Prinzipien der Textgestaltung

Die Texte von Iwein – digital bestehen grundsätzlich aus zwei Schichten: der Transkription der Handschriften und der editorischen Bearbeitung derselben durch Normierungen, Korrekturen und Zeichensetzung.

Die Transkriptionen

  • Transkribiert werden alle Zeichen so exakt wie möglich. Das gilt nicht nur für Buchstaben, sondern auch für (seltene) handschriftliche Interpunktion, Reimpunkte, Wortgrenzenmarkierungen, Lagensignaturen, Überlaufzeichen bei Zeilenüberhang, Trennungs-, Einweisungs-, oder Umstellungszeichen.
  • Nicht erfasst wird hingegen, was für den Textbestand mit Sicherheit irrelevant ist. Darunter fallen Materialbeschädigungen, soweit sie keinen Textverlust bedingen, Verzierungen außerhalb des Schriftspiegels, Federproben etc. In Zweifelsfällen wird das betreffende Element in einer Anmerkung beschrieben.
  • Zusatztexte wie Schreiber-Titel oder Explicit-Formeln werden als solche erfasst und kodiert.
  • Zeilenfall, Seitenwechsel und Spaltenwechsel der Handschrift werden getaggt, um eine exakte Text-Bild-Korrespondenz zu ermöglichen.
  • Die Verszählung richtet sich nach der Ausgabe von Karl Lachmann, die in der Forschung etabliert ist. Korrespondierende Verse können dadurch in der Synopse synchronisiert werden. Zusatzverse gegenüber Lachmanns Text werden nach dem Usus der Iwein-Forschung mit einer durch Komma getrennten sekundären Zählung (z.B. 23,1) nummeriert.
  • Als Lücken gelten nur jene Fälle, bei denen (späterer) Materialschaden zu Textverlust geführt hat, nicht fehlende Verse des Lachmann-Textes. In der Transkription wird (so exakt wie möglich) die Anzahl der verlorenen Zeichen oder Zeilen notiert.
  • ›Alte‹, d.h. mittelalterliche bzw. frühneuzeitliche Schreiberkorrekturen (z.B. Tilgungen, Einfügungen, Substitutionen oder Umstellungen) werden transkribiert. Spätere, neuzeitliche Einfügungen werden allenfalls in Anmerkungen berücksichtigt. Komplexe Korrekturphänomene, die sich in der Kodierung nur ungenügend abbilden lassen, werden kommentiert.
  • Unsicher Lesbares wird transkribiert, wenn es irgend möglich ist, jedoch wird auf die Unsicherheit mittels Kodierung hingewiesen.
  • Die Worttrennung der Handschrift wird beibehalten. Wo eine Entscheidung zwischen Spatium und Zusammenschreibung objektiv nicht möglich ist, richtet sich die Transkription nach dem sonstigen Usus der Handschrift.
  • Bei der Transkription wird der Text tokenisiert, d. h. dass – aus linguistischer Perspektive – jedes Wort als solches digital erfasst wird. Manche Wörter werden in der Handschrift zusammen geschrieben, müssen aber separat tokenisiert werden; das Spatium zwischen den Worten fällt in diesem Fall weg. Umgekehrt werden Buchstabenfolgen, die linguistisch zu einem Wort zusammengehören, im Überlieferungszeugen aber eine oder mehrere Trennungen (Spatien) enthalten, entsprechend als ein einziges Token erfasst.
  • Buchstaben des lateinischen Alphabets werden grundsätzlich nach den modernen Gepflogenheiten normiert. So wird etwa nicht zwischen verschiedenen handschriftlichen Formen von d, i, r, s differenziert. Ausgenommen davon ist lediglich das Schaft-s ⟨ſ⟩, weil es aufgrund seiner Ähnlichkeit zu ⟨f⟩ schon in 'alter' Zeit häufig für Verlesungen/Verschreibungen sorgt.
  • Die Groß- und Kleinschreibung wird beibehalten. Ggf. ist von Handschrift zu Handschrift (besonders in Bastarda-Codices) separat zu definieren, was als groß und was als klein geschrieben gilt. Von einer Majuskel wird in der Regel ein gegenüber der Minuskel unterschiedlicher Schriftzug erwartet.
  • Als litterae notabiliores gelten hervorgehobene Buchstaben, meist am Versanfang; das können Initialen sein oder nach links herausgerückte Versalien oder rot rubrizierte Versanfänge. Sie werden immer mit einer Majuskel wiedergegeben, auch wenn der Buchstabe die Gestalt einer (eventuell vergrößerten) Minuskel hat. Die Kodierung erfasst die Art der Hervorhebung. Auch bei Handschriften ohne Hervorhebung der Versanfänge, die aber regulär Majuskeln verwenden, erfassen wir Grapheme am Versanfang, die die Form von Minuskeln haben, als Majuskeln.
  • i und j (sowie y) werden unterschieden, wenn eine Handschrift deutliche Tendenzen zu einer graphematischen Unterscheidung erkennen lässt (meist bei Textualis-Handschriften).
  • Die in der Textausgabe optionale Regularisierung von i und j bzw. u und v nach vokalischem und konsonantischem Lautwert wird während der Transkription kodiert.
  • Superskripte werden präzise transkribiert (z. B. hochgestellte Buchstaben, Umlautzeichen, Akzentzeichen etc.).
  • Diakritika stehen über/unter dem Laut, auf den sie sich funktional beziehen. Etwaige horizontale Verschiebungen, wie sie in den jüngeren Papierhandschriften häufig sind, werden also nicht abgebildet.
  • Abbreviaturen werden als solche erfasst, gleichzeitig wird ihre Auflösung kodiert, sodass bei der Textausgabe benutzerseitig zwischen Abbreviatur und Auflösung gewählt werden kann.

Editorische Prinzipien

  • Eine Umsetzung der Texte in ein ‚klassisches‘ Mittelhochdeutsch stünde dem textgeschichtlichen Prinzip dieser Edition entgegen. Wir edieren daher die verschiedenen Texte derart, dass ihr Lautstand möglichst gewahrt wird.
  • Wir setzen im Prinzip auch keine Längenzeichen über Vokale (^). Wir gehen davon aus, dass eine anzunehmende Vokallänge in der Regel vom Leser leicht erkannt werden kann. Ausnahmen machen wir nur, wo eine Verwechslung möglich ist, namentlich bei den mundartlich bedingt konkurrierenden Präpositionen an und ân (‘an’ und ‘ohne’). Und wir respektieren die (unsystematische) Längenmarkierung der Handschrift B.
  • Aus demselben Grund gelten unreine Reime oder metrische Überlängen bzw. Kürzen nicht als Fehler, sondern als Dokumentation dessen, was für Schreiber wie Zuhörer akzeptabel war.
  • Unsere Aufarbeitung besteht in Normalisierungen, Zeichensetzung und eventuell in korrigierenden Eingriffen. Normalisierungen werden nicht dokumentiert: sie sind durch das Umschalten in den Transkriptionsmodus jederzeit nachvollziehbar. Eingriffe in den Text werden, wenn sie nicht selbstverständlich sind, in einer Anmerkung rechtfertigt.

Editorische Normalisierungen

  • Den für mittelalterliches Schrifttum typischen wechselnden Gebrauch von ⟨u⟩ und ⟨v⟩ normalisieren wir: ⟨u⟩ bezeichnet den Vokal (vndund), ⟨v⟩ den Konsonanten (grauegrave). Dasselbe gilt für ⟨i⟩ und ⟨j⟩ (vokalisch jmmerimmer; halbvokalisch iamerjamer); einzig bei Formen mit ⟨ie⟩ behalten wir das ⟨i⟩ bei, weil unklar ist, wann sich das /i/ im Hyat in einen Halbkonsonanten verwandelt hat. Auch die oft vorkommende Schreibung ⟨w⟩ für /wu/, manchmal auch für ⟨vu⟩ normalisieren wir (wrdenwurden; wrtevurte). Dasselbe gilt für die im 13. Jahrhundert häufige Verwendung von ⟨c⟩ anstelle von ⟨z⟩ (dac herce), die wir in ⟨z⟩ vereinheitlichen.
  • Abbreviaturen lösen wir je nach Position und Bedeutung auf. Über die Optionssteuerung lassen sie sich kursiviert oder einfach aufgelöst darstellen.
  • Diakritische Zeichen werden unterschiedlich behandelt. Sollen sie einen Umlaut kennzeichnen, werden sie als solcher dargestellt, z.B. ⟨uͤ⟩ ⟨vͤ⟩ ⟨v̂⟩ ⟨ü⟩ ⟨ú⟩ für /ü/ werden zu ⟨ü⟩, ⟨oͤ⟩ ⟨ó⟩ ⟨ö⟩ für /ö/ werden zu ⟨ö⟩, oder ⟨ä⟩ ⟨á⟩ für /ä/ werden zu ⟨ä⟩. Markieren die Diakritika hingegen einen Diphthong, so werden sie aufgelöst: z.B. ⟨uͦ⟩ → ⟨uo⟩, ⟨oͮ⟩ → ⟨ou⟩ oder auch ⟨uo⟩ (in Hs. A). Ist jedoch kein Lautwert ersichtlich, dann lassen wir das Diakritikum im Editionsmodus weg: ⟨ú⟩ für /u/ → ⟨u⟩, eẃ für /eu/→ ⟨ew⟩, aẃ für /au/ → ⟨aw⟩, usw. Bei ⟨y⟩ ⟨ÿ⟩ ⟨ẏ⟩ mit Lautwert /i/ normalisieren wir zu ⟨i⟩; im Hiatus (meist durch den übergestellten Punkt markiert) schreiben wir /î/: keẏ → Keî. In Hs. d ist es manchmal zweifelhaft, ob und wie ein Supraskript aufgelöst werden soll. Wir verfahren auch dort nach denselben Prinzipien, behalten im Zweifelsfall aber den Supraskript.
  • Mit Ausnahme von Handschrift d (Ambraser Heldenbuch), die Ansätze einer Groß- und Kleinschreibung aufweist (Großschreibung zahlreicher Pronomina oder Substantive der höfisch-ritterlichen Welt), beschränkt sich Großschreibung in der Regel auf Initialen und Versanfänge. Initialen geben wir als Großbuchstaben wieder, außer in den Fällen, in denen sie offensichtlich mitten im Satz stehen. Versanfänge normalisieren wir zu Minuskeln. Namen schreiben wir groß. Nur vereinzelt behalten wir Majuskeln am Wortanfang bei, wenn wir der Meinung sind, dass es sich um ein in irgendeiner Weise betontes oder hervorgehobenes Wort handeln könnte.
  • Wir vereinheitlichen weitgehend die Zusammen- und Getrenntschreibung nach linguistischen Kriterien. Getrennt geschriebene Präfixe oder eindeutige Komposita werden zusammengeschrieben. Proklitisch angehängte Präpositionen (zetuon, zeherzen) trennen wir. Präpositionaladverbien (war umbe, da mite) und trennbare präpositionale Präfixe (ane sehen) erfassen wir zwar als linguistisch getrennte Worte, richten uns in der Schreibung aber nach der Handschrift. Auch bei pro- und enklitischen Negationen an Verben (ensprach, nist) und Pronomina (ern, dun, auch Demonstrativpronomina desn), sowie bei an Verben enklitisch angefügten Pronomina (sageter, auch Doppelpronomina hastus) halten wir uns an die Schreibung der Handschrift. Auch bei Kombinationen mit ander- (ander hande) richten wir uns in der Schreibung nach der Handschrift, auch wenn wir getrennt tokenisieren; nur anderstunt gilt als ein Wort.
  • Eigennamen vereinheitlichen wir behutsam nach denselben Kriterien, nicht aber, wo möglicherweise signifikante oder auffällige Varianten auftreten, z.B. Iwotyn für Iwein.
  • Bei Schreibungen, die nach unserem Ermessen die Lesbarkeit erschweren, normalisieren wir behutsam. Besonderheiten einzelner Handschriften werden in der jeweiligen Beschreibung verzeichnet. Hierzu gehören z.B. der Gebrauch von ⟨s⟩ für /∫/ in Hs. D, das wir zu ⟨sch⟩ normalisieren: rittersaftritterschaft; oder eventuelles Auftreten von ⟨i⟩ für /ü/ (wirdewürde). Es ist meist eine Ermessensfrage, bei der kaum eine Kohärenz zu erzielen ist.
  • Diphthonge, besonders solche mit Umlaut, belassen wir im Originalzustand.
  • Zu Normalisierungsvorgänge, die nur einzelne Handschriften betreffen, vgl. die Beschreibung der Überlieferung.

Editorische Zeichensetzung

  • Zu den editorischen Normalisierungen gehört, dass wir die sehr seltene Zeichensetzung der Handschriften entweder, wenn es sinnvoll ist, durch moderne Zeichen ersetzen oder (z.B. im Fall von Reimpunkten) im Editionsmodus nicht wiedergeben.
  • Die übrige Zeichensetzung ergänzen wir nach modernen Regeln und entsprechend unserem Verständnis des Textes. Manchmal akzeptieren wir Apokoinu-Konstruktionen, indem wir keinen Punkt setzen. Direkte Rede wird durch sog. guillemets angezeigt, indirekte Rede durch einfache Anführungszeichen markiert. Nach inquit-Formeln setzen wir Doppelpunkt; nach zwar, deiswar, entrüwen, etc. setzen wir Komma. Einfache Appositionen wie got der guote oder Artus der kuning trennen wir nicht mit Kommata.

Editorische Eingriffe

Die Kriterien für editorische Eingriffe werden erst veröffentlicht, wenn die ersten Editionen vorliegen.