Frühe Industrielandschaft Harz - Ein Bodenarchiv ersten Ranges
187
im späten Mittelalter - nur sehr beschränkt möglich,
neben Forstwirtschaft ist die Weidewirtschaft beherr-
schend. Dies hat zur Folge, dass die im Boden ver-
borgenen Urkunden, die archäologischen Befunde, nur
wenig von der in anderen Regionen oft zerstörend
wirkenden Landwirtschaft beeinträchtigt sind und sich
oft direkt unter den Humusschichten des Forsts die
originalen Befunde verbergen. Eine schonende und ver-
ständnisvolle Forstwirtschaft hilft mit zur Erhaltung
dieses hervorragenden Bodenarchivs für die Nachwelt.
Darüber hinaus wirken sich die aus anderem Blick-
winkel so schädlichen Schwermetalle für die Archäo-
logie besonders günstig aus. Schwermetallgehalte in
den Böden um 6% gewährleisten die Erhaltung orga-
nischer Materialien, wie sie sonst nur in Mooren oder
anderen seltenen geschlossenen Systemen möglich
sind. Dieser Glücksfall für die Montanarchäologie ist
verantwortlich dafür, dass während der Ausgrabungen
von Hüttenplätzen nicht nur hervorragend erhaltene
Konstruktionshölzer (Abb.4) geborgen werden konnten,
sondern auch die Reste natürlicher Vegetation so, als
wäre es die Vegetation des vergangenen Jahres. Sie
erlaubt es dem Botaniker, Vegetation und Umwelt der
vergangenen Jahrtausende im Wechselspiel mit den
menschlichen Eingriffen zu rekonstruieren.
Grundlage sowohl wissenschaftlicher als auch
denkmalpflegerischer Arbeit ist die Kenntnis der Relikte
im Gelände. Daher beherrscht in den geeigneten Jahres-
zeiten die Geländeprospektion die Tätigkeiten in der
Arbeitsstelle Montanarchäologie. Waren bis 1992 etwa
250 Relikte der frühen Verhüttung bekannt, gelang es
durch systematische Begehungen vor allem der
Bachläufe, bisher etwa 1000 Schmelzplätze im Gelände
zu lokalisieren. Die kontinuierliche Geländearbeit,
begleitet von einer intensiven chemischen Analytik,
ermöglicht inzwischen eine erste grobe Ansprache der
Fundplätze nach zeitlichen und technologischen Krite-
rien allein anhand der Geländesituation und des Schla-
ckeninventars. Noch überwiegen im Oberharz die nicht
intensiv prospektierten Flächen, in denen sich, wie
jüngste Datierungen von Schmelzplätzen in karolin-
gische Zeit, noch einige Überraschungen verbergen.
Von der gründlichen Erfassung der Bodendenkmale im
Harz ist außer einem effektiveren denkmalpflegerischen
Schutz der zumeist recht unscheinbaren Bodenurkun-
den zu erwarten, dass sie es ermöglichen, die detail-
reichen Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen an
gefährdeten Fundplätzen auf die weitere Landschaft zu
übertragen und das komplexe Zusammenspiel der ein-
zelnen prägenden Parameter wie Rohstoff- und Energie-
ressourcen, Besitz- und Infrastruktur mit den vorgege-
benen natürlichen Verhältnissen verstehen zu lernen.
Was für ein archäologisches Potential und bisher
nicht genutztes historisches Quellenmaterial in den
abgebauten Lagerstätten des Harzes noch zu erwarten
ist, zeigt der jüngste, inzwischen nicht mehr isoliert
stehende Fund eines Lederschuhs (Abb. 5) aus dem
Alten Lager am Rammeisberg. Er initiierte die aus
archäologischer Sicht erstmalige konzentrierte Aus-
einandersetzung mit den bisher vernachlässigten oberen
Partien dieser Lagerstätte, die vermutlich seit der
Bronzezeit genutzt wurde. In einem vorbereitenden Pro-
jekt werden unter Leitung eines Geologen die weit ver-
streuten Informationen gesammelt und die Ober-
flächenstrukturen am Ausbiss des Erzlagers bewertet. In
Zusammenarbeit mit der Goslarer Bergbau-Gesell-
schaft als Eigentümer geht es darum, „höffige“ Zonen
für archäologische Untersuchungen zu definieren.
Dabei zeichnen sich in dem von ständiger Erosion
bedrohten angeschnittenen Bereich des verfüllten
ehemaligen Tagebaus bereits nach dem Freilegen des
etwa 5 m hohen Aufschlusses (Abb. 6) und der feintopo-
graphischen Vermessung der Geländeoberfläche hoff-
nungsvolle Perspektiven ab. Der im Leibniz-Labor der
Universität Kiel in die Jahre um 1024 n. Chr. datierte
Schuh stammt aus der obersten Verfüllungsschicht des
Abb. 2: Unter den Ruinen des
frühmittelalterlichen Herren-
sitzes von Düna konnten in
dem etwa 2 m tiefen, im Lauf
der Jahrhunderte zuge-
schütteten Bachlauf die ersten
konkreten Hinweise auf die
Nutzung der Harzer Erze
beobachtet werden, die vor
den historisch bekannten
Bergbauphasen lagen, 1983.
Abb. 3: Die Grabung am
Riefenbach bei Bad Harzburg
deckte erstmals die komplette
Fläche eines im 12. Jahr-
hundert n. Chr. saisonal
genutzten Schmelzplatzes für
Rammeisberger Erze auf. Bei
der Dokumentation konnte das
neu entwickelte Dokumenta-
tionssystem TRIGOMAT
eingesetzt werden, womit die
Befunde dreidimensional
online erfasst werden können,
1991.
Abb. 4: Im Bereich der
schwermetallkontaminierten
Hüttenplätze sind organische
Reste einzigartig erhalten.
Das abgebildete Buchenblatt
stammt von einem Schmelz-
platz des ausgehenden 10.
Jahrhunderts n. Chr., 1999.
187
im späten Mittelalter - nur sehr beschränkt möglich,
neben Forstwirtschaft ist die Weidewirtschaft beherr-
schend. Dies hat zur Folge, dass die im Boden ver-
borgenen Urkunden, die archäologischen Befunde, nur
wenig von der in anderen Regionen oft zerstörend
wirkenden Landwirtschaft beeinträchtigt sind und sich
oft direkt unter den Humusschichten des Forsts die
originalen Befunde verbergen. Eine schonende und ver-
ständnisvolle Forstwirtschaft hilft mit zur Erhaltung
dieses hervorragenden Bodenarchivs für die Nachwelt.
Darüber hinaus wirken sich die aus anderem Blick-
winkel so schädlichen Schwermetalle für die Archäo-
logie besonders günstig aus. Schwermetallgehalte in
den Böden um 6% gewährleisten die Erhaltung orga-
nischer Materialien, wie sie sonst nur in Mooren oder
anderen seltenen geschlossenen Systemen möglich
sind. Dieser Glücksfall für die Montanarchäologie ist
verantwortlich dafür, dass während der Ausgrabungen
von Hüttenplätzen nicht nur hervorragend erhaltene
Konstruktionshölzer (Abb.4) geborgen werden konnten,
sondern auch die Reste natürlicher Vegetation so, als
wäre es die Vegetation des vergangenen Jahres. Sie
erlaubt es dem Botaniker, Vegetation und Umwelt der
vergangenen Jahrtausende im Wechselspiel mit den
menschlichen Eingriffen zu rekonstruieren.
Grundlage sowohl wissenschaftlicher als auch
denkmalpflegerischer Arbeit ist die Kenntnis der Relikte
im Gelände. Daher beherrscht in den geeigneten Jahres-
zeiten die Geländeprospektion die Tätigkeiten in der
Arbeitsstelle Montanarchäologie. Waren bis 1992 etwa
250 Relikte der frühen Verhüttung bekannt, gelang es
durch systematische Begehungen vor allem der
Bachläufe, bisher etwa 1000 Schmelzplätze im Gelände
zu lokalisieren. Die kontinuierliche Geländearbeit,
begleitet von einer intensiven chemischen Analytik,
ermöglicht inzwischen eine erste grobe Ansprache der
Fundplätze nach zeitlichen und technologischen Krite-
rien allein anhand der Geländesituation und des Schla-
ckeninventars. Noch überwiegen im Oberharz die nicht
intensiv prospektierten Flächen, in denen sich, wie
jüngste Datierungen von Schmelzplätzen in karolin-
gische Zeit, noch einige Überraschungen verbergen.
Von der gründlichen Erfassung der Bodendenkmale im
Harz ist außer einem effektiveren denkmalpflegerischen
Schutz der zumeist recht unscheinbaren Bodenurkun-
den zu erwarten, dass sie es ermöglichen, die detail-
reichen Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen an
gefährdeten Fundplätzen auf die weitere Landschaft zu
übertragen und das komplexe Zusammenspiel der ein-
zelnen prägenden Parameter wie Rohstoff- und Energie-
ressourcen, Besitz- und Infrastruktur mit den vorgege-
benen natürlichen Verhältnissen verstehen zu lernen.
Was für ein archäologisches Potential und bisher
nicht genutztes historisches Quellenmaterial in den
abgebauten Lagerstätten des Harzes noch zu erwarten
ist, zeigt der jüngste, inzwischen nicht mehr isoliert
stehende Fund eines Lederschuhs (Abb. 5) aus dem
Alten Lager am Rammeisberg. Er initiierte die aus
archäologischer Sicht erstmalige konzentrierte Aus-
einandersetzung mit den bisher vernachlässigten oberen
Partien dieser Lagerstätte, die vermutlich seit der
Bronzezeit genutzt wurde. In einem vorbereitenden Pro-
jekt werden unter Leitung eines Geologen die weit ver-
streuten Informationen gesammelt und die Ober-
flächenstrukturen am Ausbiss des Erzlagers bewertet. In
Zusammenarbeit mit der Goslarer Bergbau-Gesell-
schaft als Eigentümer geht es darum, „höffige“ Zonen
für archäologische Untersuchungen zu definieren.
Dabei zeichnen sich in dem von ständiger Erosion
bedrohten angeschnittenen Bereich des verfüllten
ehemaligen Tagebaus bereits nach dem Freilegen des
etwa 5 m hohen Aufschlusses (Abb. 6) und der feintopo-
graphischen Vermessung der Geländeoberfläche hoff-
nungsvolle Perspektiven ab. Der im Leibniz-Labor der
Universität Kiel in die Jahre um 1024 n. Chr. datierte
Schuh stammt aus der obersten Verfüllungsschicht des
Abb. 2: Unter den Ruinen des
frühmittelalterlichen Herren-
sitzes von Düna konnten in
dem etwa 2 m tiefen, im Lauf
der Jahrhunderte zuge-
schütteten Bachlauf die ersten
konkreten Hinweise auf die
Nutzung der Harzer Erze
beobachtet werden, die vor
den historisch bekannten
Bergbauphasen lagen, 1983.
Abb. 3: Die Grabung am
Riefenbach bei Bad Harzburg
deckte erstmals die komplette
Fläche eines im 12. Jahr-
hundert n. Chr. saisonal
genutzten Schmelzplatzes für
Rammeisberger Erze auf. Bei
der Dokumentation konnte das
neu entwickelte Dokumenta-
tionssystem TRIGOMAT
eingesetzt werden, womit die
Befunde dreidimensional
online erfasst werden können,
1991.
Abb. 4: Im Bereich der
schwermetallkontaminierten
Hüttenplätze sind organische
Reste einzigartig erhalten.
Das abgebildete Buchenblatt
stammt von einem Schmelz-
platz des ausgehenden 10.
Jahrhunderts n. Chr., 1999.