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TIOIEE
ZWEI GENREBILDER VON FRANZ DEFREGGER:
„Der Bries vom Geliebten" und „Das Nachmittagsschläschen."
Radirungen von L. Kühn.
Franz Desregger.
i\ ICHT viel mehr als ein Jahrzehent ist verflossen, feit-
dem Franz Dejregger nach kurzer Lehrzeit im Atelier
Piloty's, wo er eigentlich blofs seine technische Fertig-
keit ausgebildet hat, mit dem von unferer Gefellschaft
reproducirten Bilde ,, Speckbacher und sein Sohn" aus-
trat, welches den jungen Tiroler Bauernsohn, der in
der malerischen Tracht feines heimatlichen Thaies in
die Kunftstadt an der Isar gewandert kam, mit einem
Schlage als einen selbständig und eigenartig- daftehen-
den Künstler beglaubigte. Seither ist durch den Döl-
sacher Künstler der deutschen Genremalerei ein fchöner
Zweig: das Tiroler Genre erwachfen, welches ausser
ihm, dem Hauptvertreter, noch feine Landsleute Alois
Gabi und Mathias Schmidt mit Talent und Erfolg culti-
viren, und das Desregger durch einige berühmte Bilder
aus neuester Zeit zum Range des hiftorifchen Genres
erhoben hat. Denn wie reich an Ehre und Gewinn sich auch die Lausbahn des Künftlers geftaltete,
er ist doch in treuester Anhänglichkeit der Sohn des Landes Tirol geblieben, dessen Geschichte und
dessen Bewohner er mit Vorliebe schildert. Alljährlich sast geht er auch für einige Zeit zurück in feine
wundervoll fchöne Heimat, wo er, den gewaltigen Grossglockner im Rücken, die malerifchen Zacken
der Dolomitengruppe vor sich lieht, hinter denen Tizian's Geburtsort liegt, und holt von dort die
Inspiration zu den tresslichen Schilderungen feines Vaterlandes, die aus dem neuen Heim an der Ifar
vor die Kunftwelt treten und in Nachbildungen aller Welt bekannt werden.
Die Umstände, unter welchen Defregger der deutschen Kunst gewonnen ward, find unferen Lefern
bereits bekannt (vergl. „Mitth. d. Gef. f. verf Kunst", Jahrg. I, 1873, Sp. 58); über feine Lebens-
schickfale seit der Zeit, wo er vor dem Ziele seines Strebens ftand, ift nicht viel zu berichten, was nicht
mit seiner künftlerifchen Produktion in unmittelbarem Zufammenhange ftüncle. Gleich zu Anfang feiner
künstlerifchen Lausbahn traf den jungen Maler, der fich verheiratet und in einem Dorfe bei München
anfässig gemacht hatte, ein harter Schlag: ein gefahrdrohender Gelenksrheumatismus lähmte ihn derart,
dass er fich durch volle zwei Jahre nicht bewegen konnte. In diefer langen Leidenzeit malte er, auf
einem Ruhebette ausgeftreckt, das einzige religiöfe Bild, das wir von ihm kennen: eine „HeiligeFamilie."
TIOIEE
ZWEI GENREBILDER VON FRANZ DEFREGGER:
„Der Bries vom Geliebten" und „Das Nachmittagsschläschen."
Radirungen von L. Kühn.
Franz Desregger.
i\ ICHT viel mehr als ein Jahrzehent ist verflossen, feit-
dem Franz Dejregger nach kurzer Lehrzeit im Atelier
Piloty's, wo er eigentlich blofs seine technische Fertig-
keit ausgebildet hat, mit dem von unferer Gefellschaft
reproducirten Bilde ,, Speckbacher und sein Sohn" aus-
trat, welches den jungen Tiroler Bauernsohn, der in
der malerischen Tracht feines heimatlichen Thaies in
die Kunftstadt an der Isar gewandert kam, mit einem
Schlage als einen selbständig und eigenartig- daftehen-
den Künstler beglaubigte. Seither ist durch den Döl-
sacher Künstler der deutschen Genremalerei ein fchöner
Zweig: das Tiroler Genre erwachfen, welches ausser
ihm, dem Hauptvertreter, noch feine Landsleute Alois
Gabi und Mathias Schmidt mit Talent und Erfolg culti-
viren, und das Desregger durch einige berühmte Bilder
aus neuester Zeit zum Range des hiftorifchen Genres
erhoben hat. Denn wie reich an Ehre und Gewinn sich auch die Lausbahn des Künftlers geftaltete,
er ist doch in treuester Anhänglichkeit der Sohn des Landes Tirol geblieben, dessen Geschichte und
dessen Bewohner er mit Vorliebe schildert. Alljährlich sast geht er auch für einige Zeit zurück in feine
wundervoll fchöne Heimat, wo er, den gewaltigen Grossglockner im Rücken, die malerifchen Zacken
der Dolomitengruppe vor sich lieht, hinter denen Tizian's Geburtsort liegt, und holt von dort die
Inspiration zu den tresslichen Schilderungen feines Vaterlandes, die aus dem neuen Heim an der Ifar
vor die Kunftwelt treten und in Nachbildungen aller Welt bekannt werden.
Die Umstände, unter welchen Defregger der deutschen Kunst gewonnen ward, find unferen Lefern
bereits bekannt (vergl. „Mitth. d. Gef. f. verf Kunst", Jahrg. I, 1873, Sp. 58); über feine Lebens-
schickfale seit der Zeit, wo er vor dem Ziele seines Strebens ftand, ift nicht viel zu berichten, was nicht
mit seiner künftlerifchen Produktion in unmittelbarem Zufammenhange ftüncle. Gleich zu Anfang feiner
künstlerifchen Lausbahn traf den jungen Maler, der fich verheiratet und in einem Dorfe bei München
anfässig gemacht hatte, ein harter Schlag: ein gefahrdrohender Gelenksrheumatismus lähmte ihn derart,
dass er fich durch volle zwei Jahre nicht bewegen konnte. In diefer langen Leidenzeit malte er, auf
einem Ruhebette ausgeftreckt, das einzige religiöfe Bild, das wir von ihm kennen: eine „HeiligeFamilie."