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Das fromme Lied.

Es war ein wunderbarer Herbstmorgen; die Nebel, welche
vor Kurzem noch den tiefen Thaleinschnitt in dichte Schleier
gehüllt, waren allmählich aufgesogen von der milden, warmen
Spätsonne und tiefblau wölbte sich der klare Himmel über jenen,
fast unbekannten, von Touristen noch unentweihten Fleck Erde,
über jenes waldige Vorland, welches die südlichsten Ausläufer
des poetisch düsteren Böhmcrwaldes bildend, vom Volswitzc „die
bucklichte Welt" genannt wird.

Eine feierliche, stille Pracht lag ans dem ganzen wogenden
Hügellande mit seinen bewaldeten Bergeshöhen; bunte gelbe
und rothe Streifen zogen sich durch das Dunkelblau der präch-
tigen Hochwälder hin, die das Land gegen Nord und West in
breiten Bogen umschließen, schwermüthig und romantisch, wah-
rend, nach Süd und Ost gekehrt, das Auge mit stillem Be-
hagen hinschweift über sonnige Trifte» und braune Ackergründc,
zwischen den hier ein weites strohgedecktes Gehöfte, aus dunkler
Baumumrahmung, dort im Sonncngolde glitzernd eine Kirch-
thurmspitze oder das rothe Dach eines Herrenschloßes hervor-
blinkt und weithin am äußersten Horizonte das liebliche Bild
sich schließt durch die zarte, wechselvolle Linie der blauen Kette
unserer südlichen Alpen.

Eine Feststimmung lag ausgegossen über die ganze Natur,
ein heiliger Gottesfriede umfing mit sanften Wehen die Erde
und den Himmel, die Menschen und ihr Land! Selbst die
Lüfte schienen wie zur sonntäglichen Feier den Athem einzu-
halten; langsam und senkrecht stieg in feinen bläulichten Faden
der Rauch aus den Feuerstätten der zerstreut liegenden Häuschen
empor, wie einstens des frommen Abels Dankopfer — allwärts
himmlische Ruhe; nur von dem Thale herauf klingt es im
emsigen Hämmern und Pochen, im rüstigen Klopfen und
Stampfen, vom Pilotenschlage der Eiscnbahnbauer herrührend,
und dazwischen ertönt, nach dem Takte der fallenden Schlägel,
der rythmische Gesang der Arbeiter.

Still sinnend, einen ganzen reichen Himmel festtäglicher
Gefühle in der poetisch weich gestimmten Brust, Gott und der
Natur im seligen Anschanen und Genießen entgegenjubelnd,
ergeht sich ein einsamer Spaziergänger an dem hohen Gehänge
des Thaleinschnittes und freut sich so recht herzlich der schönen
Gotteswelt und — des wackeren Volkes, das den strengen
Fluch des verlornen Paradieses, die eiserne Pflicht mühevollen
Erwerbens so frohen Muthes trügt und fromm angeregt von
der herrlichen, gnadenreichen Schöpfung, die harte Arbeit mit
Gesang begleitet, mit einem wahren Festhymnus (nach den
fernher klingenden Tönen zu schließen), so gemessen und so
würdevoll, wie Choralgesang im Gotteshause!

„Das sind meine Pfarrkinder!" jauchzt es mit frohem
Stolze durch die erregte Seele des hochwürdigen Spaziergängers,
„so habe ich gepflanzt und so fällt die goldene Frucht meiner
belehrenden Worte in Kirche und Haus reich von dem schwer
beladenen Segensbaume in das Herz des Volkes auf dankbaren
Boden. Es ist ein gutes, ein empfängliches Volk!" und um
nun auch den Festhymnus voll in seinem Wortklange zu ge-
nießen, steigt der Herr Pfarrer thalabwärts, gehoben von so be-
seligender Stimmung, durch die deckenden Stauden der Böschung

dem erhebenden Gesänge zu lauschen, der Sylbc für Sylbe der
Bewegung der arbeitenden Hände folgend im Endreime stets mit
dem kräftig dröhnenden Schlage auf die Piloten zusammenfällt.
Diese Fcsthymne der Arbeiter aber lautete:

„Dort ob'n auf der Höh'
Steht da' Pfarrer, o je!

Der zahlt uns gwiß a' Bier,
Dös asten trinken wir:

Zahlt er uns aber kans.

So ists uns a' all's ans,
Wissma woran ma san.

Mit so an — Schmutzian!
Der schaut uns alle Frua
Glei a paar Stunden zua
Und hat uns nie was zahlt,
Dös gift't uns hietzt schon bald:
Zahlt er z'nachst a nu nix
Kriegt er die schönsten Wix!"

Und das Echo trug den Endreim weithin über die Berge.

St.

Eine Eiscnbahngcschichte.

Der Bahnzug ist im Begriff abzugehen und der Schaffner
verlangt die Billets. Eine Frau sucht vergebens in allen

Taschen: „Ei, Herr Jesses, ich Hab' mein Billet verlor'n."
Der Schaffner bedeutet sie, sich schnellstens ein and'res zu
holen, da der Zug gleich abgehen werde. Sie steigt aus,
kommt mit einem frisch gelösten Billet zurück, der Schaffner
coupirt es, die Frau steckt es ein und findet bei dieser Ge-
legenheit das zuerst genommene in der Tasche. Sie verlangt
auszusleigen und das eine retour zu geben. Der Schaffner
gibt ihr zu bedenken, daß es zu spät sei; sie läßt sich aber
nicht halten, steigt aus, eilt an den Schalter, der Billeteur
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Das fromme Lied"
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Fliegende Blätter
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Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Entstehungsort (GND)
München

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Publikation

Fund/Ausgrabung

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Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Arbeiter <Motiv>
Pfarrer <Motiv>
Wald <Motiv>
Geste <Motiv>
Spaziergänger <Motiv>
Karikatur
Natur <Motiv>
Lauschen
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 58.1873, Nr. 1436, S. 30
 
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