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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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Lill, Georg: Die Wittelsbacher und die bildende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0068
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Votivrelief Kaiser Ludwig des Bayern, auf die Gründung <1324) der ehem. Lorenzkirche im Alten Hof zu München

DIE WITTELSBACHER UND DIE BILDENDE KUNST

Von GEORG LILL

Einer jeden der großen europäischen Dynastien,
die Jahrhunderte lang nicht nur ihrem eigenen Lande
das Gepräge gegeben, sondern auch auf die Entwicke«
lung der europäischen, politischen wie kulturellen Ge-
staltung tiefgreifend eingewirkt haben, ist eine ganz
bestimmte Familienphysiognomie eigen, die je nach
Temperament und Begabung der verschiedenen Ge-
schlechter das Wirken des einzelnen bestimmt. Wohl
der maßgebendste Zug in der Familienphysiognomie
der Wittelsbacher, die ihren alten Stammbaum über
die Grafen von Scheyern wohl bis zu den LuitpoU
dingern und damit zu dem bayerischen Uradels-
geschlecht der Huosier zurückführen können, ist die
leidenschaftliche Hingabe an die Kunst, die in einer
ausgesprochenen aristokratischen Vorliebe für die Ver-
edelung der Umwelt durch schöpferisch Gestaltetes
bei all ihren Mitgliedern — mögen sie nun kühne Sol-
datennaturen, staatsmännische Begabungen, sorgende
Landesherrn oder auch feinfühlige Naturen im Schatten
des Thrones gewesen sein — in ganz persönlicher Art
zum Durchbruch kommt.

Wissen wir von den ersten Generationen, die durch
die kriegerischen Taten ihres Ahnherrn Otto von Wit-
telsbach sich die Anwartschaft auf den Herzogsstuhl
gesichert und die dann in harter und verhärtender Ar»
beit sich darauf erhielten, bei den spärlichen mittel«
alterlichen Berichten nichts über eine besondere Vor»

liebe für Wissenschaft und Kunst, so tritt uns diese
zum erstenmal in der bedeutendsten Gestalt der älteren
Wittelsbacher in dem treuherzigen und bei aller Geg-
nerschaft zu den politischen Ansprüchen des avigno«
nesischen Papsttums kindlich frommem Kaiser Ludwig
dem Bayer <1294—1347) entgegen. Mit seinem Namen
verknüpfen sich Gründungen von Kirchen und Klö»
stern, wie Ettal nach dem Vorbild der Grabeskirche,
dem Augustinerkloster in München, der Lorenzkapelle
mit dem heute noch im Nationalmuseum erhaltenen
plastischen Schmudc in der Kapelle seiner Münchener
Residenz, des »alten Hofs« u. a. In seinen Enkeln
regt sich das künstlerische Erbe wieder. Am Hofe
Johanns III. von Straubing - Holland <1417—1425)
stoßen wir auf den weltberühmten Namen Jan van
Eydcs, der dort 1423—25 als Hofmaler wirkte, und
sein anderer Enkel Stephan III. der Kneißl <= der
Prächtige) von Bayern»Ingo!stadt <1375—1413) wird
der typische Vertreter eines prunkliebenden, ver-
äußerlichten mittelalterlichen Rittertums, dessen Indi»
vidualität gemischt mit dem italienischen Blute ihrer
Mutter Thaddäa Visconti von Mailand in zwei so
seltsam romantisch »abenteuerlichen Gestalten, wie
Isabeau, der Gemahlin des Königs Karl VI. von
Frankreich, und Ludwig VII. dem Gebarteten <1413
bis 1443) weiterlebte. Der prachtvolle Bau »unserer
lieben Frau« in Ingolstadt, die Grenzfeste Burghausen,

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