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Genau nach Vorschrift.

Offiziers fr au (deren Mann verreist ist, zum Burschen):
„Peter, falls Herrenbesuch kommen sollte, sagst Du einfach:
die gnädige Frau sei nicht zu sprechen! Wenn dagegen ein
Herr mit seiner Gemahlin kommen sollte, läßt Du sie vor!"
— Bursche (als bald darauf ein Leutnant erscheint): „Nee,

nee, Herr Leutnant! Wenit Sie nicht mit "ner Dame kommen,
dürfen Sic nicht herein!"

Der Archivar und der Teufel.

war einmal ein hochstudirter Mann; der kannte kein größeres
S&l. Vergnügen, als in vergilbten Handschriften hernmzuforschen,
in denen die Thaten der Borzeit und Kuriosa aller Art verzeichnet
waren. Spielend löste er die schwierigsten Abkürzungen ans und
entzifferte fast verloschene Schriftzeichen, die kaum wie ein gelblicher
Hauch von dein gebräunten Pergament sich abhoben. Kein Wunder,
daß der Ruf seines gelehrten Scharssinnes sich nicht nur unter
Seinesgleichen verbreitete, sondern sogar bis zu dein Könige drang,
der ihn an die Spitze seines geheimen Archivs stellte. Dort waren
Tausende von urkundlichen Aufzeichnungen zusammengehäuft, und
fand er Gelegenheit, seiner Leidenschaft nach Herzenslust zu fröhnen.

Da entdeckte er eines Tages in einer versteckten Kammer des
weitläufigen Gebäudes ein wuriiizernagtes Schriftstück, und als er
es bei dem Schimmer der einsamen Lampe genau musterte, erfüllte
ihn stolze Freude. Denn es ivar ja augenscheinlich ein uralter,
längst verschollener Codex, der von den sagenreichen Kämpfen des
großen Kaisers Karl gegen die spanischen Sarazenen erzählte.

Sogleich schickte er der angesehensten Fachzeitschrift eine Notiz,
in der er mit kurzen Worten auf den kostbaren Fund und seine
baldige Veröffentlichung hinwies.

Als er sich aber an die Uebertragung der Chronik "machte, sah
er sich gar böse enttäuscht. Da stieß er ans seltsam verschnörkelte,
nie gesehene Abkürzungen, deren Deutung ihm, trotz angestrengtesten
Nachdenkens, nicht gelingen wollte; krause Worte, ohne greifbaren
Sinn — ja ganze Sätze schienen ihnr in bunter Willkür durcheinander
geschüttelt. Woche um Woche verging, ohne daß er auch nur ein

Der Archivar und der Teufel. 255

Kapitel bewältigen, geschweige denn es mit dem gewohnten Apparat
gelehrter Anmerkungen und Glossen hätte umkleiden können. Schon
fehlte es nicht an boshaften Anspielungen, wann doch wohl die an-
gekündigte Herausgabe des seltenen Werkes der wissenschaftlichen
Welt geboten werden solle. Das wurmte ihn gewaltig. Seine
Seligkeit würde er hingegeben haben, hätte er nur endlich zum Ziele
kommen können.

So saß er auch einstmals — die Uhr wies gerade auf Mitter-
nacht — in brütender Verzweiflung über dem verwünschten Folianten,
als er aufblickend an den Schreibtisch gelehnt einen Mann erblickte,
der auf räthselhafte Weise eingetreten sein mußte. Schwarz gekleidet,
glich er einem Gelehrten, dem das Uebermaß geistiger Anstrengung
vorzeitige Falten in die gedankenreiche Stirn gegraben hat - nur,
daß hinter der Brille die scharfen Augen gar tückisch funkelten und
ein widerwärtiger Zug die schmalen Lippen entstellte. Es war
der Teufel.

Run war der Archivar keineswegs furchtsamer Natur, aber es
rieselte ihm doch eiskalt über den Rücken, als der Eindringling
sprach: „Du hast mich in letzter Zeit häufig gerufen. Da bin ich.
Womit kann ich Dir dienen?" Denn nun wußte er, mit wem er
es zu thun habe. Als literarisch gebildeter Mann erinnerte er sich
aber auch, wie oft schon der „dumme Teufel" von einem pfiffigen
Kopfe geprellt worden sei. Also faßte er sich schnell und überreichte
dem unheimlichen Gaste kurz entschlossen das Manuskript.

„Ich glaube, Du kannst mir helfen", sagte er. „Wenn Du mir
hiervon bis morgen eine wohlcommentirte, und, merke es wohl,
völlig druckfertige Abschrift lieferst, dann — ja, dann sollst
Du Deinen gewohnten Lohn haben!"

„Nichts leichter als das", entgegnete Satanas, „morgen um
dieselbe Stunde >vird das Gewünschte in Deinen Händen sein. Ein
Mann, ein Wort." Damit streckte er ihm eine schmale, gekrümmte
Hand entgegen, und durch den schwarzen Lederhandschuh hindurch
brannte ihr Druck wie höllisches Feuer.-

Pünktlich auf die Sekunde stellte sich der Teufel wieder ein und
überreichte dem Professor ein dickleibiges Schriftstück. Darin war
kein Wort ansgestrichen, und eine Anzahl gelehrter Anmerkungen
prägten ihm den Charakter strengster Wissenschaftlichkeit ans. Auf
ein Wort Text kamen mindestens drei Zeilen Erläuterung. Das
alles übersah unser Archivar mit wenigen Blicken; aber plötzlich
legte er die Abschrift mit kühlem Achselzucken bei Seite.

„Eine ganz treffliche Arbeit", sagte er — „aber leider nicht
druckfertig, >oie unser Pakt es bedingt!"

„Wieso denn nicht?" fragte der Teufel stirnrunzelnd.

„Nun, das ist ja alles noch nach der alten Orthographie ge-
schrieben; damit würde ich bei meinen Kritikern schön ankommen",
entgegnete der Andere.

„Ich habe so geschrieben, wie cs mich meine Großmutter ge-
lehrt hat!"

„Ja", versetzte der Professor, „wenn ich heutzutage so schreiben
wollte, wie meine selige (der Teufel schrak zusammen) Großmutter,
würde mich jeder Schuljunge auslachen. Wie gesagt, sehr nett,
jedoch in dieser Form leider nicht zu verwerthen. ... Aber vielleicht",
fuhr er mit ironischem Lächeln fort, „läßt sich die kleine Aendernng
schnell noch vornehmen. Dies hier wird Dir dabei von großem
Nutzen sein!"

Bei diesen Worten überreichte er ihn: ein Buch, das den Titel
führte: Vollständiges Regel- und Wörterverzeichniß
für die deutsche Rechtschreibung.

Der Teufel ergriff es hastig und begann eifrig Seite um Seite
zu studiren. Aber je länger er las, desto mehr verzerrten sich seine

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Genau nach Vorschrift"
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Fliegende Blätter
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Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 113.1900, Nr. 2887, S. 255
 
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