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Chaniotis, Angelos [Hrsg.]; Berg, Manfred [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Überzeugungsstrategien — Berlin, Heidelberg [u.a.], 52.2008 [erschienen 2009]

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Kemmerling, Andreas: Die Meinensstrategie: ein Grundmuster rationaler Überzeugungsbeeinflussung in der sprachlichen Verständigung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11274#0024
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Die Meinensstrategie:
ein Grundmuster rationaler Überzeugungsbeeinflussung
in der sprachlichen Verständigung

ANDREAS KEMMERLING *

Sie wollen mich, so nehmen wir einmal an, zu einer bestimmten Überzeugung
bringen. Der Einfachheit halber handele es sich um eine simple Überzeugung
wie etwa die, daß ich das Licht im Auto angelassen habe. Sie haben gesehen,
daß ich meinen Wagen geparkt und abgeschlossen, aber offenbar nicht bemerkt
habe, daß das Licht noch an ist. Sie sprechen Deutsch, ich verstehe Deutsch;
so sind die Voraussetzungen für den Einsatz einer sehr effektiven Strategie
gegeben, mich zu dieser Überzeugung zu bringen. Sie sagen mir einfach: „Sie
haben das Licht in Ihrem Auto angelassen". Nennen wir die Strategie, die Sie
zum Einsatz gebracht haben, die SEE-Strategie; sie läßt sich so charakterisieren:

Die Sag-es-einfach-Strategie: Wenn Du erreichen möchtest, daß jemand zu
der Überzeugung gelangt, daß dies-und-das der Fall ist, sag ihm einfach, daß
dies-und-das der Fall ist.

Dies ist eine wunderbare Allzweck-Strategie, die wir immer anwenden kön-
nen, wenn unser Adressat (so werde ich der Einfachheit halber denjenigen
bezeichnen, der zu einer Überzeugung gebracht werden soll) eine Sprache ver-
steht, die wir beherrschen. Sie ist zumindest insofern für prinzipiell alle Zwecke
geeignet, weil es im Prinzip für jede Überzeugung, zu der wir jemanden brin-
gen möchten, einen passenden deutschen Satz gibt, der genau das beinhaltet,
was geglaubt werden soll. Natürlich ist die Strategie nicht in jeder beliebigen
Situation anwendbar, allein schon deshalb, weil nicht in jeder beliebigen Situa-
tion sprachliche Verständigung möglich ist: Der Adressat mag zu weit entfernt
sein, gerade Musik von seinem i-Pod hören oder Sie beide mögen sich unter
Wasser befinden. Das sind zufällige physikalische Hindernisse für die Anwen-
dung dieser Strategie. Es gibt andere Hemmnisse, solche, die zum Beispiel
mit Höflichkeit zu tun haben. Wir wenden diese Strategie nicht an, wenn der
Adressat üblen Mundgeruch hat und es uns eigentlich sehr recht wäre, daß

* Prof. Dr. andreas kemmerling ist Professor für Philosophie an der Universität Heidelberg
(1997-)-
 
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