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Nr. L.

Berlin, den 1. Januar 1854.

Mochenkalender.

Montag, den 2. Januar.
Der Türke kündigt zum Quartal dem
Russen sein Quartier in den Donausürsten-
chümcrn.
Dienstag, den 3. Januar.
Der Russe erklärt, die Kündigung in-
sofern anzunehmen, als er dadurch seiner
Verbindlichkeiten gegen den bisherigen Wirth
enthoben werde.
Mittwoch, den 4. Januar.
Der Türke wünscht, daß der Russe das
Quartier augenblicklich räumen soll.

Mochenkalmder.

Donnerstag, den 5. Januar.
Der Russe erklärt, daß auch er noch
einige kleine Restsorderungen an den Türken
habe und erst wenn diesen Rechnung ge-
tragen sei, daS Quartier räumen wolle.
Freitag, den 6. Januar.
Der Türke ersucht einige zuverlässige
Freunde, ihm bei der Exmission des reni-
tenten Einliegers behilflich zu sein.
Sonnabend, den 7. Januar.
Die zuverlässigen Freunde erklären dem
Russen, daß er allerdings im Unrecht sei
und das Quartier augenblicklich zu räumen
habe, daß sie indessen, wenn er eigensinnig
sein wolle, gar nichts mehr mit ihm zu
tbun haben mögen und er aus ihre Ihätige
Betheiligung a» der Beilegung des Streites
durchaus nicht rechnen dürfe, da der Klügste
immer nachgcbe. —

-sllt»rischts Wochenblatt.

Dieses Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme der Wochentage. — Man abonnirt mit 2l Sgr. vierteljährlich sür 15 Nummern bei allen
Buchhandlungen sowie bei den Postanstalten deS In- und Auslandes. Jede einzelne Nummer kostet Sgr. Die Redaktion.

1. Januar 1854^K-
ist der sür die Zukunft des Kladderadatsch entscheidende Tag, mit welchem derselbe nach glücklich vollendetem sechsten
Jahrgänge seines Daseins, den Preußischen Gesehen zufolge, in den ernsten Abschnitt des schulpflichtigen Alters zu
treten beginnt.
Die heiteren Tage der Kindheit, die süßen Zeiten unbefangenen Müßigganges und sorgloser Bummelei sind längst ent-
schwunden, und auch die harmlos spielenden Stunden in der Warte sch ule deS letzten Jahres müssen aufhören, um
ernsterer Beschäftigung mit der umkehrenden Wissenschaft in der Klippschule der Zukunft Platz zu machen.
Wir dürfen uns nicht mehr wie bisher nach kindlicher Willkür tummeln und umhertreiben wo es uns gefällt, in allen
Gassen und auf allen Höfen, und die vorübergehenden Leute mit den Steinen unserer Laune und den Schneebällen unseres
Uebermuthcs bewerfen; sondern wir werden auf der harten Bank des Unterrichts still und anständig sitzen und Manches
lernen müssen, wovon wir bis jetzt nichts gewußt noch geahnt haben. Wir können nicht mehr mit allerlei närrischem und unver-
ständigem Zeuge unser Papier vollschmicren und bekritzeln; sondern wir werden ordentlich nach Vorschriften schreiben und
zeichnen und unsere Feder führen müssen nach den Regeln unserer Meister. Man wird uns lesen lehren nach der stummen
Lautir-Methode, und rechnen die vier SpccieS bis in die Brüche. Wir werden auch die Sprachen lernen, deren Nutzen be-
kanntlich darin besteht, daß man durch sie die Gedanken verhüllen kann, und die Geschichte, welche dazu da ist, daß man sie vergesse.
Wir werden uns bemühen fleißige und gelehrige Schüler zu sein. Wir werden jede Lection, die man unS gibt, auf-
merksam hinnehmen; wir werden zu jeder Stunde vorbereitet erscheinen, damit wir alle Prüfungen bestehen, immer
möglichst gut durch kommen und in allen Classen die beßten Zeugnisse erhalten. Mit einem Worte: eS sollen Alle ihre Freude
an uns haben; denn sic sollen sehen, wir werden eine gute Zucht bekommen!
es schadet nichts!
Alles hat seine Zeit. Die Schule hat ihre Zeit, und die Freiheit hat ihre Zeit, und — Sonnabend Nach-
mittag ist keine Schule! Sonnabend Nachmittag haben wir frei! Dann werfen wir die Mappe unserer Ge-
lehrsamkeit hinter den Ofen, zerstampfen die Feder unseres Fleißes, vergessen waS wir die Woche über gelernt, und
laufen hinaus ins Freie, um der verzweifelnden Welt lachend zu verkünden, daß eS wenigstens noch ein Ding zwischen
Himmel und Erde gibt, wovon sich ihre Schulweisheit nichts träumen läßt! Und dieses Ding heißt —
Kladderadatsch.
 
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