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Des 5ch neiderleins ^inan3ref0rin.

Der König zog die Stirne in Falten und überlegte einen
Augenblick, wer wohl die schönste sei. Dann winkte er einem pagen
und flüsterte diesem einige Worte zu. Der page lief, und die
schönste Hofdame erschien in einem enganliegenden tailonnade
dunkelblauen Eheviotkostüm in dem Sitzungssaale. Sie verbeugte
sich vor dem König. Dieser lächelte, streichelte ihr die errötenden
Wangen und sagte: „Schönstes Fräulein I Sie sollen dazu aus-
ersehen sein, das Reich zu retten — und dieser Herr hier, der
klügste Mann der freien Hansastadt, will Ihnen daher zwei Knöpf«
annähen."

„Zwei Knöpfe?" schrie das Fräulein auf. „Wo denn?" Aber
das Schneiderlein hatte schon mit galanter Verbeugung die Dame
gebeten, sich umzudrehen, hatte Nadel und Faden schon in der
Hand und nähte mit gewandter Geschwindigkeit und zierlichen
Stichen auf das Jackett des Fräuleins kurz unterhalb der Taille,
wo die weibliche Rundung der Gestalt besonders schon hervortritt,
die beiden roten Knöpfe an — und zwar nicht etwa nebeneinander,
sondern einen unter den anderen! — Als er damit fertig war,
drehte er die Dame behutsam mit der Rückseite dem König zu,
und der König rief: „Li der Tausend! Das sieht sogar sehr hübsch
aus — zum mindesten apart!" und die zwölf klügsten Männer der
Provinzen sprangen von ihren Sitzen auf und riefen: „Wahr-
haftig I Apart und elegant!"

Das Schneiderlein zog lächelnd feine goldene Uhr heraus und
sprach: „Es ist nun gerade promenadenzeit. Liebstes Fräulein!
Nun muß ich Sie bitten, auf der Hauptpromenade jetzt vierund-
zwanzigmal auf und ab zu wandern. Weiter nichts! Sie brauchen
sich nicht zu genieren, denn die Knöpfe stehen Ihnen wirklich sehr
hübsch —." Damit reichte er ihr den Arm und führte sie galant
die Treppe hinunter.

Zwölf ergraute Männerhäupter blickten zu den Fenstern des
Sitzungssaales hinaus und starrten der promenierenden Hofdame
nach, und der König selber trat mehrmals an das historische
Fenster, das nur für ihn reserviert war.

2tls die Hofdame vierundzwanzigmal auf und ab gegangen
war, lagen in ihrem Empfangszimmer oben bereits vierundzwanzig
Visitenkarten von Ehefredakteuren, die alle dringend um ein
Interview baten. — lind die Zeitungen brachten spaltenlange
Artikel über zwei rote Knopfe, und der Draht meldete das Er-
eignis der Diode sofort bis in die kleinsten Tagesblätter der
Provinzen.

Am nächsten Tage fand ein Run auf die Königliche porzellan-
manufakiur statt. Seit vier Uhr morgens standen einige schon
vor den Türen, die erst um neun Uhr geöffnet wurden. Dreißig
Hilfsarbeiter der post mußten hingesandt werden, allein nur
die Depeschen zu offnen, die Knopfe, Knopfe, Knopfe bestellten.
Tag und Nacht wurde an roten Knöpfen gearbeitet — das Stück
von drei Mark bis dreitausend Mark je nach Große, pakete und
Kisten und ganze Waggons voll wurden expediert. Die post ver-
diente, die Eisenbahn verdiente, die Porzellanmanufaktur ver-
diente — denn jede Dame des Königreiches, die nur überhaupt
etwas gelten wollte, mußte mindestens zwei rote Knöpfe auf
ihrem Straßenkostüm haben. Die meisten machten es aber nicht
unter einem halben Dutzend. Ja — die reichen Frauen der
Kommerzienräte ließen sich sogar auf beiden Seiten den Rock
hinunter mit roten Knöpfen besetzen — einen dicht hinter dem
anderen in langen Reihen. Und einige ganz vornehme Damen
hatten so viele Knöpfe auf derselben Stelle wie die Hofdame,
daß sie gar nicht mehr sitzen konnten, so drückten diese.

Der König aber schüttelte dem Schneiderlein die Hand und

sagte: „Nehmen Sie es mir nicht übel, lieber Freund! Aber Sie
sind ein Genie!"

Dann sollte das Schneiderlein Kommerzienrat werden; aber
es dankte und bat nur, man möchte ihm die Liste all der Personen
schicken, die rote Knopfe gekauft hätten. Diese Liste schickte er
an den König und schrieb darunter: „Majestät! Aus der Anzahl

der Knöpfe könnte man wohl auf das Vermögen schließen, vielleicht
lassen Sie da 'mal revidieren!"

Da sollte das Schneiderlein einen Brden bekommen; aber er
lehnte auch dieses ab und bat um ein Tafelservice aus der König-
lichen porzellanmanufakiur, mit der Bestimmung, daß alles, was
davon zerbrochen würde, ihm unentgeltlich nachgeliefert würde, so
lang er lebte. Das bekam er.

Und als man die Jahresbilanz des Staates zog, stellte es
sich heraus, daß post, Telegraph, Eisenbahn und porzellau-
manufaktur so viel verdient hatten, daß die Schuldenlast des Staates
auf einmal auch ganz ohne Finanzreform beseitigt war.

Der König aber berief seine Minister zusammen und hielt
ihnen die Jahresbilanz zwischen Nasen und Schnupftabaksdosen
und sagte: „Meine Herren! Nehmen Sie es mir nicht übel —
darauf hätte aber auch einer von Ihnen kommen können!"

-> Fatales Zusammcntreffeu.

Frau (die eben den
Laden des Pfandleihers be-
treten will, vor ihrer Freun-
din, die herauskommt, zurück-
prallend): „Da hätt' ich mich beinahe verlaufen — ich wollte zu
dem Bäcker nebenan." — „Ja ja, ivir werden alt, liebe Freundin!
Mich haben sie auch ausgelacht, als ich da drinnen Semmeln
verlangte." ,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Fatales Zusammentreffen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flashar, Max
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1910
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 132.1910, Nr. 3371, S. 120

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