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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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Dachauer Werbekunst
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0051
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Pappenfabrik das Werk zu schaffen, welches heute
mustergültig und farbenfroh aus einer Gruppe Wei^
den am Gröbenbach in die Landschaft leuchtet. Aus
dem alten Mühlbetrieb wurde ein Turbinen=Werk
geschaffen, welches mit Leichtigkeit die mechanische
Wollspinnerei und einen Teil der Färberei treibt. Eben-
so werden mit Wasserantrieb Schreinerei undDrechs-
lerei bedient, in welchen die nach schwedischen Vor-
bildern geschaffenen Webstühle hergestellt werden.
Zwei große ,,Handweb-Säle", bunt barock bemalt,
ergeben ein Bild von ganz eigenem Reiz. Linter sach-
verständiger Führung gelang es der Dachauer bo-
denständigen Bevölkerung Sinn und Verständnis für

die Webekunst wieder beizubringen. Abgesehen von
unerläßlichen mechanischen Vorrichtungen soll das Ge-
samtunternehmen nicht den Charakter einer Fabrik er-
halten.

Heute arbeiten etwa 50 junge Mädchen und Frauen
an den Stühlen und in der Färberei. Die Erzeugnisse
des Hauses finden nunmehr in Deutschland den ver-
dienten Beifall und haben auch den Weg ins Ausland
wieder gewonnen.

Dachau, der altbekannte Ort des bäuerlichen Kunst-
handwerkes, der Landschaftsmalerei, hat durch dieses
Werk eine Bereicherung erfahren, die Volkswirtschaft-
lieh nicht zu unterschätzen ist.

KLEINE MITTEILUNGEN

Notgemeinschaft der deutschen Kunst. Nach vieljährigen
Bemühungen kann jetzt die Notgemeinschaft der deutschen Kunst
ins Leben treten, nachdem der Reichstag den Betrag von einer
Milliarde für diesen Zweck in den Reichshaushalt eingesetzt hat.
Die Notgemeinschaft wird die Gebiete des Schrifttums, der Ton»
kunst und der bildenden Kunst umfassen und diese Zusammen»
arbeit wird voraussichtlich keinerlei Schwierigkeiten bieten, nach»
dem schon in den letzten Jahren die betreffenden Organisationen
sich an gemeinsames Vorgehen gewöhnt haben. Jede der drei
Künste wird ihr Gebiet in größter Selbständigkeit bearbeiten.
Nun heißt es, die Notgemeinschaft zur Arbeit zu bringen. Es
ergeben sich viele nicht leicht zu lösende Fragen, so vor allem die,
wer mit den Mitteln der Notgemeinschaft unterstützt werden soll.
Eine Reihe von deutschen Kunstausstellungen wurde mit Er»
■Werbungen aus Mitteln der Notgemeinschaft bedacht. Die Kunst»
werke sind für den Schmuck der Räume öffentlicher Gebäude des
Reichs und der deutschen Staaten bestimmt. Des weiteren hat die
Notgemeinschaft ein Viertel der ihr zur Verfügung stehenden
Gelder für Materialbeschaffung für die Künstler ausgeworfen, da
die heute so ungeheuerlich steigenden Kosten für den Künstler»
bedarf die Produktion schwer gefährden. Die Notgemeinschaft
der deutschen Kunst hat nach Vorbesprechungen in München und
in Berlin mit der Begründung eines Kuratoriums für die Material»
beschaffungsstelle in ihrer praktischen Wirksamkeit einen wich»
tigen Schritt vorwärts getan. Dieses Kuratorium ist dieser Tage
im Reichsministerium des Innern zu einer ersten Sitzung zusam»
mengetreten, in der die folgende Resolution gefaßt wurde, die dem
Reichstag, dem Reichsrat und dem Reichsfinanzministerium über»
sandt worden ist: „Dem zum ersten Mal versammelten Kura»
torium der Materialbeschaffungsstelle (Notgemeinschaft der deut-
schen Kunst) ist es ein Bedürfnis, dem Reichstag, dem Reichsrat
und dem Reichsfinanzministerium warmen und herzlichen Dank
der deutschen Künstlerschaft dafür auszusprechen, daß dem An»
trag des Reichsministeriums des Innern in ebenso großzügiger wie
rascher Hilfsbereitschaft entsprochen wurde. In einer Zeit, in der
jeder Tag Drüdendes zu dem schon kaum mehr Erträglichen auf»
häuft, wird eine soldeTat doppelt erfreuend und befreiend emp»
funden. Die Geldentwertung schreitet in erschreckendem Maße
fort. Nicht der Unbescheidenheit und der Unersättlichkeit, nur
dem Einblid. in die furchtbare Größe der Gefahren, die unserer
deutschen Kultur drohen, entspringt die Bitte, es noch nicht genug
sein zu lassen, mit dem was getan worden ist, und weitere Mittel

in naher Zukunft zu genehmigen. Die bedrängende, den Flug
starker Begabungen lähmende Not ist riesengroß."

Nichtkünstler als Kunsthochschuldirektoren. Zu dieser
umstrittenen Frage schreibt der„Vorwärts": Die Lehrerschaft der
staatlichen Akademischen Hochschule für die bildenden Künste in
BerIin»CharIottenburg hat in einer Eingabe an den Kultusminister
zu den Bestrebungen Stellung genommen, die Direktorenstellen
der Kunsthochschulen mit Verwaltungsbeamten oderKunsthisto»
rikern zu besetzen. In Frankfurt a.M., Düsseldorf und Stuttgart
sind solche Besetzungen in den letzten Monaten erfolgt, bzw.
stehen sie in Aussicht. „Diese Bestrebungen beruhen" so sagt
das Künstlerkollegium, „auf einem so völligen Mißverstehen,
einer so absoluten Unkenntnis einerseits der gestellten Aufgaben,
andererseits der Kenntnisse, die erforderlich sind, einen solchen
Posten auszufüllen, daß derartige Vorschläge auf das bestimmteste
zurückgewiesen werden müssen. Aus der Alternative, ob Ver-
waltungsbeamter oder Kunsthistoriker, geht zunächst hervor,
daß in ersterLinie derKünstler, also derFachmann, ausgeschaltet
werden soll, aber auch, daß ein Verwaltungsbeamter nicht unbe»
dingt nötig wäre. In der Tat kann das Verwaltungstechnische
durdi dem Direktor unterstellte Organe wie bisher durdiaus be-
wältigt werden. Das vom Leiter einer Kunstakademie zu for-
dernde Maß kunsthistorischer Kenntnisse besitzt jeder Künstler
ohnehin. <?) Hingegen besitzt weder ein Beamter noch ein Kunst»
historiker die Fähigkeiten, Erfahrungen und Fachkenntnisse, die
nur ein aus dem künstlerischen Beruf hervorgegangener Leiter
einer Kunstakademie haben kann und haben muß, um nicht als
gänzlich zwecklose, das Budget belastende und lediglich repräsen»
tative Figur zu erscheinen. Nach diesen Ausführungen ergibt sich
von selbst, daß für die Leitung von Hochschulen für die bildenden
Künste nur Maler oder Bildhauer in Frage kommen können." —
Es ist eine bekannte Tatsache, daß Fachleute — besonders wenn
sie nichts weiter als „Fachleute" sind — leicht zu einer Über»
Schätzung der mit ihrer Tätigkeit verbundenen Spezialkenntnisse
neigen und jeden als „Laien" betrachten, der nicht von der Zunft
ist. Die von der Berliner Kunstakademie aufgestellten Behaups
tungen und Forderungen sind daher verständlich, aber in ihrer
Verallgemeinerung nichts weniger als stichhaltig. Daß ein Ver-
waltungsbeamter ohne weiteres die Qualifikation für den Posten
eines Akademieleiters besitzt, wird niemand im Ernst behaupten
wollen i dasselbe gilt für den Kunsthistoriker. Wohl aber können
sich unter den Beamten wie unter den Kunstwissenschaftlern Per-

Kunst und Handwerk. Jahrgg. 1923. 3. Vierteljahrsheft

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