Fliegende Blätter (57.1872 (Nr. 1407-1432))

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Zur Naturgeschichte der Touristen.

Aus dem Skizzenbuche eines Humoristen.
Von Dr. Märzroth.

(Fortsetzung.)

Die Mysteriöse.

Ihr Lieblingsaufenthalt scheinen die Badeorte zu sein, doch
findet man sie zuiveilen auch in einsamen Sommerfrischen,

! vorausgesetzt, daß diese nicht allzu einsam, und wenigstens an
einer Touristenstraße gelegen sind.

Sie ist eine Erscheinung, die auf den ersten Blick frappirt,
und sogleich alle vorräthigen Bi- und Monocles in Beweg-
ung setzt.

Sie ist selten so was man sagt tadellos schön, aber sie
ist immer interessant. Was auf Rechnung der Kunst, und
was ans jene der Natur zu stellen ist, läßt sich selbst für ein
Kennerauge nicht so leicht und so bald entscheiden.

Wenn sie irgendwo erscheint, so wird Niemand, und
wäre die größte Gesellschaft versammelt, sagen können, ihr
Auge habe irgendwen getroffen. Ist sie aber eine Weile da,
so hat sie Jede, und insbesondere Jeden, ohne daß es recht
zu bemerken war, scharf in's Auge gefaßt, und beinahe bis
auf den Grund der Seele erforscht.

Sie reist oft in Begleitung eines Onkels oder Bruders,
welche ehemalige Offiziere oder reiche Privatiers sind. Manchmal
aber macht sie ihre Tour auch allein, und dann ist eine alte,
häßliche Person ihre begleitende Kammerfrau.

Etwas Geheimnißvolles ist über die Dame ausgebreitet,
das zu ergründen bald die einzige Aufgabe der Gesellschaft
wird, mit der sie eben in Berührung kommt.

Da hat nun der Eine cruirt, sie sei die Gemahlin eines
russischen Generals, der nach Sibirien wandern mußte, während
der Andere wissen will, sie sei die Wittwe eines enorm reichen
Negerfürsten. Wieder Andere haben es aus ziemlich verläßlicher
Quelle, sie sei ihrem Manne, einem der ersten Hoteliers in
M. entflohen, weil er sie tyrannisirtc, mdeß ein allerneuestes
Gerücht sie als eine politische Missionärin bezeichnet.

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