Kalkplattendächer im Altmühlgebiet
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Kalksteineindeckungen
Kalkplattendächer im Altmühlgebiet - Zur Geschichte und
Verbreitung des Steindachs in der Mitte Bayerns
Herbert May
Wer im Sommerurlaub auf der A 9 in Richtung Süden
fährt, Nürnberg schon hinter sich gelassen und noch
etwa 100 km bis München hat, der kommt unweigerlich
an die Autobahn-Ausfahrt „Altmühltal“. Verlässt man
die Autobahn an dieser Ausfahrt, ist man auch schon
gleich mittendrin im Geschehen, um das es hier geht, um
die Kalkplattendächer im Gebiet der Altmühl. Kaum
zwei Minuten von dieser Autobahnausfahrt entfernt
liegt im Tal der Anlauter, einem Seitental der Altmühl,
die Ortschaft Enkering (Abb. 2). Von dort stammt die
abgebildete, dendrochronologisch 1601/02 datierte und
einst zu einem Schmiedeanwesen gehörende Scheune
mit dem eindrucksvoll bemoosten Kalkplattendach. Das
Gebäude führt jetzt im Fränkischen Freilandmuseum
Bad Windsheim ein zweites Leben und damit ist bereits
ein Problem angeschnitten, auf das Peter Leuschner
später noch eingehen wird, die Gefährdung dieser Jura-
häuser vor Ort.
Lassen Sie mich, bevor ich zum eigentlichen Thema,
der Verbreitung und Geschichte des Kalkplattendachs
komme, einen kleinen hauskundlichen Exkurs zur Bau-
gestalt der Häuser im Altmühlgebiet voranstellen, denn
er lässt sich an diesem Haus aus Enkering sehr gut ver-
anschaulichen. Und außerdem lassen sich Dach und
Hausgestalt nur schwerlich voneinander trennen, son-
dern bedingen einander.1
Das Fachwerkgefüge unterscheidet sich nicht von
dem im übrigen Franken (K-Streben-Fachwerk). Die
Gefache der Fichtenholzkonstruktion sind hier mit Kalk-
bruchsteinen gefüllt, doch finden sich im Altmühlgebiet
schon früh auch Ausfachungen mit Ziegel (16. Jahr-
hundert), mit Lehmflechtwerk, aber auch ausgeblocktes
Fachwerk, das heißt mit blockstarken Hölzern zwischen
den Holzständem.
Das tonnenschwere Dach mit den Kalkplatten lastet
auf fünf Pfetten. Außen die zwei Fußpfetten, oben die
Firstpfette und dazwischen je eine Mittelpfette. Die
Fußpfetten werden von durchgehenden, auf dem Sockel
aufsitzenden Ständern getragen, die durch einen Anker-
balken zusammengehalten werden. Eine regionalspezi-
fische Besonderheit sind die „Ohren“, die an den Stän-
dern herausschauen und die zu den Ankerbalken ge-
hören, die auf diese Weise in die Ständer eingezapft
sind. Die Konstruktion kommt sehr häufig im Zusam-
menhang mit einem Kniestock vor, der den bei einem
flach geneigten Dach ohnehin knappen Bergeraum im
Dach etwas vergrößert. Jüngere Bauten im Altmühl-
gebiet verzichten auf die durchgehenden Außenständer
und zimmern den Kniestock einzeln ab, so dass keine
„Ohren“ mehr herausstehen.
Eine große Rolle spielt im Altmühlgebiet jedoch
auch der Steinbau, was bei dem Überfluss an Steinen im
Altmühljura ja eigentlich auch kein Wunder ist. Den-
noch dominierte - historisch gesehen - der Holzbau
gegenüber dem Steinbau bei weitem, und im östlichen
Bereich des Altmühlgebiets lässt sich sogar der Block-
bau nachweisen.
Es handelt sich beim „Altmühlgebiet” also nicht um
eine Hauslandschaft mit einem ganz bestimmten Haus-
typ, das ist aus der kurzen hauskundlichen Einführung
schon deutlich geworden. Massivbau, Fachwerkbau und
sogar Blockbau sind bzw. waren hier zu finden. Der
gemeinsame Nenner dieser verschiedenen Bauweisen
ist das Kalkplattendach. Wie kaum in einem anderen
Gebiet wird hier im Altmühljura der Hausbau von dieser
spezifischen, nur hier vorkommenden Dachdeckung
dominiert. Das Material für diese Kalkplatten- oder
Legschieferdächer kommt aus den Jurabrüchen zwi-
schen Solnhofen und Kelheim, ist Millionen Jahre alt
und mit Fossilien durchsetzt. Die Dachdeckung braucht
eine bestimmte Dachneigung von ca. 25-35 Grad, damit
die flachen Kalkplatten einfach aufgelegt werden und
durch ihr eigenes Gewicht halten können.
Die Bezeichnung „Altmühlgebiet” ist dabei nicht so
eindeutig, wie man meinen möchte, und korrespondiert
- zumindest im Zusammenhang mit dem Hausbau -
nicht genau mit dem Flussgebiet. Der ganze Lauf der
oberen Altmühl von der Quelle bis mindestens Gunzen-
hausen kann, was das Kalkplattendach angeht, außer
Acht gelassen werden. Erst mit dem Eintritt in den Jura
bei Treuchtlingen beginnt im allgemeinen das, was man
als Altmühlgebiet bezeichnet. Altmühlgebiet ist also
etwa identisch mit dem geographischen Begriff der
Abb. 1: Verbreitungskarte der
Kalkplattendächer im
Altmühl gebiet.
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Kalksteineindeckungen
Kalkplattendächer im Altmühlgebiet - Zur Geschichte und
Verbreitung des Steindachs in der Mitte Bayerns
Herbert May
Wer im Sommerurlaub auf der A 9 in Richtung Süden
fährt, Nürnberg schon hinter sich gelassen und noch
etwa 100 km bis München hat, der kommt unweigerlich
an die Autobahn-Ausfahrt „Altmühltal“. Verlässt man
die Autobahn an dieser Ausfahrt, ist man auch schon
gleich mittendrin im Geschehen, um das es hier geht, um
die Kalkplattendächer im Gebiet der Altmühl. Kaum
zwei Minuten von dieser Autobahnausfahrt entfernt
liegt im Tal der Anlauter, einem Seitental der Altmühl,
die Ortschaft Enkering (Abb. 2). Von dort stammt die
abgebildete, dendrochronologisch 1601/02 datierte und
einst zu einem Schmiedeanwesen gehörende Scheune
mit dem eindrucksvoll bemoosten Kalkplattendach. Das
Gebäude führt jetzt im Fränkischen Freilandmuseum
Bad Windsheim ein zweites Leben und damit ist bereits
ein Problem angeschnitten, auf das Peter Leuschner
später noch eingehen wird, die Gefährdung dieser Jura-
häuser vor Ort.
Lassen Sie mich, bevor ich zum eigentlichen Thema,
der Verbreitung und Geschichte des Kalkplattendachs
komme, einen kleinen hauskundlichen Exkurs zur Bau-
gestalt der Häuser im Altmühlgebiet voranstellen, denn
er lässt sich an diesem Haus aus Enkering sehr gut ver-
anschaulichen. Und außerdem lassen sich Dach und
Hausgestalt nur schwerlich voneinander trennen, son-
dern bedingen einander.1
Das Fachwerkgefüge unterscheidet sich nicht von
dem im übrigen Franken (K-Streben-Fachwerk). Die
Gefache der Fichtenholzkonstruktion sind hier mit Kalk-
bruchsteinen gefüllt, doch finden sich im Altmühlgebiet
schon früh auch Ausfachungen mit Ziegel (16. Jahr-
hundert), mit Lehmflechtwerk, aber auch ausgeblocktes
Fachwerk, das heißt mit blockstarken Hölzern zwischen
den Holzständem.
Das tonnenschwere Dach mit den Kalkplatten lastet
auf fünf Pfetten. Außen die zwei Fußpfetten, oben die
Firstpfette und dazwischen je eine Mittelpfette. Die
Fußpfetten werden von durchgehenden, auf dem Sockel
aufsitzenden Ständern getragen, die durch einen Anker-
balken zusammengehalten werden. Eine regionalspezi-
fische Besonderheit sind die „Ohren“, die an den Stän-
dern herausschauen und die zu den Ankerbalken ge-
hören, die auf diese Weise in die Ständer eingezapft
sind. Die Konstruktion kommt sehr häufig im Zusam-
menhang mit einem Kniestock vor, der den bei einem
flach geneigten Dach ohnehin knappen Bergeraum im
Dach etwas vergrößert. Jüngere Bauten im Altmühl-
gebiet verzichten auf die durchgehenden Außenständer
und zimmern den Kniestock einzeln ab, so dass keine
„Ohren“ mehr herausstehen.
Eine große Rolle spielt im Altmühlgebiet jedoch
auch der Steinbau, was bei dem Überfluss an Steinen im
Altmühljura ja eigentlich auch kein Wunder ist. Den-
noch dominierte - historisch gesehen - der Holzbau
gegenüber dem Steinbau bei weitem, und im östlichen
Bereich des Altmühlgebiets lässt sich sogar der Block-
bau nachweisen.
Es handelt sich beim „Altmühlgebiet” also nicht um
eine Hauslandschaft mit einem ganz bestimmten Haus-
typ, das ist aus der kurzen hauskundlichen Einführung
schon deutlich geworden. Massivbau, Fachwerkbau und
sogar Blockbau sind bzw. waren hier zu finden. Der
gemeinsame Nenner dieser verschiedenen Bauweisen
ist das Kalkplattendach. Wie kaum in einem anderen
Gebiet wird hier im Altmühljura der Hausbau von dieser
spezifischen, nur hier vorkommenden Dachdeckung
dominiert. Das Material für diese Kalkplatten- oder
Legschieferdächer kommt aus den Jurabrüchen zwi-
schen Solnhofen und Kelheim, ist Millionen Jahre alt
und mit Fossilien durchsetzt. Die Dachdeckung braucht
eine bestimmte Dachneigung von ca. 25-35 Grad, damit
die flachen Kalkplatten einfach aufgelegt werden und
durch ihr eigenes Gewicht halten können.
Die Bezeichnung „Altmühlgebiet” ist dabei nicht so
eindeutig, wie man meinen möchte, und korrespondiert
- zumindest im Zusammenhang mit dem Hausbau -
nicht genau mit dem Flussgebiet. Der ganze Lauf der
oberen Altmühl von der Quelle bis mindestens Gunzen-
hausen kann, was das Kalkplattendach angeht, außer
Acht gelassen werden. Erst mit dem Eintritt in den Jura
bei Treuchtlingen beginnt im allgemeinen das, was man
als Altmühlgebiet bezeichnet. Altmühlgebiet ist also
etwa identisch mit dem geographischen Begriff der
Abb. 1: Verbreitungskarte der
Kalkplattendächer im
Altmühl gebiet.