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Kimpflinger, Wolfgang; Neß, Wolfgang; Zittlau, Reiner; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Fagus-Werk in Alfeld als Weltkulturerbe der UNESCO: Dokumentation des Antragsverfahrens — [Hannover]: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 39.2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.51160#0170
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Historischer Kontext: Fabrikkultur um 1910
Als Carl Benscheidt im Jahre 1910 die Fagus GmbH gründete, gab es in
Deutschland erst wenige Fabrikbauten, die dem Reformgedanken einer neuen
Architektur folgten. Ihr äußeres Erscheinungsbild löste sich von den Vorstellungen
des 19. Jahrhunderts, das zwischen zwei Extremen changierte: entweder schenkte
man dieser vermeintlich „niederen“ Bauaufgabe keine Beachtung oder man stilisierte
sie aus Reklamegründen zu auffälligen Gebilden, die oft - vor allem bei Brauereien -
mittelalterlichen Schlössern nachempfunden waren. Erst mit der Gründung des
Deutschen Werkbundes 1907 fand eine allmähliche Wende statt. Diese aus
Politikern, Industriellen, Architekten, Künstlern und Publizisten bestehende
Vereinigung widmete sich einer durchgreifenden Reform aller Lebensbereiche mittels
künstlerischer Durchbildung (Slogan: „Vom Städtebau bis zum Sofakissen“), um eine
qualitative Hebung und ästhetische Schulung der Bevölkerung und zugleich die
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem internationalen Markt zu erzielen.
Zu den Gründern des Deutschen Werkbundes gehörte der als Maler ausgebildete,
aber in allen Künsten tätige Peter Behrens (1869-1940). Er wurde 1907 zum
„künstlerischen Beirat“ der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin (AEG)
berufen und gestaltete dort alle das Unternehmen nach außen prägende Bereiche in
einer einheitlichen Formensprache. Dies umfasste das Firmen-Signet und sämtliche
Werbemittel, aber auch die Produkte (elektrische Geräte) und sogar die
Fabrikarchitektur. Nach unserem heutigen Verständnis erfüllte Behrens damit die
Aufgabe eines Designers, der dem Unternehmen AEG eine einheitliche Corporate
Identity verlieh.
Der junge Walter Gropius arbeitete von 1908 bis 1910 im Büro von Peter Behrens
und war in dieser Zeit in den Entwurfsprozess und die Realisierung der Aufträge für
die AEG mit eingebunden. Nach einer anfänglich starken Identifizierung mit der
Arbeit seines Chefs begann eine Phase der kritischen Auseinandersetzung, die sich
an der Turbinenhalle für die AEG in Berlin-Moabit entzündete und zum Bruch führte.
Gropius trat 1910 aus dem Büro Behrens aus, machte sich selbständig und
engagierte den ebenfalls bei Behrens tätigen Architekten Adolf Meyer (1881-1929),
der bis 1925 sein engster Mitarbeiter werden sollte. Als sie Ende 1910 von der in

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