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haben in vorigem Winter diese Statue ff.eißig besucht
und gepriesen, und waren nicht die größten Vorzüge
derselben ein Hinderniß, sie zu verkaufen, so stände der
Ballspieler längst in der Gartenhallc eines Großen. Denn
heut zu Tage ist cs Mode, wie Sie wissen, das Schönste
dem Anstande zuwider zu achten. Ein zweiter Sünden-
fall ist bekanntlich seit zwanzig bis dreißig Jahren auch
in die Kunst gekommen, auch die Statuen schämen sich,
-unbekleidet zu seyn. Wo dieses Verdcrbniß seinen Anfang
nahm, weiß ich nicht; so viel weiß ich, daß ich dasselbe
hier vorfand, als ich den Norden noch in voller Unschuld
verlassen batte. Kümmel hat zu dieser schönen Figur
das Motiv von einem Ballonspieler, einem Liebling des
Publikums, vor etwa zwei Jahren hier in'Rom genom-
men. Von demselben Künstler werden Sie bald die Büste
des Herzogs Bernhard von Weimar dort sehen, und in
derselben einigen Anlaß finden, auf das größere Werk zu
schließen. *

Widmann aus München, ein noch jüngerer
Künstler, hat sich in den wenigen Jahren seines Hier-
fcyns durch Vasreliess und schon durch zwei Statuen
ausgezeichnet, in denen wir ihn mit eigener Jngendkrast
im classischcn Alterthume leben sehen. Seine thatige
Aufmerksamkeit sowohl auf Worte als Werke aller Art
aus jenen erhabenen Juhrhunderten trägt doppelt zu
feiner Förderung bei. Seine erste Statue war ein Cy-
pariffus, die zweite eine weibliche Figur, die ihr Gewand
auf der Schulter zu befestigen beschäftigt ist. Die Bas-
reliefs, die in seinem Studium zu sehen sind, machen
zugleich seiner Wahl der Gegenstände Ehre: Hylas, von
Nymphen herabgezvgen — Odysseus, am Hofe des Alki-
nvos von Demodvkos Gesänge bewegt, — Helena, von
der Venus dem Paris zugeführt.

v. Hoyer, aus Obersachsen, der ebenfalls erst
wenige Jahre hier ist, löste die schwere Aufgabe einer
Gruppe in Figuren über Lebensgroße: Oedipus und An-
tigone — und während er hier ein plastisches Liniengesühl
und tragischen Ausdruck entwickelte, hat er in einer Psyche,
die so eben fertig geworden, seine Kunde in weiblicher
Zartheit an den Tag gelegt. Von seinem Hofe auf einige
Jahre pensionirt, scheint es, daß ihn jezt seine Verhält-
nisse nach Hause rufen. Wie viel lieber würde er hier

* Diese Büste, lebensgroß in cararischem Marmor ausge-
führt, ist zugleich mit obiger Nachricht ci»getroffen,
und hat sich großes Wohlgefallen erworben. Die kräf-
tigen Züge des edlen Herzogs sind äußerst wahr und
schön aufgefaßt, und im Marmor mit größter Vollen-
dung wieder gegeben. Miene und Haltung sind bei
, großer Ruhe, von ausnehmender Lebendigkeit und durch
den milden freundlichen Ausdruck höchst ansprechend.
Weniger Beifall hat die etwas obligate Bearbeitung der
Haare gefunden. Die Büste ist ein Geschenk des Her-
zogs an S. K. H. den Großherzog.

bleiben, und seinen Oedipus nach Deutschland in die Vor-
halle irgend eines Palastes senden.

Mehrere Andere noch sind zu erwähnen, Matthiä,
ein Preuße, eben mit Thorwaldsen nach Kopenhagen
gegangen, und Scholl ans Hamburg, deren Geschick-
lichkeit von Thorwaldsen benüzt wird. Steinhäuser
ans Bremen, ein Schüler Henschels, erst wenige Jahre
hier, der sich gleich Anfangs durch eine weibliche Figur
auszeichnete, neuerlich aber durch langwierige Fieber un-
terbrochen wurde; Troscbel aus Preußen, jezt mit
Basreliefs von Kaiser Trajans Thaten, auf Bestellung,
beschäftigt, Wvltreck aus Dessau, dessen Rückkehr
aus Deutschland erwartet wird, wo er in München Auf-
träge hatte. — Aber die beispiellose Menge von Fremden
aller Nationen hindert mich am Weiterschreiben — ein
anderes Mal also von Anderem. — Kaum meine halbe
Zeit gehört mir, ich muß mich daher, mein Herz getheilt
unter Kunst und dem Wohl meiner Landsleute, für heute
auf dies Wenige und Flüchtige beschränken.

Carlsrnher Aunstlcistung. September 1838,

Die diesjährige Kunstausstellung, die historischem
Productivnen abgerechnet, an denen ein fühlbarer Mangel-
war, übertraf an Menge und Gehalt noch die vorjährige,
Faßt man die Erscheinungen in ein Ganzes zusammen,
so drängen sich dem Beschauer Betrachtungen auf, iw
denen er es sich selber klar macht, wie weit die Kunst iw
ihrem Fortschreiten gekommen sey.

Die Genremalerei wird, so liegt es in ihrem Wesen,
immer mehr in ihrem Reichthume sich ansbreiten, wenn
der Sinn für das menschliche Leben überhaupt sich er-
schließt und die Wiederspicgelnng des Lebens in dem
Gemüthe des Malers vorgeht, der, ähnlich dem Roman-
dichter, die schöne Bedeutung menschlicher Verhältnisse,
rein abbildend oder in einer komischen Umkehrung auf-
sucht und an die Menschheit znrückgibt. Beide, Dichter
und Maler, werfen den Lichtstrahl der Verklärung auf
das, was nur gemein scheint, aber doch im Grunde, iw
tieferer Bedeutung, cs nicht ist. Auch eine komische
Verzerrung deutet ja auf die edleren Formen. Nach und
nach will eS daher den Künstlern in die Seele kommen,
daß das Genre nicht bloß ein ungefähr Aufgegriffenes der
Darstellung sey, sondern daß auch ein gewisser Sinn
darin liegen müsse, und die Besseren der Künstler sind
es eben, welche zugleich ideale Reize damit zu vermählen
suchen. Denn auch der Gcnremaler entbehrt der Grazien
nicht, die ihn leiten. Wo also noch nur Gemeines fick)
sich in einer Darstellung findet, da wird es sich selber
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