116
Da ragen Mauer», grauverwittert,
Gin Chor, verriegelt und vergittert,
Dran mit gezähntem Rachen
llermorfchte Marmordrachen
Cod und Ucrderben drob’n
Gr aber guter Dinge
Ciipft die Schwinge,
Und drüber ist er schon! —
Schwarzästige linden sieht er steh n
Uer(tut;t in staubigen Allee»,
Auf kahlgeschornem, nacktem Rasen
Uerschnörkeit wunderliche Ua(en,
ßeländer, Gatter aller Gcken,
Spaliere, Drähte, öde Stecken;
Buchspyramiden, taxuskegel,
Straff aufmarschirt nach Schnur und Regel,
Und alles peinlich und bezopft,
In Kübeln sorglich eingetopft,
langweilig, wie’s die llornr gebeut
Und des Philisters herz erfreut.
Dazwischen spreizt sich wohlfrisirt,
In Posen lächerlich geziert,
Mit blinden Augen, stummer Cippc
Der Reidengötter lose Sippe.
Manch' Dympblein, weis; und Wohl-
gestalt,
Doch mürrisch all' und marmorkalt
Und starr und sauer jed' Gesicht —
„Reil" ruft der Mai, „das pafst mir nicht!“
Und schwingt die Hügel, das; es saust
Und fröhlich durch die Dacht bin braust.
Und was den linden Rauch verspürt,
Grbebend (eine Glieder rührt:
Zucrtt die Putten, die Gngelchen —
Schon flattern die runden Bengelcben
Schwirrend und summend wie Maienkäfer
Und necken und wecken die steinernen
Schläfer!
Das Parkgefpenlt.
Da blinkt es blank
Im Gpbeugerank,
Da zucken 5ü(;chen und Jinger,
Da kichern die jungen Dinger,
Die schlanken Dirnen, und biegen und wiegen
Sich wohlig und lassen die locken fliegen.
Gentauren trotten
Aus Cufffteingrotten,
Sich freudig rüttelnd,
Die Mähnen schüttelnd,
Und der klobige alte Gesell
Mit dem töwenfell
Schultert die Keule und dehnt die Glieder
Und stampft von der Cerralfe nieder.
Auch im Bronnen
Rat ein heimlich Plätschern begonnen.
Dixiein nickt,
Blinzelt, blickt
Den bemoosten Ulassermann
Schelmisch an,
Und leise im Rohre, leise
Bebt eine zärtliche Meise.
Die Ohren gespitzt,
Die Augen geschlitzt,
fährt aus den Recken wie Wirbelwind
Zottig Gesiud.
Meckernd und pfeifend,
haschend und greifend,
Unter die frischen
Dympben, die plaudernden,
Schalkhaft erschaudernden,
Springt es mit Zischen!
Und schon bewegt [icb's
Rupfend und regt (icb’s,
Und es verschlingen,
Schmiegen und schwingen
Sich die Pärlcin im Reigen
Unter knospenden Zweigen
Da, in den lachenden Ueberfcbwang
Schaurigbang
Schnarrt ein roftigheifrer Klang!
hölzern trappt es,
Klirrend schnappt es;
Durch die Gänge kommt’s geschlürft,
Knirschend durch den Kies geschürft,
Kommt auf steilem Stclzengeftell
Dürr und steif ein grauer Gesell!
Bezopft und bebrillt,
Die Locken gedrillt,
Die Maden gestopft,
Betresst und beknopft,
Rohl die Augen und ausgebrannt,
Girre riesige Scheere in welker Rand:
Schnipp, schnapp
Plipp plapp
Säbelt er die frischen triebe ab-
Aufkreischend flieht die heitere Schaar,
Zu Stein erstarren Raut und Raar,
Und jedes jammert, purzelt und rennt
Und rettet [ich auf’s Postament
Und wagt mit keinem Gliede zu zucken,
Giskalt läuft's über jeden Rucken!
Mas lebensfreudig überquoll,
Steht wieder steif und würdevoll,
Gemessen, wie’s die Dorm gebeut
Und des Philisters Rerz erfreut. —
Der Mai aber schwang sich in s Lindengeäst,
Dort schaukelt er sich im grünen Dest,
Und wirft dem Spuke voll Uebermutb
Duftende Ueilchen auf den Rut.
Und im Wipfel mit süssem Schall
Jubelt die erste Dachtigall,
Grklingt die selige Melodei:
„Am Gnde, am Gnde siegt doch der
ID a i!“
Reinhard Uolker.
Der ö tt nt nt c G ii n seri ch.
Ein Gänserich liebte ein Gänschen —
Doch dem Gänschen War er zu bumut.
Da ging denn der arnre Gänj'rich
Mit Selbstmordgedankeir um.
Da ragen Mauer», grauverwittert,
Gin Chor, verriegelt und vergittert,
Dran mit gezähntem Rachen
llermorfchte Marmordrachen
Cod und Ucrderben drob’n
Gr aber guter Dinge
Ciipft die Schwinge,
Und drüber ist er schon! —
Schwarzästige linden sieht er steh n
Uer(tut;t in staubigen Allee»,
Auf kahlgeschornem, nacktem Rasen
Uerschnörkeit wunderliche Ua(en,
ßeländer, Gatter aller Gcken,
Spaliere, Drähte, öde Stecken;
Buchspyramiden, taxuskegel,
Straff aufmarschirt nach Schnur und Regel,
Und alles peinlich und bezopft,
In Kübeln sorglich eingetopft,
langweilig, wie’s die llornr gebeut
Und des Philisters herz erfreut.
Dazwischen spreizt sich wohlfrisirt,
In Posen lächerlich geziert,
Mit blinden Augen, stummer Cippc
Der Reidengötter lose Sippe.
Manch' Dympblein, weis; und Wohl-
gestalt,
Doch mürrisch all' und marmorkalt
Und starr und sauer jed' Gesicht —
„Reil" ruft der Mai, „das pafst mir nicht!“
Und schwingt die Hügel, das; es saust
Und fröhlich durch die Dacht bin braust.
Und was den linden Rauch verspürt,
Grbebend (eine Glieder rührt:
Zucrtt die Putten, die Gngelchen —
Schon flattern die runden Bengelcben
Schwirrend und summend wie Maienkäfer
Und necken und wecken die steinernen
Schläfer!
Das Parkgefpenlt.
Da blinkt es blank
Im Gpbeugerank,
Da zucken 5ü(;chen und Jinger,
Da kichern die jungen Dinger,
Die schlanken Dirnen, und biegen und wiegen
Sich wohlig und lassen die locken fliegen.
Gentauren trotten
Aus Cufffteingrotten,
Sich freudig rüttelnd,
Die Mähnen schüttelnd,
Und der klobige alte Gesell
Mit dem töwenfell
Schultert die Keule und dehnt die Glieder
Und stampft von der Cerralfe nieder.
Auch im Bronnen
Rat ein heimlich Plätschern begonnen.
Dixiein nickt,
Blinzelt, blickt
Den bemoosten Ulassermann
Schelmisch an,
Und leise im Rohre, leise
Bebt eine zärtliche Meise.
Die Ohren gespitzt,
Die Augen geschlitzt,
fährt aus den Recken wie Wirbelwind
Zottig Gesiud.
Meckernd und pfeifend,
haschend und greifend,
Unter die frischen
Dympben, die plaudernden,
Schalkhaft erschaudernden,
Springt es mit Zischen!
Und schon bewegt [icb's
Rupfend und regt (icb’s,
Und es verschlingen,
Schmiegen und schwingen
Sich die Pärlcin im Reigen
Unter knospenden Zweigen
Da, in den lachenden Ueberfcbwang
Schaurigbang
Schnarrt ein roftigheifrer Klang!
hölzern trappt es,
Klirrend schnappt es;
Durch die Gänge kommt’s geschlürft,
Knirschend durch den Kies geschürft,
Kommt auf steilem Stclzengeftell
Dürr und steif ein grauer Gesell!
Bezopft und bebrillt,
Die Locken gedrillt,
Die Maden gestopft,
Betresst und beknopft,
Rohl die Augen und ausgebrannt,
Girre riesige Scheere in welker Rand:
Schnipp, schnapp
Plipp plapp
Säbelt er die frischen triebe ab-
Aufkreischend flieht die heitere Schaar,
Zu Stein erstarren Raut und Raar,
Und jedes jammert, purzelt und rennt
Und rettet [ich auf’s Postament
Und wagt mit keinem Gliede zu zucken,
Giskalt läuft's über jeden Rucken!
Mas lebensfreudig überquoll,
Steht wieder steif und würdevoll,
Gemessen, wie’s die Dorm gebeut
Und des Philisters Rerz erfreut. —
Der Mai aber schwang sich in s Lindengeäst,
Dort schaukelt er sich im grünen Dest,
Und wirft dem Spuke voll Uebermutb
Duftende Ueilchen auf den Rut.
Und im Wipfel mit süssem Schall
Jubelt die erste Dachtigall,
Grklingt die selige Melodei:
„Am Gnde, am Gnde siegt doch der
ID a i!“
Reinhard Uolker.
Der ö tt nt nt c G ii n seri ch.
Ein Gänserich liebte ein Gänschen —
Doch dem Gänschen War er zu bumut.
Da ging denn der arnre Gänj'rich
Mit Selbstmordgedankeir um.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der dumme Gänserich"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 113.1900, Nr. 2875, S. 116
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg