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1. Einleitung
A. Der Neue Weg als Zentrum und Geschäftsstraße der Stadt Norden
Der heutige Grundriss der Innenstadt von Norden zeigt ein zentrales, von
rechtwinkligen Straßen eingefasstes Karree, in dessen Zentrum die Ev. St.
Ludgerikirche liegt. Das Langhaus der Ludgerikirche, benannt nach Liudger, später
Bischof von Münster (|809), wurde 1235 bis 1250 als erstes der heute
ortsbildprägenden Bauwerke am Marktplatz errichtet. Ufke Cremer vermutet in dem
regelmäßigen Grundriss der Siedlung um die Kirche wohl nicht zu unrecht eine
planmäßige Gründung. Aber auch Mathilde Imhoffs Überlegung, die Anordnung der
Gebäude sei eine gewachsene Struktur an einem alten Handelsweg, erscheint
nachvollziehbar (Abb. 192).1 Dieser Weg, entlang der heutigen Verkehrsachse
Wester-/Osterstraße, verlief über Arle, Wittmund, Jever und führte zum Bischofssitz
Bremen, zu dessen Diözese Norden im Hochmittelalter gehörte. Es lag für Missionar
Liudger wahrscheinlich nahe, an dieser Route im Gau Nordendi seinen Sitz einzu-
richten.
Neben dem genannten zentralen Karree ist eine Stadterweiterung im Südosten mit dem
Neuen Weg als Hauptachse kennzeichnend für den Grundriss der Stadt. Dass die
Siedlung in Richtung Süden expandierte wird zweifelsohne durch die Folgen schwerer
Sturmfluten bedingt gewesen sein. 1326 entstand bei einer solchen Sturmflut
(Marcellusflut) zunächst im Westen die Leybucht. Nach weiteren verheerenden Sturm-
fluten im Jahr 1373 (1. Dionysiusflut) und 1377 (2. Dionysiusflut) war die Nordsee
soweit zur Stadt vorgedrungen, dass Norden offener Seehafen werden konnte.
Südöstlich des alten Stadtkerns von Norden lag bis zum 15. Jahrhundert eine
Gemeindeweide, der „Hammerk“. Mit zunehmender Bebauung der „Langen Lohne“
- so der ältere Name des Neuen Weges2 - verschob sich der Hammerk weiter nach
Süden, in Richtung der natürlichen Bucht. Der Name „Neuer Weg“ lässt auf eine
Erweiterung des älteren Siedlungsgrundrisses von Norden schließen. Gleichzeitig ist zu
hinterfragen, weshalb diese Erweiterung nicht von der Ludgerikirche in der Ortsmitte
ausging. Von der südwestlichen Ecke des Altstadt-Karrees hätte eine direkte
Verbindung zwischen dem Markt und dem Zugang zum Hafen angelegt werden können.
Demnach wurde die Stadterweiterung anscheinend nicht planmäßig durchgeführt,
sondern sie entwickelte sich entlang einer geraden, schon länger bestehenden Straße.
Die Straßenbezeichnung „Neuer Weg“ lässt sich in einem Bericht der Norder
Mennonitengemeinde über die Auswirkungen der Sturmflut von 1717 nachweisen:
„1717 den 25. December op Christnacht. Hebben hier in dezen nacht een schriklyk
watervloed gehad, zo dat het water te Norden is geweest tot voorby de school in de
Sylstrate en rolt vortweg in ’t huis tegen over de kleine Nye Strafe. Up de Nye Weg voren
de Boot... ‘ä
CANZLER 1989, S. 9, hier näheres zu den weiteren Sakralbauten. 1277 erhielt Norden mit der
Gründung des »novus magistratus« Stadtcharakter. 1285 wurde Norden „Stadtgemeinde“, 1288 mit
Baubeginn der Andreaskirche Stadt.
Nach Ufke Cremer wurde der Neue Weg bis 1500 als ,Lange Lohne“ bezeichnet. CREMER 1955,
passim; vgl. CANZLER 1989, S. 120.
Zit. nach CANZLER 1989, S. 120; zu den Mennoniten S. 69f.
1. Einleitung
A. Der Neue Weg als Zentrum und Geschäftsstraße der Stadt Norden
Der heutige Grundriss der Innenstadt von Norden zeigt ein zentrales, von
rechtwinkligen Straßen eingefasstes Karree, in dessen Zentrum die Ev. St.
Ludgerikirche liegt. Das Langhaus der Ludgerikirche, benannt nach Liudger, später
Bischof von Münster (|809), wurde 1235 bis 1250 als erstes der heute
ortsbildprägenden Bauwerke am Marktplatz errichtet. Ufke Cremer vermutet in dem
regelmäßigen Grundriss der Siedlung um die Kirche wohl nicht zu unrecht eine
planmäßige Gründung. Aber auch Mathilde Imhoffs Überlegung, die Anordnung der
Gebäude sei eine gewachsene Struktur an einem alten Handelsweg, erscheint
nachvollziehbar (Abb. 192).1 Dieser Weg, entlang der heutigen Verkehrsachse
Wester-/Osterstraße, verlief über Arle, Wittmund, Jever und führte zum Bischofssitz
Bremen, zu dessen Diözese Norden im Hochmittelalter gehörte. Es lag für Missionar
Liudger wahrscheinlich nahe, an dieser Route im Gau Nordendi seinen Sitz einzu-
richten.
Neben dem genannten zentralen Karree ist eine Stadterweiterung im Südosten mit dem
Neuen Weg als Hauptachse kennzeichnend für den Grundriss der Stadt. Dass die
Siedlung in Richtung Süden expandierte wird zweifelsohne durch die Folgen schwerer
Sturmfluten bedingt gewesen sein. 1326 entstand bei einer solchen Sturmflut
(Marcellusflut) zunächst im Westen die Leybucht. Nach weiteren verheerenden Sturm-
fluten im Jahr 1373 (1. Dionysiusflut) und 1377 (2. Dionysiusflut) war die Nordsee
soweit zur Stadt vorgedrungen, dass Norden offener Seehafen werden konnte.
Südöstlich des alten Stadtkerns von Norden lag bis zum 15. Jahrhundert eine
Gemeindeweide, der „Hammerk“. Mit zunehmender Bebauung der „Langen Lohne“
- so der ältere Name des Neuen Weges2 - verschob sich der Hammerk weiter nach
Süden, in Richtung der natürlichen Bucht. Der Name „Neuer Weg“ lässt auf eine
Erweiterung des älteren Siedlungsgrundrisses von Norden schließen. Gleichzeitig ist zu
hinterfragen, weshalb diese Erweiterung nicht von der Ludgerikirche in der Ortsmitte
ausging. Von der südwestlichen Ecke des Altstadt-Karrees hätte eine direkte
Verbindung zwischen dem Markt und dem Zugang zum Hafen angelegt werden können.
Demnach wurde die Stadterweiterung anscheinend nicht planmäßig durchgeführt,
sondern sie entwickelte sich entlang einer geraden, schon länger bestehenden Straße.
Die Straßenbezeichnung „Neuer Weg“ lässt sich in einem Bericht der Norder
Mennonitengemeinde über die Auswirkungen der Sturmflut von 1717 nachweisen:
„1717 den 25. December op Christnacht. Hebben hier in dezen nacht een schriklyk
watervloed gehad, zo dat het water te Norden is geweest tot voorby de school in de
Sylstrate en rolt vortweg in ’t huis tegen over de kleine Nye Strafe. Up de Nye Weg voren
de Boot... ‘ä
CANZLER 1989, S. 9, hier näheres zu den weiteren Sakralbauten. 1277 erhielt Norden mit der
Gründung des »novus magistratus« Stadtcharakter. 1285 wurde Norden „Stadtgemeinde“, 1288 mit
Baubeginn der Andreaskirche Stadt.
Nach Ufke Cremer wurde der Neue Weg bis 1500 als ,Lange Lohne“ bezeichnet. CREMER 1955,
passim; vgl. CANZLER 1989, S. 120.
Zit. nach CANZLER 1989, S. 120; zu den Mennoniten S. 69f.