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Mchrns.
Ihr seid nunmehr von uns geschieden, verwaist ist seht der DSnhvföplatz! Ihr zogt zu Mutter» heim in Frieden, ja Mancher zog z„
seinem Schatz. Zur Jungfrau im canon'schcn Alker begibt sich der Cänonicns; Herr FirkS, der treue Hausverwalter, er rief zum letzten Mal
noch „Schluß!" — So nehmt denn hin der Wchmuth Thräne — Vs mortui» ni> nisi bene!
Noch ist der Streit erst auszugleichcn, wer besser sprach im hohen Saal für Russisch Reckt in Deutschen Reichen — ob Herr von
Gerlach oder Stahl; und wer de» Vogel abgcschossc» für Deutsches Recht und Volk und Thron — ob Reichensperger nnd Genoffen,
ob Preußens adoptirtcr Sohn, ob Vincke oder andre Hähne — Vs mortui» nil nisi bene!
Ihr habt berathen und gestritten im Schweiße Eures Angesichts, von Zug und Reden viel gelitten, auch taugt die Russ'schc Heizung
nichts. Was Ihr gethan, wird man erkennen: cs wird bedeutend ja genannt — zwar weiß ich wenig »nr zu nenne»; doch fühlt es schon
das ganze Land, selbst Posemuckel und Filchnc — Vs mortui» nil nisi bsno!
Zwar bleibt den ferncstcn Epoche» bewahrt, was Thadden - Triglaff sprach, nnd was Herr Krausnick hat gesprochen, erzählen
sich noch Enkel nach. Zwar wurden Riedels kühne Witze auf Hintcrpoinmerns alt Geschlecht bis jetzt an seinem Hintersitze durch Bütows
Macht »och nicht gerächt; doch denkt schon heut der Stallupöne: — Vs mortui» nil nisi bene!
Das Brot ist klein und klein die Schrippe — was hilft's, daß billig blieb das Salz? Im Preise stieg der Speer der Rippe, und
Ochs und Hammel ebenfalls. Ihr habet Alles gern bewilligt, sogar den Zwang auf Spiritus, doch habt ihr Manches sanft mißbilligt, oft
bitter war der Rede Fluß; ja Mancher wies sogar die Zähne — ve mortui» nil »isi bene!
Ach, wie es scheint, will das Jahrtausend am DSHnhoföplatz nicht bleiben stehn und über alle Kammern brausend zur Tagesordnung
übergehn. Verstandet ihr die Zeit, die große, nnd ihren Ruf? — ich weiß cs nicht. So ruht denn wohl im Mutterschooße, und thut zu Hause
eure Pflicht, gesegnet von der Wehmuth Thräne-vo mortui» nil nisi bene!
Kladderadatsch.

F e U i l

l e t o n.

In der Leipziger Straße sind am I. Mai d. I. von einem unserer Col-
porteurs folgende zwei Visitenkarten gesunden worden, zu deren Abholung
wir den rechtmäßigen Eigenthümer derselben hiermit auffordern.

ssovsooovvoosDool-ooosvoosasoooosos
s llobsnna gebt, unck nimmer bebrt sie «lecker! ^
: vis erste Lämmer

in ibrer gegenvürtigen Xusammen»et/.ung.

v00S000S000000000c>SSO0000OI20S0SS00
4t ^Venn lllenscken auseinancker gekn, »
^ van» sagen sie: Huk >Vieckersekn! A
H Die rvsits Lrmmsr. A

Die Zeitungen berichten, daß die Russen auS dem Inneren des
Landes eine ungeheure Menge Stroh und Heu an die Donau haben
führen lasten.
Dasselbe soll nich! sowohl als Futter für ihre Pferde benutzt als viel-
mehr auS zarter Rücksicht vor ein Nachbarhaus gestreut werden, in
welchem, unsicherem Vernehmen nach, ein „schwer kranker Mann"
sich besindet. _

Auch ein Gedicht
aber für alle Fälle.
Begehre — die Hölle — Verlange — die Ruthe!
Das Gute — Verschwöre — die Freiheit — Versage!
Anbete — Kosaken — Besinge — die Knute!
Den Fortschritt — Verfluche — die Wahrheit— Verjage!

Die Direction des Sladtthcaters in Reval zeigt an, daß den Deutschen
Schauspielern der Aufenthalt in Rußland nach wie vor gestaltet sei. Warum
nicht? So viel wir wissen, ist auch in Deutschland de» Russischen Komö-
dianten der größtmöglichste Spielraum gegeben.

Anfrage.
Wäre nicht grade jetzt die Abschaffung der stehenden Heere an der
Zeit und in der Ordnung?
Püscke in Gallipoli.

Lieber Freund und Waldhornistc!
Wenn Leute von Musik rede» wollen, die nichts davon verstehen, jo ist
dies immer lächerlich, wie z. B. die ewig aufgcwärmte Rede von Stahl,
die nun schon apart gedruckt zu haben ist, wofür ich danke, da ich Nichts
darauf gebe. Da steht hinter der Stelle, wo er sagt, daß er nicht lüstern
ist nach einem Concert, in welchem England und Frankreich Capellmcister
und die Deutschen die Musikanten sein sollen, in einer Klammer: „An-
haltende Heiterkeit und Bravo", als wenn er einen Witz gerissen
oder was GescheidtcS gesagt hätte. Und 'S ist doch just das Gegenthcil. Denn
erstens gibt eü kein Concert mit zwei Capellmeistern; es darf bloß Einer den
Ta et angcbcn, der den Deutschen auch nicht schaden könnte, wenn sic ihn
hätten. Zweitens möchte ich wissen, ob cS nicht gut wäre, wenn es nicht
immer von den Deutschen hieße: Sic sind gute Leute, aber schlechte
Musikanten. -s.u contrsire! Was »nS fehlt, ist ja eben Harmonie und
Notcn-Kenntniß und Achtung vor Vorzeichen und richtig G reifen,
Zählen, Pausiren, Einsetzen und vor Allem auch gut Spielende,
daß wir zur rechten Zeit einen guten Schluß machen. Aber wie ist der
Deutsche? Er wagt sich nicht raus mit seiner Stimme, erst horcht er rechts
und links, bis ihm Einer den Ton angibt und dann hat er keine Idee vom
Tempo. Und nun möchl' ich wissen, wie so ein Concert auSfallen würde,
was die Deutschen unter sich machen. ?o»itus: der Baier isi schon zu-
frieden mit der zweiten Geige, der Schwabe mit der Bratsche nnd der
Hannoveraner mit der flotten Querpfeife, die andern Alle find mit ihren
Stimmen zufrieden, und Lippe soll meinetwegen den Triangel haben, die
Partitur liegt offen da — und der Dirigent klopft auf — waS meinst Du,
was da herauükommt? — Da wird gleich Kurhessen einen falschen Griff
machen, Braunschweig wird noch nicht die rechte Stimmung, der Eine
ein falsches Mundstück, der Andere keinen Wind in den Lungen und der
Dritte wird sich die Lippen noch nicht geleckt haben zum Ansätze. Und wenn
sie nun wirklich loslegen, wird keiner auf die Noten sehen, sondern Jeder
spielen, was ihm cinfällt: der Eine einen Choral, der Andere einen Walzer,
der Eine Moll, der Andere Dur. der Eine: „M-i Schatz ist aus der
Wanderschaft" und der Andre: „Ei du lieber Augustin." die Trommeln und
Pauken werden auS dem FF. schlagen, und die pp- Musikanten nicht aufkommcn
lassen, kurz, es würde eine Musik werden, daß ich wünschte, Herr Stahl
müßte sie 24 Stunden lang mit anhören. In einer Beziehung hat er freilich
nicht Unrecht: denn die kleinen Stäb-, womit jetzt die W-stmächte den Takt
angebcn, können sich auch bei den Deutschen nicht Ansebn verschaffen; da hat
der Russe einen ganz andern Stock, wenn er durchdringen will. — UebrigenS
will ich Dich bitten, da ich nächstens öffentlich auslreten soll, mir recht gute
Saiten zu schicken; denn wenn ich gut bestehe» soll, so muß ich gan; andere
Saiten aufziebn. Dein Nudelmüller,
 
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