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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0002
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58 Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenan

leihen. Die Farbe ist nie fehlendes, von vornherein vorgesehenes
Mittel der Schilderung.

Wir finden dieselbe Farbenleiter, dieselben Farbtöne, dieselben
Grundsätze in ihrer Verwendung stets mit den Umrissen des Zeichners
A verbunden. Wir finden andererseits diese Art der Bemalung nur
in seinen Bildern. Auch da, wo ein anderer Zeichner mit A eine
Hs. illustriert hat, theilt er die Bemalung nicht mit ihm. So sind wir
zu dem Schluss berechtigt, dass A seine Zeichnungen auch selbst aus-
gemalt hat. Sonst müssten wir annehmen, dass er von seinem ersten
bis zum letzten Werke einen Maler neben sich hatte, der alles, was
er zeichnete, malte, aber auch nichts anderes malte als das. Ich meine,
diese Annahme wäre eine allzu künstliche.

A verwendet folgende Farben: Rothbraun, eine glänzende, wo
satt aufgetragen, brüchige Farbe, bald mehr roth, bald mehr braun,
bald blass, bald kräftig.l) Purpurrot!). Karmin (fast nur für Blut und
Flammen). Dunkles Kaffeebraun (immer verdünnt). Schwarz. Leuch-
tendes Blau. Stumpfes, helles Grün. Strohgelb.

Die Farbe füllt bald gleichmässig den ganzen Umriss, bald dient
sie nur zur Modellierung, die Lichter werden ausgespart. Allein auch
die weitere Möglichkeit ist ausgewertet: es wird in zwei Tönen gemalt.
Auf gleichmässig hellem Grund werden die Schatten dunkler ein-
getragen. So sind purpurrothe, grauschwarze, grüne Gewänder be-
handelt. Die fast allen Arbeitern der Werkstatt gemeinsame Gewohnheit,
den Boden und das Baumlaub erst grün und darüber gelb (oder um-
gekehrt) anzustreichen, findet sich auch hier. Dagegen kommt der
bei andern Malern sehr beliebte Brauch, z. B. ein Gewand in zwei
verschiedenen Farben zu behandeln, bei A so gut wie gar nicht vor.

Bei dem Charakter der Zeichnung, wie wir ihn oben zu um-
schreiben versuchten, werden wir keine starke, noch weniger bewusste
Auflehnung gegen die überkommene Werkstattübung erwarten dürfen.
In der That beharrt A durchaus auf der einmal erreichten Kunststufe.
Ab und zu gelingt eine Gestalt, eine Bewegung, die Wiedergabe eines
Affectes, eine Gruppe. Von einem Schritt nach der Erfassung eines
grundsätzlichen Realismus dagegen über das Gesammtvermögen der
Sehreibstube hinaus findet sich keine Spur. Seine Gestalten haben
einen bestimmten Schein von Lebensfähigkeit, aber sie sind nicht Ab-
bilder wirklichen Lebens,2) sie führen ein Leben für sich. Ihre Auf-
gabe ist das Wort zu erläutern, sie sind nicht entstanden aus dem
Drang, die wechselnden Bilder des Auges getreu wiederzugeben.

Wir haben daher das Recht, den Zeichner A als den eigent-

1) Absichtlich sind alle Angaben über Farbstoffe vermieden. Mit
dem Herumrathen ist doch nichts gethan, und ohne chemische Untersuchung
einerseits, bestimmte geschichtliehe Nachrichten über Farbenbereitung anderer-
seits ist jeder Willkür Weg gebahnt.

Dieses Rothbraun weist übrigens hier und ebenso in obersehwäbisehen
Hss. einen lackartigen Glanz auf, der nur von einem harzigen Bindemittel
herrühren kann.

2) So kann es uns nicht Wunder nehmen, noch blaue Pferde zu treffen.
 
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