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Mochenkatender.

Montag, den 8. Mai.
Dieser Tag ist der achte Mai und heißt
im Calender Stanislaus. ES tritt
daher plötzlich kalte Witterung ein.
Vienstag, den 9. Mai.
Die Natur erklärt: Wenn diese Kälte
Russische Sympathie ist, so bekenne
ich mich offen und vor aller Welt
zu ihr.
Mittwoch, den tt). Mai.
ES wird so kalt, daß die Berliner
Wölfe ihre Schafspelze wieder an-
ziehen müssen.


woche»katender.

vonncrstag, den II. Mai.
Man schreibt den elften Mai und kann
doch keinen Hund hinierm Ofen
hervorlocken.
Freitag, den 12. Mai.
Die Berliner Pflanzen erklären
Pancratius und Servatius für er-
bärmliche, widerwärtige Gesellen, mit
denen sie nichts zu Ihun haben wollen.
Sonnabend, den 18. Mai.
Servatius und Pancratius, zwei
Persönlichkeiten, die in diesen Tagen allein
von sich sprechen gemacht, verschwinden
für immer — in diesem Jahre.
Kladderadatsch.

Humoristisch-satyrischkS Wochenblatt.

Alles hat seine Zeit! (K-—
Kaufen hat seine Zeit, und Verkaufen hat seine Zeit. Schreiben hat seine Zeit, und Aus-
streichen hat seine Zeit. Krieg führen hat seine Zeit, und Frieden schließen hat seine Zeit. Reden
halten hat seine Zeit, und den Mund halten hat seine Zeit. Kurz —
Mes i)at seiile Zeit!
Und Griechenland hat seine Zeit gehabt, und Rvm und Hessen-Cassel ebenfalls. Und The-
mistokles und Perikles und Sophokles und Plato und Cato und Caesar und Angustns und
Carl der Große und Napoleon und Blesson und Cicero und Lindenmüller und Thadden-
Triglaff und Aristoteles und Lessing und Rellstab und Lncrezia Borgia und Preußens
Mathilde und Jda Hahn-Hahn und Pepita, sie haben ihre Zeit gehabt, und —
(7^ A lles Hirt feine Jett gehabt^
Und diese Zeit hat immer genau so lange gedauert als der Schwindel des Publicums, welches
man unter gewissen Verhältnissen auch Welt oder Zeitalter nannte; und sie hat immer genau dann aufge-
hört, wann das Publicum anfing sich zu ennuyiren. Denn wie sagt Voltaire? '1'»>I8 Ik8 Mlll'e8 80»l
Iio»8, Io Mine eiiiiiiMiix!
Auch Sie, meine Herren von der orientalischen Frage, haben Ihre Zeit gehabt, und
zwar lange genug um etwas Gescheidteres zu Stande zu bringen, als wir bisher zu sehen das Vergnügen
hatten. Aber Sie haben Ihre Zeit gehabt! Und daß Sie sie gehabt haben — das möge Ihnen
das Murren und Zischen, das Trommeln und Pfeifen beweisen, welches von allen Enden, von allen
Rängen und Plätzen des Europäischen IlistSlNliii imilxli sich immer lauter vernehmen läßt.
Denn es wir- wirklich langweilig,
über alle Begriffe langweilig! In immer wachsenden Schaaren verlassen die Zuschauer ihre
alten Plätze und wandern, vor Aerger die Europäischen Sitze zuklappend, aus, um in der neuen Welt sich
billiger und besser zu amusiren; und die Zurückbleibenden sehnen sich ermüdet nach dem Ende.
(AU lles hat seine Aeit!vZ)
Auch Aufhören hat seine Zeit, und wir haben — keine Zeit mehr, uns noch lange mit Ihnen.
beschäftigen!
Darum hören Sie endlich auf, damit einmal etwas Anderes an die Reihe komme, das im Stande ist,
der Welt ein neu belebendes Interesse zu gewähren und neuen Stoff dem Kladderadatsch.
 
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