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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0045
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102 Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau

L.

Von dem ersten Zeichner, der den weitaus grössten Theil der
Wolfenbütteler Bibel gezeichnet hat, besitzt auch die Heidelberger
Bibliothek eine Hs. Es fehlt also nicht an Stoff, den interessanten
Meister kennen zu lernen.

Seine Technik ist der gezogene Stil. Die Linien sind ziemlich dick,
gerade, holzschnittartig. Alle Modellierung ist der Farbe überlassen.
Da — um dies schon hier zu bemerken — die Bemalung seiner Bilder
sich von der der übrigen in der Wolfenb. Handschrift ebenso völlig
unterscheidet, wie sie sich mit der der zweiten Hs. unsers Zeichners
in Heidelberg deckt, so muss man m. E. annehmen, dass er seine Bilder
auch selbst bemalt hat. Ich ziehe daher die Art der Farbengebung
sofort zur Kennzeichnung des Meisters mit heran.

Seine Landschaft ist erheblich besser, als die irgend eines anderen
Zeichners. Er, der erste, hat ein unbestreitbares Gefühl für Raumtiefe.
Betrachten wir z. B. das Schöpfungsbild (fol. 15). Da ist an die Stelle
des üblichen Nebeneinander der erforderlichen Bestandstücke eine wirk-
lich mögliche Scene getreten. Perspectivisch richtig ist das Wasser
zwischen dem Ufer, auf dem der Schöpfer steht, und den Hügeln, die
den Hintergrund einsäumen, untergebracht. Weiter gelingt es, ver-
mittelst der Farbe (Grün, Gelb, Rothbraun) den Erdboden realistisch zu
gestalten. Und auch in die Laubmasse der Bäume bringt die Be-
malung Leben. Deutlich heben sich die getupften helleren Lichter
vom dunkeln Grund1) der gut beobachteten Baumkrone ab. Und noch
weit mehr: diese Bäume spiegeln sich im Wasser! Wenn nun auch
gar nicht gesagt werden soll, dass unser Zeichner in allen Stücken
einem grundsätzlichen Realismus nachgeht, soviel erhellt doch aus dem
beschriebenen Bild: ihm beginnt die Natur Selbstzweck der Schilderung
zu werden.

Freilich, es ist nur Vordergrund, was er giebt, aber fast realistisch
wahrer. Dahin gehört auch, dass eine Stadt nur noch abschnittweise,
vom Bildrand grösserntheils überschnitten, gezeichnet wird, dass die
Innenräume sich dehnen, wenn sie auch den Bogen an der Vorderseite
noch nicht sofort verlieren, dass alle Verhältnisse im Einzelnen besser
werden, obgleich noch nicht vollkommen. Lebensfähigkeit verrathen
auch seine Gestalten. Derb und eher untersetzt als schlank sind die
Körper, der Kopf rundlich, die Gesichtslinie meist ganz charakteris-
tisch. Die Nase mit dicker Kuppe, die grossen runden Augen, die
rothen Lippen sind nicht gerade sorgfältig gezeichnet, wiederholen
sich auch innerhalb bestimmter Grenzen vielfach. Besonders bezeich-
nend sind die niedergeschlagenen oder geschlossenen Augen, welche
häufig vorkommen, kugelrund, unten durch eine doppelte Falte abge-
schlossen. Modelliert ist das Gesicht mit rothen Pinselstrichen. Das

1) Dieser Zug, der auch der oberschwäbischen Buchmalerei eignet, ist
ganz so in der Tafelmalerei verbreitet. Er darf also kaum als Stilist. Merkmal
Albrecht Altdorfers verwerthet werden.
 
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