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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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Lill, Georg: Die Wittelsbacher und die bildende Kunst
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Kleine Mitteilungen /Aus dem Leben des Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0083
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Linderhof, Herrenwörth, Neuschwanstein) an den
Staat über. Wenn man diesen Vertrag im ganzen
überblickt, wird man sagen müssen, daß das, was der
Staat heute dem Hause Wittelsbach überläßt, ungefähr
im umgekehrten Verhältnis steht zu dem, was die
Wittelsbacher noch zurZeit ihrer Herrschaft demSlaate
und der Öffentlichkeit zur Nutznießung überlassen
haben!

In Zusammenhang mit dieser hochherzigen, einen
außerordentlichen künstlerischen wie realen Wert re»
präsentierenden Schenkung an das bayerische Volk
für ewige Zeiten hat sich der Münchener Kunstge»
werbeverein gedrungen gefühlt, dem jetzigen Chef
des Wittelsbaeher Gesamthauses, S. Kgl. Hoheit dem
Kronprinzen Ruppreeht von Bayern das Ehrenpro»
tektorat über den Verein anzubieten. Dieses Ehren»
Protektorat bedeutet ein doppeltes Symbol. Einmal
soll es auch äußerlich die Dankbarkeit nicht nur des
Vereins und des Münchener Kunstgewerbes, sondern
der bayerischen Künstlerschaft und des ganzen baye»
rischen Volkes zum Ausdrude bringen, die dem ge-
samten Hause Witfelsbadi zu schulden ist für das,
was es auf dem Gebiete der Kunst aus Bayern und
München gemacht hat, eine Dankbarkeit, die vielleicht
in einer Zeit der Wirrnis und des Zusammenbruchs
einzelnen verdunkelt und vergiftet werden konnte, die

dann aber wieder um so klarer aus der Tiefe auf»
taudien mußte. Dann aber soll es auch ein Symbol
für die Zukunft sein, daß in dem Neubau des Staates
Traditionen nicht vergessen werden dürfen, sondern
die alten Beziehungen zwischen angestammtem Für»
stenhaus und der Bevölkerung, die immer mehr als
ein staatspolitischer, durch Paragraphen aufzuheben»
der Vertrag waren, weitergepflegt werden sollen.
Keiner kann beim Neubau des Staates in den schwer»
sten Stunden des Vaterlandes vermißt werden, be-
sonders nicht der, der nicht nur die Traditionen seines
Hauses ererbt, sondern selbst der eifrigste Freund der
Kulturgüter ist. So können heute Männer, die man
nicht eines falschen Byzantinismus zeihen kann, weil
sie in innerer wie äußerer Freiheit ohne Hinbiide auf
Gnaden, die heute nicht mehr fließen können, zu ihrem
Entsdiluß gekommen sind, S. Kgl. Hoheit den Krön»
prinzen Ruppredit von Bayern als den Protektor ihrer
künstlerischen Bestrebungen begrüßen, der in den
jetzigen schweren Zeiten die Pflege „der kulturellen
Güter unseres Volkes erst recht als ererbte Pflicht des
Königshauses und seines Hauptes erblickt", und da»
mit konstatiert, daß „die traditionellen engen Bande,
die in Bayern von jeher das Herrscherhaus mit Kunst
und Handwerk verbanden, auch weiterhin eine äußere
Bestätigung und Bekräftigung erfahren".

KLEINE MITTEILUNGEN

Max Heilmaier f. Am 26. August 1923 starb nach mehr
als halbjährigem, schwerstem und qualvollem Leiden Max Heil«
maier, der Professor der Bildhauerkunst an der Kunstgewerbe»
schule in Nürnberg. Bis zum letzten Augenblick sozusagen an
seine Lebenskraft glaubend und bis in die letzten Stunden neue
künstlerische Ideen entwerfend, ging dieser tapfere, lebensmutige
und arbeitssamc Künstler nur zu bald aus einem Leben, das gerade
jetzt erst, in seiner Spätsommerzeit — er war 55 Jahre geworden —
besonders fruchtbar zu werden versprach. Auch hierin ganz die
schwere, zähe, langsam reifende Natur des Oberbayern ver«
körpernd, der nicht mit einem oder mehreren Blendern der ersten
keimenden Kraft überrascht, um dann zu erlöschen, sondern erst
in schwerem Ringen mit sich selbst, nach mehrfachen Umwegen
schon anfangs der Dreißig seinen eigenen Weg findet in den zwölf
Aposteln von Wasserburg, um dann wieder ein halbes Menschen«
alter später mit fünfzig Jahren sein reifstes und vollkommenstes
Werk, das seine künstlerische Persönlichkeit am reinsten der Zu»
kunft übermitteln wird: siin Kricgserinnerungsdenkmal mit dem
Auferstehenden in Hl. Geist zu Nürnberg, zu schaffen. Seine
blutmäßige Rasse: die phantasie-, gemüt«, formen« und sinnen-
frohe Natur des Altbayern spricht sich in seiner Kunst, die deshalb
auch so durch und durch deutsch ist, bis zum letzten aus. Nicht
ein ästhetisches Spiel, ein äußerliches Formen, ein flüchtiges Da«
hineilen war ihm die Kunst, sondern ein ethisches Wollen, ein aus
dem Innersten hervorquellendes Schaffen, ein siegreiches Beharren.
Darum mußte sich auch in seinen Werken männlicher Charakter,
blutvolles Volkstum und kernhafte Religiosität aussprechen. Und

wiederum deshalb brauchte er immer die Architektur, die festestge«
wachsene der Künste, als Folie, wenn er aus seinem Besten geben
sollte. Seine Werke mußten selbst verankert sein, sie können und
konnten nicht beweglich von einer Mietwohnung zu einer anderen
Sammlung verschoben werden. Sie brauchen die Hehrheit des
Raumes, aber auch die Gemeinschaft einer Gemeinde, die dieses
Ethos in sich aufnehmen kann. Mit einer gewissen Folgerichtig«
keit entwuchs Heilmaier jener Münchener Periode seiner Jugend«
und Lehrzeit, die man mit dem Schlagwort „unserer Väter Werk"
bezeichnet. Die nationale künstlerische Vergangenheit war ihm
allerdings mehr wie ein billiges Schlagwort, mehr auch als eine
bequeme Eselsbrücke für Gedanken« und Formenarmut, sie war
hm der eigentliche Mutterboden seiner Kunst, aus dem er ständig
neue Kraft zog, um sie selbst wieder organisch weiterzubilden.
Daraus erwuchs sein Abstand von modernen internationalen
Bestrebungen, die er mit der ganzen Kraft seiner männlichen Natur
verachtete, aber eben darin besteht seine eigenste Bedeutung,
die er in Deutschland nur mit Ignaz Taschner, erst in Abstand
mit Jakob Bradl teilt, eine Bedeutung, die sicher noch allgemein,
wenn auch nicht heute, ihre Anerkennung erfährt. Ist es nötig,
noch ein Wort über seine Persönlichkeit als Mensch zu sagen,
über diesen scheinbar ruhigen, ja verschlossenem, aber innerlich
kindlich heiteren, weil sich selbst sicheren Mann, der in froher
Gesellschaft, bei Musik und innerlich verwandter Gesellschaft seine
liebenswürdige Natur enthüllte ? Ich meine gerade in den Mün«
dienern Kreisen des Kunstgewerbevereins müßte dieser Zug am
tiefsten in der Erinnerung weiterleben, in dem München, das er

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