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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0049
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106 Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau

0. (36)

Dem Zeichner1) des palat. germ. 339 ist vor allem eine überaus
saubere Zeichenweise nachzurühmen. Fest und sicher umreisst er seine
Gestalten. Ebenso sauber coloriert er sie. Er übt den „gestrichenen"
Stil, ist aber sehr sorgsam und gewissenhaft in der Federführung. Die
Striche sind ohne sonderliche Anschwellung in der Mitte und nicht
sehr stark. Der Bodenstreifen ist ohne jede Vegetation. Hie und da
begegnen Felsen einer nicht sehr weit entwickelten, aber um so weiter
verbreiteten Form2), rosa gefärbt. Die Bäume, welche vorkommen,
haben den üblichen oben verästelten Stamm und eine aus grossen
Blättern oder unregelmässiger grüner Masse gebildete Krone. Die
Architectur steht etwa auf der Stufe, welche B erreicht hatte. Auch
Innenräume begegnen noch nicht. Allermeist ist die Scene ohne Weiteres
auf den grünen Bodenfleck verlegt. Oder es tritt vereinzelt ein kapel-
lenartiger, gewölbter, vorn offener Raum auf. Die Aufgabe, Personen
in dieser Welt unterzubringen, führt zu den stärksten Missverhältnissen,
Unmöglichkeiten und Gewaltsamkeiten. Die üblichen „Hügel", hinter
denen Reiter halb überschnitten auftauchen, die niedrigen Tische
mit steiler Platte sind noch nicht das Gröblichste. Da finden sich
Sigune und ihr toter Gemahl auf dem Baum einfach als Brustbilder
gezeichnet: das Übrige fehlt. Der Kirchhof, in dem die Bahre mit
dem toten Gahmuret steht, ist so klein, dass er nicht einmal die um
den Erschlagenen trauernde Gattin aufnehmen konnte: sie ist hinter
dem Ganzen wieder als Brustbild gezeichnet u. s. f.

Wo es irgend geht, begnügt sich der Zeichner damit, seine grossen
sauberen Gestalten einander gegenüber zu stellen. Es sind meist ge-
drungene, kräftige Körper von vollen Formen. Hände und Füsse sind
im Allgemeinen gut gezeichnet, etwa wie die A's, nicht roh umfahren
wie bei C. Die Köpfe sind gross. Das Gesicht bildet ein volles stumpfes
Oval. Wird es mehr seitlich gesehen, so ist das weit vorgeschobene
Kinn abgesetzt. Daneben kommen auch Gesichter von der Form D's
vor (mit starker Einziehung in Augenhöhe und spitzem Kinn). Im
VoUprofil die üblichen charakteristischen Nasen. Das Haar besteht
aus reichlich durch einander gewirrten feinen Wellenlinien: eine Form,
die nur noch F mitunter eigen ist. Die Lippen sind durch zwei rothe
Striche hervorgehoben.

Die Tracht ist die übliche der fünfziger Jahre: das üppige Zaddel-
werk ist beschränkt und hat knapperen Formen Platz gemacht. Schon
taueht der modische Rock mit Halskragen, vorerst noch vorn ge-
schlossen, auf. Lange Gewänder fallen recht gut und brechen sich
durchaus scharf. Dabei hat unser Zeichner eine bestimmte Vorliebe
für ein geradlinig in stets wiederkehrender Weise gebrochenes, nach-
schleppendes Stück Gewand, eine Art Schleppe. Und ähnlich lässt
er gern die Enden des um den Kopf geschlungenen Tuches in langen,

1) Vgl. die Abbildungen in Könneckes Bilderatlas S. 38.

2) Vgl. beispielsweise den Holzsehnitt des Germ. Mus. Tafel 3.
 
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