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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Festveranstaltungen in der Orangerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0027
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Festveranstaltung in der Orangerie

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mäßig in Bamberg, um ihre Erfahrungen auszutauschen,
vor allem aber auch, um sich Mut zu machen. Mut für
eine wachsende Bewegung, die 1975 im „Europäischen
Denkmalschutzjahr“ gipfeln sollte.
Das „Europäische Denkmalschutzjahr“ ist beispiel-
haft für den dritten Auslöser bürgerschaftlichen Enga-
gements im Denkmalschutz, den ich ganz allgemein mit
politischem, an sich ja basis-politischem Interesse um-
schreiben will. Nach einer Zeit ungebremsten Wachs-
tums erstarkten die Bürgerinitiativen ausgerechnet -
und bezeichnenderweise - in einer Zeit der Stagnation,
im Umfeld wirtschaftlicher Unsicherheit, und sie be-
kannten sich europaweit (!) zu den Werten einer histo-
risch gewachsenen Kulturlandschaft, zur Kraft der Orts-
kerne, zur Anmut und zum Wert des Einzeldenkmals.
Ich denke, dass für die 70er Jahre die Bezeichnung
„Gründerjahre“ für den Denkmalschutz besonders zu-
treffend ist, setzte doch mit dem Europäischen Denk-
malschutzjahr ein bis dahin beispielloser Aufschwung
von Denkmalschutz und Denkmalpflege ein. Mit dem
Anwachsen der Bestandslisten wuchs die Zahl der För-
derinitiativen, Vereine und Stiftungen. Denkmalschutz
hatte schlichtweg Konjunktur, aus deren Rücklagen wir
noch heute all zu oft schöpfen. Wie Sie wissen, wurde
auch das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz
in jener Zeit gegründet, das noch heute als Kulturver-
mittler und Sprachrohr der Denkmalpflege aktiv ist und
sich ganz besonders bei der Förderung des Bürger-
engagements bewährt hat.
Bei der besonderen Beziehung zwischen Denkmal-
schutz und Politik darf man allerdings nicht nur an die
großen Initiativen der Bundesrepublik erinnern. Auch in
der DDR gab es unter ganz anderen Bedingungen
zahllose Männer und Frauen, die die Zerstörung von
Städten, Dörfern und Einzeldenkmalen nicht hinneh-
men wollten. Diese Initiativen wurden politisch verfolgt
und blieben zum Teil dennoch erfolgreich. Ich erinnere
hier nur an all jene, die sich gegen den Abriss der Alt-
stadtviertel im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg stark
machten, oder an die Bürgerinitiative „Altstadtentwick-
lung e.V. Erfurt“, die im Herbst 1989 mit einer Men-
schenkette den Abbruch des Andreasviertels in Erfurt
verhinderte. - Denkmalschutz war immer auch ein poli-
tisches Bekenntnis und ist es noch heute.
Meine Damen und Herren, „Denkmalgeschichten“,
die mit Hilfe der Bürger ein „happy end“ hatten, gibt es
unendlich viele. Erlauben Sie mir daher vor einer Zäsur
nur noch die Erwähnung einer Spielart bürgerschaft-
lichen Engagements, ich meine das Mäzenatentum. Sie
alle kennen die Geschichte des anonymen Spenders, der
Jahr für Jahr Geld für die Sanierung der Görlitzer Innen-
stadt zur Verfügung stellt. Und ganz sicher ist Ihnen die
vor wenigen Wochen vollendete Sanierung des „Campo
Santo“ in Halle an der Saale präsent, die ebenfalls nur
durch eine bis zuletzt anonyme Mäzenin möglich wurde.
Ihre Spende in Höhe von 6,2 Millionen Euro stieß einen
ganz wunderbaren Prozess an, der nicht nur weitere pri-
vate Spenden nach sich zog. Als der Anfang gemacht war,
flössen auch Mittel aus dem Förderprogramm „Städte-
baulicher Denkmalschutz“ des Bundes, des Landes und
der Stadt Halle. So erhielt die Stadt durch die Gunst ei-
ner Person ein unschätzbares Kleinod zurück, das nach
Kriegszerstörung und Verfall bereits verloren schien.
Meine Damen und Herren, nach all diesen Beispie-
len - zumal nach dem Hinweis auf die Kraft des

Mäzenatentums - stellt sich Ihnen womöglich die
Frage, ob sich mit dem Bürgerengagement in organi-
sierter und nicht organisierter Form, ob sich mit Stif-
tungen und Fördervereinen der mehr oder minder heim-
liche Wunsch des Staates erfüllt, sich den denkmal-
pflegerischen Ballast vom Leibe zu schaffen. Ist das in
die Erhaltung unserer Kulturgüter fließende private
Geld womöglich das bequeme Ruhekissen für die
Politik?
Um es gleich vorweg zu nehmen: Nein! Ich bin der
Meinung, dass es ein solches Ruhekissen nicht geben
kann und darf. Schon bei meinem Amtsantritt habe ich
gesagt, dass sich die öffentliche Hand im Zeichen
knapper Finanzen und in der Folge einer allgemeinen
Privatisierungswelle nicht selbst aus der Verantwortung
für die Kultur in unserem Land entlassen darf. Dazu
stehe ich. Deswegen war auch der Verbleib der
Denkmalschutzprogramme des Bundes in meiner
Behörde für mich gar keine Frage. Ich möchte das auch
als Signal an die Länder und Kommunen verstanden
wissen, hier ihren Pflichten nachzukommen. Ich habe
allerdings den Eindruck, dass die Erinnerung an diese
Pflichten jetzt etwas nachdrücklicher ausfallen muss,
obwohl sich offiziell jedermann für die Erhaltung des
baulichen Erbes ausspricht. Damit sich die schönen
Worte auch mit der Praxis decken, ist eine stärkere Un-
terstützung der Denkmalschutzbehörden aus der Mitte
der Bürgerschaft weiterhin unumgänglich, nützlich und
auch wünschenswert. Ich wiederum habe mich bereits
für die Bürger sehr stark gemacht, als ich mit Hilfe der
Kulturverträglichkeitsprüfung verhindern konnte, dass
die Steuervergünstigungen für private Denkmaleigen-
tümer abgeschafft werden.
Ich habe eben von Leistungen gesprochen, die die
öffentlichen Hände für Denkmalschutz und Denkmal-
pflege zu Verfügung stellen. Da deren Umfang vielleicht
nicht immer so präsent ist - die öffentlichen Hände
werben ja kaum einmal mit ihren guten Taten - erlauben
Sie mir an dieser Stelle ein paar Zahlen, damit Sie eine
Vorstellung von den Größenordnungen der Förder-
summen bekommen:
Seit der Wiedervereinigung Deutschlands sind aus
verschiedenen Bundesprogrammen mehr als 1,9 Mrd.
Euro als direkte Fördermittel geflossen, davon 1,8 Mrd.
Euro in die neuen Länder. In diesem Jahr stehen dem
Bund weitere 125 Mio. Euro zur Verfügung. Allein aus
dem Denkmalschutzprogramm meiner Behörde sind
seit 1990 in den Erhalt und die Restaurierung von 489
Kulturdenkmale 236 Mio. Euro geflossen. Doch auch
2003 konnte ich für 127 Kulturdenkmale rund 14 Mio.
Euro bereit stellen (rd. 8 Mio. Euro für die alten und rd.
6 Mio. Euro für die neuen Länder). Dazu kommt seit
1996 das Sonderprogramm „Dach und Fach“, das bisher
mit insgesamt rd. 40 Mio. Euro 1.200 Baudenkmale
sichern half. Und auch dieses Programm wird 2003 mit
6,1 Mio. Euro fortgesetzt. Außerdem fließt ein ein-
maliger Finanzierungsbeitrag aus dem Erlös der Son-
dermünze „50 Jahre Grundgesetz“ in Höhe von 10 Mio.
Euro, in die Erhaltung des Brandenburger Doms, der
Georgenkirche in Wismar, in historische Gebäude der
Altstadt von Quedlinburg und in das Altenburger
Schloss.
Von dieser direkten Denkmalförderung einmal abge-
sehen, kommen noch beachtliche Summen aus weiteren
Programmen meiner Behörde hinzu - ich erinnere an die
 
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