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Chaniotis, Angelos [Hrsg.]; Berg, Manfred [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Überzeugungsstrategien — Berlin, Heidelberg [u.a.], 52.2008 [erschienen 2009]

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Chaniotis, Angelos: Überzeugungsstrategien in der griechischen Diplomatie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11274#0162
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Überzeugungsstrategien in der griechischen Diplomatie

Geschichte als Argument

ANGELOS CHANIOTIS *

i Geschichte als logische, rechtliche und moralische Begründung

von Handlungen

Seit Thukydides dient der Glaube, daß man aus der Geschichte lernen kann,
zur Legitimation der Historiker. Es sei nicht die Befriedigung persönlicher
Neugierde - auch nicht nur Spaß -, das den Historiker zur häufig mühsamen
Beschäftigung mit historischen Fragen führe, sondern die Überzeugung, daß
die dadurch gewonnenen Erkenntnisse von bleibendem Wert (ktema eis aei,
in Thukydides' Worten) seien (z.B. Koselleck 1989). In seiner Antrittsvorlesung
mit dem Titel,Geschichte als Argument' hat Alexander Demandt eindrucksvoll
dargelegt, wie die historische Überlieferung in der Tat von Politikern und Theo-
retikern als logisches Argument, als ein an den gesunden Menschenverstand
appellierendes Überzeugungsmittel Verwendung finden kann.1 Hier wird nicht
von der Nützlichkeit der historischen Überlieferung, sondern von der Ausnut-
zung derselben die Rede sein, nicht von der Berufung auf die Geschichte durch
individuelle Denker und Politiker, sondern durch Gemeinwesen, demgemäß
nicht vom individuellen Geschichtsverständnis, sondern eher vom kollektiven
Geschichtsbewußtsein griechischer Bürgergemeinden.

Im Jahre 480 v. Chr. war Griechenland vom Feldzug des Großkönigs Xerxes
unmittelbar bedroht. Vor der Gefahr waren nicht alle Griechen vereint, aber
zumindest beschlossen die führenden Staaten, Athen und Sparta, sich gegen
die Perser zu verbinden und weitere Verbündete zu gewinnen, darunter auch
die mächtigen griechischen Kolonien im Westen. Für seine Beteiligung an die-
sem panhellenischen Bündnis gegen die Perser nannte aber der Herrscher von
Syrakus Gelon eine Bedingung: Er sollte die Führung des griechischen Heeres
übernehmen (Herodot 7.157-162). Als der Vertreter der Spartaner, die zu jenem

Prof. Dr. angelos chaniotis, Professor-für Alte Geschichte an der Universität Heidelberg
(1998-2006) und Leiter des Projektes „Überzeugungsstrategien" (2004-2006), ist Senior Re-
search Fellow am All Souls College in Oxford (2006-).
1 Demandt 1972; s. auch Faber 1978. Einige Beispiele aus verschiedenen historischen Perioden:
Bach 1977; Weinfurter/Siefarth (Hrsg.) 1997; Clauss 2006.
 
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