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Die Gartenkunst — 13.1911

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Rothe, Richard: Die Staudenastern im Landschaftsbilde ihrer Heimat und die wachsende Bedeutung ihrer Gartenformen
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Eck-Troll, Max: Naturschutzparke
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https://doi.org/10.11588/diglit.20813#0068

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Iii)

DIE GARTENKUNST.

XIII, 3

wie die lebhafte, auch für Fernwirkung geeignete
Farbe der Blüten, die sie begehrenswert erscheinen
läßt. Die Sammlungen guter Staudenfirmen enthal-
ten außerdem noch eine große Anzahl anderer schö-
ner Varietäten und Formen von prächtigen Farben-
schattierungen , unter denen eine passende Auswahl
zu treffen, nicht schwer fallen dürfte. Ihre ausgiebige
Verwendung ist in der blüten- und farbenfrohen Gegen-
wart keine bloße Liebhaberei, sondern ein Gebot der
Zeit, die auch im herbstlichen Garten farbigen Glanz
und Wärme fordert.

Naturschutzparke.

Von Max Eck-Troll, Stuttgart.

Die Kultur schreitet langsam aber sicher ihre Bahn.
Machtvoll und rücksichtslos. Die Städte nehmen zu an Um-
fang. Wo noch vor wenigen Jahren dichter Laub- oder Nadel-
wald gestanden, befinden sich heute weite Straßenzüge mit
eintönigen, meist stillosen Mietskasernen. Und was heute die
Peripherie einer Stadt bildet, wird in Jahren mehr und mehr
nach der Mitte des Häuserkreises gesetzt. Neue Vorstadt-
viertel entstehen und alte Waldbestände fallen ihnen zum Opfer.

Auf dem Lande reckt die Industrie ihre langen Polypenarme
nach allen Seiten aus und reißt eine interessante Landpartie
nach der anderen an sich. So ist der stetig zunehmenden In-
dustrialisierung schon manches historische Fleckchen Erde
zum Opfer gefallen. Und man sieht hierin kein Ende. Das
deutsche Volk ist im Zustande anhaltender Zunahme. Neue
Menschen wollen neue Wohnungen, und neue Häuser ver-
langen Platz.

Diese Tatsache verursacht ein rasches Hinaufschnellen
der Güterpreise, und diese mahnen den Landwirt, wenn er an
eine Verzinsung seines im Gute steckenden Kapitals denken
will, an eine rationelle Bearbeitung des Bodens. Unter dieser
systematischen, rationellen Arbeit muß natürlich das ur-
wüchsige Bild der Landschaft insbesondere des Waldes notleiden.

Wie sieht nun meist ein solcher Wald aus? Da stehen
die Bäume fein säuberlich in Reih und Glied wie ein nach
modernem Drill zum Parademarsch angetretenes, mächtiges
Heer, dem „Augen rechts! Rieht Euch!" befohlen ist. Aber
alle sind sie Waldkinder jüngeren Datums. Im Kampf mit
Wind und Wetter ergraute Waldriesen, vor denen man in
ehrlicher Naturbewunderung so gern ehrfurchtsvoll das Haupt
neigt, findet man nur vereinzelt. Alte mächtige Stämme ihrer
imposanten Schönheit willen stehen lassen, bis sie in sich
selbst zusammensinken, das ist gegen die rationelle Bewirt-
schaftung. Wenn ein Bäumchen zum kräftigen Baum heran-
gewachsen ist, dann kommt der Holzhacker mit der Axt, und
mag der Stamm auch noch so stöhnen und wehklagen, er
muß doch unter den wuchtigen Axthieben sein stolz in die
Lüfte ragendes Haupt zur Erde neigen, um in der nahen
Sägemühle zu Brettern zerteilt zu werden.

Das Nützlichkeitsprinzip läßt eben keine „ Wotanseichen"
aufkommen und sie alt und grau werden. Alles wird in blanke
Taler umgesetzt.

Bei dieser nüchternen Praxis verschwand unser schöner
deutscher Wald mehr und mehr und mit ihm seine Tiere.
Wer heute noch auf ein noch so abseits der allgemeinen
Heeresstraße gelegenes Gebiet seinen Fuß setzt, wird nutz-
los nach Ur und Bär, Elch und Luchs und Wolf Umschau
halten. Wildschwein und Nerz, Wildkatze und Biber sind
fast gänzlich verschwunden Wir kennen diese Tiere höchstens
nur noch aus naturwissenschaftlichen Büchern oder finden sie
lebend in meist verkümmerten Exemplaren nur noch hinter
starken Eisengittern in zoologischen Gärten oder Menagerien.

Und doch welch geheimnisvollen Zauber übten auf unsere

empfindsame Jünglingsseele die Schilderungen von Jagden
unserer altgermanischen Urväter auf Bären usw. aus. Da
wären wir am liebsten mitgezogen in den lichten, mit tausend-
jährigen Eichen bepflanzten deutschen Wald.

Die zunehmende Kultur hat unserem geliebten deutschen
Wald aber an vielen, vielen Orten diesen bezwingenden Zauber
geraubt.

Ihn zu erhalten durch Anlage großer Naturschutzparke,
das ist der Zweck und das Ziel des Vereins Naturschutzpark*).

Das Zurückdrängen der Natur nahm von Jahr zu Jahr
in einem für den Naturfreund erschreckendem Maße zu. Wenn
diesem Treiben nun nicht bald Einhalt geboten worden wäre,
so bestünden für unsere Nachkommen eines Tages nur noch
spärliche Überreste eines deutschen Waldes, die diesen stolzen
Namen nicht mehr verdienen würden, da sie nur noch grosse
Anlagen wären.

Der deutsche Wald kann aber nur dann gigantisch wirken,
wenn er sich ohne menschlichen Angriff in seiner ganzen ur-
wüchsigen Kraft frei entfalten kann.

Je weiter vorwärts die Kultur marschierte, desto mehr
erwachte im Menschen Freude, Sinn und Verständnis für die
Natur. Der deutsche und österreichische Alpenverein, unzählige
Touristenvereine — jeder Höhenrücken hat seinen besonderen
Verein — sammelten erfreulicherweise in kurzer Zeit große
Scharen um sich. Der Dürerbund, zahlreiche naturwissenschaft-
liche Vereine, der Bund für Heimatschutz, der Bund für Vogel-
schutz und mancher anderer Verein erstreben den Schutz der
Natur, um kleinere, besonders gefährdete landschaftliche Punkte
vor der Verwahrlosung und im Aussterben begriffene Tier-
gattungen vor dem Untergang zu retten.

Da kam über den „großen Teich" das Vorbild des ameri-
kanischen Yellowstone-Parks zu uns. Die kleine Schweiz gründete
einen Schweizer Naturschutzpark Val Cluoza im Unterengadin.
Da hieß es auch für uns Deutsche, nicht nur in Kunstmuseen
für viele Millionen künstlerische Schätze aufzuspeichern, sondern
auch ein Scherflein dazu beitragen, daß das Urbild unserer
Heimat — mag die Kultur und mögen die Städte noch so weit
um sich greifen — in einzelnen großen Naturschutzparks für
alle Zeiten gewahrt bleibt.

Der Verein Naturschutzpark hat es nun verstanden, inner-
halb ganz kurzer Zeit sein Wollen in die Tat umzusetzen, trotz
der großen Schwierigkeiten, die sich seinem Bestreben ent-
gegentürmten. So konnte er als Grundlage für einen nord-
deutschen Naturschutzpark den Wilseder Berg in der Lüne-
burger Heide mit einem Flächeninhalt von 620 pr. Morgen für
100000 Mk. erwerben. Dieses Gebiet läßt sich, da die um-
liegende Landschaft fiskalischer Boden ist, wohl leicht auf 3—4
Quadratmeilen erweitern, wenn auch der Staat sich für diese
ideale, patriotische Sache begeistern lässt. Die Lüneburger
Heide, ein nieist verkanntes, an eigenartigen, landschaftlichen
Reizen überaus reiches Gebiet, hatte auch im Laufe der Jahre
dem Ackerbau, dem Kalibergbau und der Petroleumindustrie
ein Schmuckstück nach dem andern lassen müssen.

Erst im letzten Augenblick gelang es dem Verein Natur-
schutzpark dank der Opferwilligkeit einiger süddeutschen
Gönner, den Wilseder Berg den Händen Hamburger Terrain-
spekulanten zu entreißen, die für das nahe Hamburg dort an
der mit schönsten Stelle der Heide Vergnügungetablissements
errichten wollten.

Statt billiger Groschenautomaten und Tyroler Jodler-
kapellen wird am Wildseder Berg für alle Zeiten stiller
Waldesfrieden herrschen, der nur durch herzerfrischendes
Jubilieren munterer Vöglein unterbrochen werden wird.

Dieses idyllisch schöne Fleckchen Erde vor dem Unter-
gang bewahrt zu haben, ist ein unvergängliches Verdienst des
Vereins Naturschutzpark.

*) Sitz des Vereins Naturschutzpark ist Stuttgart, Pfizer-
straße 5. Der jährliche Beitrag beträgt nach Selbsteinschätzung
von 2 Mk. aufwärts. Lebenslängliche Mitgliedschaft ist durch
einen einmaligen Beitrag von mindestens 100 Mk. zu erlangen.
 
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