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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0383
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Anforderungen und Erwartungen an den „Denkmalpflegerischen Fachplan“

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sehen 1802 und 1945, in der sie als Sitz eines Re-
gierungsbezirkes Züge einer Beamtenstadt trug, was
dadurch noch gefördert wurde, dass die relativ kleine
Stadtgemarkung von 1050 ha viel mehr auch nicht
zugelassen hätte, zumal die Teilgemarkung von Schloss
und Schönenberg mit einer Fläche von 250 ha einer
baulichen Nutzung nicht offen stand. Der Zweite Welt-
krieg hatte im Übrigen die Stadt zwar nicht ganz ver-
schont, aber sie dennoch glimpflich davonkommen
lassen.
Nach Kriegsende hat die Stadt ihre Einwohnerzahl in
kürzester Zeit auf annähernd 14.000 Einwohner ver-
doppeln können. Sie platzte buchstäblich aus allen
Nähten. Hinzu kam die rasche Zunahme des Verkehrs.
Anfang der 80er Jahre wälzten sich gut 25.000 Fahr-
zeuge täglich auf Bundes- und Landstraße mitten durch
die kleine Stadt. Die Entwicklung und Substanz der
Stadt waren ernsthaft gefährdet, die Eigentümer der
anliegenden Häuser waren wenig investitionswillig. Bis
zum Jahr 2002 wurden in der Folge dank Städtebauför-
derungsgesetz und anderen Zuschussmöglichkeiten
circa 23 Millionen Euro öffentlicher Mittel in die Stadt-
sanierung investiert und außerdem drei Umgehungs-
straßen gebaut, zwei davon als Innenstadttangenten.
Hierfür wurden, um den Umfang anzudeuten, rund 50
Millionen Euro eingesetzt.
Die Stadt erwarb ihrerseits im Gesamtkontext sehr
wichtige Gebäude wie das Palais Adelmann, das Spital,
die Stadtmühle, den Schlachthof, die Post sowie eine in
kläglicher Weise in ein Fahrradlager verwandelte
Kapelle und gab ihnen nach erfolgter Instandsetzung
ebenso wie einem mittelalterlichen Siechenhaus eine
neue und dauerhafte Nutzung. Altstadtquartiere wurden
entkernt. Immerhin gab die Flurkarte von 1829 dafür
gewisse Anregungen. Eine neue Gasse wurde gebaut,
um die alten zu entlasten. Dabei war es gelungen, die
vorhandenen historischen Strukturen aufzunehmen und
weiterzuentwickeln. Es gab auch Umbauten von Häu-
sern, deren Wertigkeit mangels eingehender Kenntnisse
der alten Sozialstruktur Ellwangens nicht genügend
erkannt wurde.
Heute nach Abschluss dieser Maßnahmen und vor
Beginn der großen Sanierungsetappe Ellwangen-Mitte,
wo die Wurzeln der Stadt, das ehemalige Kloster, die
Basilika und der Stiftsplatz liegen, darf man im Rück-
blick an Gustav Schwabs Ballade vom Ritt über den
Bodensee denken, an dessen Ende erst der Reiter er-
kannte, dass er unter den Hufen seines Pferdes den ge-
frorenen Bodensee gehabt hatte, so dass er alsbald vor
Schreck verstarb.
Als Synonym für unbewusst eingegangene Gefahren
mag dieses Bild taugen, doch hatten wir immerhin ein
Gerüst von Kenntnissen aus der Vergangenheit und
parallel zu unseren Maßnahmen neue Kenntnisse aus
dem Gedeihen des Fachplans. Diese Kenntnisse bewah-
rten uns letztlich davor, an eine Tiefgarage unter dem
Marktplatz und an andere Tiefgaragen zu denken und
werden es auch in Zukunft nicht tun. Sie bewahrten uns
vor flächenhaften Sanierungen zugunsten des Abbruchs
neuer Anbauten und neuerer Nebengebäude.
Es gab zusammengefasst Fälle, in denen eine gründ-
lichere Kenntnis der Geschichte Ellwangens sehr not-
wendig gewesen wäre. Diese Geschichte ist zwar in der
traditionellen Art gut erforscht und archivalisch außer-
ordentlich reich belegt. Es fehlte aber auch hier wie in


anderen Städten und Landschaften an Verbund, Vernet-
zung und ganzheitlicher Betrachtungsweise. Es fehlte
an Kenntnissen in den nicht denkmalgeschützten Berei-
chen. Auch in Ellwangen sind populäre Einzelphäno-
mene übererforscht zu Lasten der Zusammenschau. Es
ist überdies festzustellen, dass die Zeit ab 1802 auch
heute noch erstaunlich wenige Leute interessiert. Die
zeitliche Differenziertheit einer Stadt und ihre
räumliche Komplexität kommen damit zu kurz. Auch in
Ellwangen gibt es nicht nur die mittelalterliche oder die
barocke Stadt, die natürlich ein ganz wesentlicher Teil
davon ist, sondern es gibt noch weitere Epochen. Auch
hier wird der Fachplan uns weiterhelfen.

Abb. 2: Ellwangen, Luftbild
des Stadtkerns von Süden mit
Blick auf das ehemalige
Kloster (oben), 2002.
 
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