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KUNSTGEWERBE UND MESSEN.

Die Frage ob sich das Kunstgewerbe auf den
Messen beteiligen soll und ob irgendwie künstlerische
und wirtschaftliche Erfolge zu erzielen sind, ist viel
umstritten. Eine eingehende und ge-
wissenhafte Beantwortung wäre nur
möglich, wenn man sich zunächst da-
rüber klar würde, was ist Kunst-
handwerk, Kunstgewerbe u. Kunst-
industrie.

Während der einzelne Künste
handwerker, in der Hauptsache nur
einzelne Stücke anfertigt, beobachten
wir beim eigentlichen Kunstgewerbe*
treibenden, der teilweise mit Ge-
hilfen und Maschinen arbeitet, daß
derselbe imstande ist Gegenstände
mehrfach, dutzendmal u. noch öfters
herzustellen. Diese Gegenstände,
denen infolge des Entwurfes eine
bestimmte Persönlich5
keit zugrunde liegt
und deren technische

Ausarbeitung das
Vollendetste zeigt,
haben immerhin noch
den Anspruch auf

eine hochwertige,
kunsthandwerkliche
Leistung. Anders ist
es mit den Erzeugnis*
sen aus der Kunstin^
dustrie, welchen mei-
stenteils der Entwurf
eines Künstlers zu-
grunde liegt, die aber
tausendfach herge-
stellt werden, daher
können diese Erzeug*
nisse nicht mehr als
kunsthandwerkliche
Schöpfungen gelten,

sondern sind ge-
schmackvolle Han»
delsgegenstände für
den Weltmarkt. Der Weltmarkt braucht Erzeugnisse
derKunstgewerbetreibenden sowie derKunstindustrie.
Daß natürlich Messen der geeignetste Platz sind, diesen
Erzeugnissen den Weltmarkt zu erschließen, beweist
der Besuch von Messen durch Interessenten für das
Kunstgewerbe, wir meinen damit die Inhaber der

WANDSPIEGEL, Venetianisdie Arbeit in Knochen und Holz 1350-
Bayer. Nationalmuseum

sogenannten Kunstgewerbe = Magazine, Kunsthand-
lungen und ähnlicher Unternehmungen, die früher
ihren Bedarf durch persönlichen Einkauf in den Werk-
Stätten deckten, jedoch seit neuerer
Zeit durch die Organisationen der
Messen, wo vielfach Kunstgewerbe
zur Schau gestellt wird, eine Verein-
fachung und eine Erleichterung des
Einkaufs finden.

Um diesen Bedürfnissen Rech-
nung zu tragen und dem Sucher nach
Kunstgewerbe nach Möglichkeit ent-
gegenzukommen, hat sich eine sehr
starke Beteiligung der Kunstgewer-
betreibenden auf den Messen heraus*
gebildet. So finden wir heute den
Kunstgewerbetreibenden oder den
Kunstindustriellen teils vereinzelt als
Aussteller, teils in geschlossenen Or-
ganisationen in den
Messepalästen und
auch zentralisiert an
bestimmten Plätzen.
Besonders in Leipzig
zeigt sich dieses, wo
das Kunstgewerbe
nicht nur in den
Messepalästen, son-
dem zum Teil auch
im Grassi=Museum,
im Liburger = Haus
und in der Universi-
tat in geschlossenen
Organisationen als
Aussteller auftritt.
Die Leistungen des
Kunstgewerbes bie-
ten im allgemeinen
ein erfreulicheresBild,
besonders in Leipzig
sind solche zu beo-
Lachten, die in for-
maier, geschmack-
lieber und technischer
Hinsicht als Wertschöpfungen angesprochen werden
dürfen. Wenn auch nicht verkannt werden darf, daß
zum Beispiel im Grassi=Museum durch eine vielleicht
einseitig eingestellte Jury ein gewisser Grad von Be-
vormundung besteht, der gerade auf Messen nicht in
Erscheinung treten sollte, so darf dieses nicht als Vor^

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