte kam.
Gesenkten Hauptes folgte die Verschleierte dem be-
glückten Schreiber, während der Bäcker abgeführt wurde,
auf daß die über ihn verhängte Strafe sogleich vollstreckt
werde.
„Das Pferd ist Dein Eigenthum!" sprach der Kadi
zu Harun gewandt. „Und Du, Lahmer, hast frech ge-
logen. Und weil Du eine Dir erwiesene Wohlthat init
dem Häßlichsten der Menschenseele, mit Undank hast lohnen
wollen, sollst Du jetzt auf's Pferd gehoben, sollst durch
die volkreichen Straßen aus den großen Platz und durch
den Basar geführt werden, und überall sollen Ausrufer
Deine Schändlichkeit verkünden, damit mildherzige Leute
durch Dein heuchlerisches Flennen fürder nicht getäuscht
werden. Der körperlichen Züchtigung entgehst Du nur,
weil Du ein Krüppel bist! Also lautet mein Urtheil.
Allah weiß es besser!"
Büttel führten den jammernden Lahmen ab, hoben
ihn auf's Pferd, und es geschah, wie der Kadi es ange-
ordnet hatte. Harun al Raschid aber blieb in stille
Betrachtung versunken stehen und schwieg.
„Hast Du noch ein Begehr?" fragte ihn endlich der
Richter.
„Ja, Herr!" versetzte der Khalis. „Wenn Du mich
nicht für unwerth hältst, so sage mir: weßhalb hast
Du dem Fleischer die fünf Ducaten zugesprochen?"
„Das will ich
Dir gerne sagen.
Ich habe die fünf
Ducaten gestern in
ein Glas gelegt,
das ich mit klarem
Wasser gefüllt
hatte. Heute früh
schwammen auf
der Oberfläche
kleine Fettkügel-
chen. Der Teppich-
wirker arbeitet mit
trockenen Stoffen.
Also sind die Du-
caten durch die
Hände des Flei-
schers gegangen
und von seinen
Fingern kommen
die Fetttheilchen,
die sich im Wasser
vom Golde los-
gelöst haben.'
„Ich verstehe!" sprach Harun. „Allah hat Dich
erleuchtet, und Dein Urtheil ist weise. Und willst Du
mir auch sagen, weshalb Du Leila, trotz ihres Zeugnisses
für den Bäcker, den: Schreiber überwiesen hast?"
„Auch das will ich Dir gern sagen. Als ich gestern
gegen Abend in meinem Hause war, wollte ich noch etwas sckM^
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Aber die Tinte war von den Palmenblättern aufgesogen und
geworden. Da befahl ich, daß man Leila aus dem Harem z" ^ ^
führe. Ich gab ihr das Tintenfaß und sagte ihr: „Die Tin^
dickflüssig geworden, bringe das in Ordnung!" Sie verneigte 1 ^
nahm den Wasserkrug und ließ langsam, vorsichtig und 9elrt'.)lC
zwei Tropfen auf die Palmblätter träufeln; darauf zog ilC ^
Schildpattnadel aus ihrem Haar und rührte damit gewandt und
dächtig die wieder leichtflüssig gewordene, schwarze Masse, re
teil«!1
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verneigte ftö,
zog sich ans meinen Wink in ihr Gemach zurück. Da e
ich, daß das die Frau des Schreibers sein müsse, die diese Hu" „c>
schon öfter verrichtet und sich eine auffällige Fertigkeit darin
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eignet hatte. Das Weib eines Bäckers hätte sich dabei viel
und ungeschickter angestellt!" ^ ^
„Auch diesmal muß ich Deine Weisheit loben, Herr!" rics
aus. „Nun sage mir aber auch noch, wenn Du mir nm>
letzten Beweis Deiner Güte geben willst, sage mir: welche H"1 r(y
Bettlers
haben Dich die tückischen Streiche des undankbaren
schauen lassen?"
„Das will ich Dir noch gerne sagen. Ich habe dew^^ jch
seit gestern nichts zu fressen und nichts zu saufen gegeben. gn«
habe es im Stall hart an die Thür und so gestellt, daß ^ ^jl
sehen konnte, wenn Ihr Euch hierher begeben würdet, um das
zu vernehmen. Als nun der Bettler vorüberlahmte, blieb dm^
ruhig und theilnahmslos mit tiefgesenktem Kopfe stehen. Als ^it
nahtest, spitzte es die Ohren, blühte die Nüstern und „itf
Kopf. lind als Du vorübergingst, wurde es unruhig, )$ar ^
wieherte. Und so erkannte ich, daß Du sein Herr warst, «
es Gutes schon empfangen hatte und Gutes noch erwartete-
Wie der Khalis zu seinem Rechte kam.
Gesenkten Hauptes folgte die Verschleierte dem be-
glückten Schreiber, während der Bäcker abgeführt wurde,
auf daß die über ihn verhängte Strafe sogleich vollstreckt
werde.
„Das Pferd ist Dein Eigenthum!" sprach der Kadi
zu Harun gewandt. „Und Du, Lahmer, hast frech ge-
logen. Und weil Du eine Dir erwiesene Wohlthat init
dem Häßlichsten der Menschenseele, mit Undank hast lohnen
wollen, sollst Du jetzt auf's Pferd gehoben, sollst durch
die volkreichen Straßen aus den großen Platz und durch
den Basar geführt werden, und überall sollen Ausrufer
Deine Schändlichkeit verkünden, damit mildherzige Leute
durch Dein heuchlerisches Flennen fürder nicht getäuscht
werden. Der körperlichen Züchtigung entgehst Du nur,
weil Du ein Krüppel bist! Also lautet mein Urtheil.
Allah weiß es besser!"
Büttel führten den jammernden Lahmen ab, hoben
ihn auf's Pferd, und es geschah, wie der Kadi es ange-
ordnet hatte. Harun al Raschid aber blieb in stille
Betrachtung versunken stehen und schwieg.
„Hast Du noch ein Begehr?" fragte ihn endlich der
Richter.
„Ja, Herr!" versetzte der Khalis. „Wenn Du mich
nicht für unwerth hältst, so sage mir: weßhalb hast
Du dem Fleischer die fünf Ducaten zugesprochen?"
„Das will ich
Dir gerne sagen.
Ich habe die fünf
Ducaten gestern in
ein Glas gelegt,
das ich mit klarem
Wasser gefüllt
hatte. Heute früh
schwammen auf
der Oberfläche
kleine Fettkügel-
chen. Der Teppich-
wirker arbeitet mit
trockenen Stoffen.
Also sind die Du-
caten durch die
Hände des Flei-
schers gegangen
und von seinen
Fingern kommen
die Fetttheilchen,
die sich im Wasser
vom Golde los-
gelöst haben.'
„Ich verstehe!" sprach Harun. „Allah hat Dich
erleuchtet, und Dein Urtheil ist weise. Und willst Du
mir auch sagen, weshalb Du Leila, trotz ihres Zeugnisses
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„Auch das will ich Dir gern sagen. Als ich gestern
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es Gutes schon empfangen hatte und Gutes noch erwartete-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie der Khalif zu seinem Rechte kam"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1899
Entstehungsdatum (normiert)
1894 - 1904
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 111.1899, Nr. 2823, S. 118
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg