142 EMIL KRÜGER, RELIEFBILD EINES DICHTERS
anliegendes Haupthaar, das, soweit es die Binde zusammen-
hält, nur ganz flach gezeichnet ist; der Vollbart in einzelnen
Flocken, die starken Augenlider und die noch ungeschickte
Art, wie der Schnurrbart sich abhebt, kehren bei beiden wieder.
Die Haltung ist der des Dichters auf dem athenischen Relief
sehr ähnlich. Dass der Herausgeber auf einen Philosophen
schloss, ist natürlichl, aber seine Gründe, die nur auf dieser
Haltung und der Gewandung beruhen, sind keineswegs bewei-
send. Es ist durchaus möglich, dass auch dieses Fragment von
einer Weihung eines scenischen Dichters stammt. Dass es in mehr
als doppelt so grossem Maasstab als das athenische Fragment
gehalten ist, darf man auf Rechnung der älteren Zeit setzen.
Einen Dichter muss man auch erkennen auf der Nebenseite
eines Sarkophags im Museum zu Neapel, wo Arndt2 einen
Philosophen sieht. «Vor einem Parapetasma sitzt auf dem Fels
ein Philosoph, docierend, bloss mit dem Himation bekleidet,
einen Knotenstock in der Hand; neben ihm eine Rollenkapsel;
vor ihm ein vierfüssiges Tier. Die Züge gleichen denen des
Diogenes, das Tier sollte also wohl ein Hund sein». Die
Arbeit zeigt die tiefen, breiten Furchen der Innenzeichnung
des III. Jahrhunderts nach Chr., ähnlich dem oben S. 132 ab-
gebildeten albanischen Relief. In dieselbe Zeit weist die rohe
Verquickung des Vorhangs als Bezeichnung eines geschlosse-
nen Raumes mit dem Felsen, auf dem der Dichter sitzt. Dieser
stimmt in Stellung und Gewandanordnung völlig überein mit
dem erwähnten Dichter vor der Maske auf der Pozzo’schen
Sarkophag - Zeichnung, der rechts als letzter in der Reihe
sitzt3; nur ist auf dem Relief auch der Gestus der ausge-
streckten zwei Finger deutlich. Offenbar ist auch hier ein Dich-
ter zu erkennen und zwar ist er durch den Hirtenstab und das
Schaf neben ihm — es ist sicher kein Hund — als bukolischer
Dichter gekennzeichnet.
Athen, Juni 1901. Emil Krüger.
1 Ein Philosoph in dieser Haltung z. B. auf dem Philosophenmosaik von
Torre Annunziata Arch. Anzeiger 1898, 121.
2 Einzel -Verkauf 530, Text Serie II S. 47.
3 Oben S. 135, Robert Sarkophagreliefs II 14T,
anliegendes Haupthaar, das, soweit es die Binde zusammen-
hält, nur ganz flach gezeichnet ist; der Vollbart in einzelnen
Flocken, die starken Augenlider und die noch ungeschickte
Art, wie der Schnurrbart sich abhebt, kehren bei beiden wieder.
Die Haltung ist der des Dichters auf dem athenischen Relief
sehr ähnlich. Dass der Herausgeber auf einen Philosophen
schloss, ist natürlichl, aber seine Gründe, die nur auf dieser
Haltung und der Gewandung beruhen, sind keineswegs bewei-
send. Es ist durchaus möglich, dass auch dieses Fragment von
einer Weihung eines scenischen Dichters stammt. Dass es in mehr
als doppelt so grossem Maasstab als das athenische Fragment
gehalten ist, darf man auf Rechnung der älteren Zeit setzen.
Einen Dichter muss man auch erkennen auf der Nebenseite
eines Sarkophags im Museum zu Neapel, wo Arndt2 einen
Philosophen sieht. «Vor einem Parapetasma sitzt auf dem Fels
ein Philosoph, docierend, bloss mit dem Himation bekleidet,
einen Knotenstock in der Hand; neben ihm eine Rollenkapsel;
vor ihm ein vierfüssiges Tier. Die Züge gleichen denen des
Diogenes, das Tier sollte also wohl ein Hund sein». Die
Arbeit zeigt die tiefen, breiten Furchen der Innenzeichnung
des III. Jahrhunderts nach Chr., ähnlich dem oben S. 132 ab-
gebildeten albanischen Relief. In dieselbe Zeit weist die rohe
Verquickung des Vorhangs als Bezeichnung eines geschlosse-
nen Raumes mit dem Felsen, auf dem der Dichter sitzt. Dieser
stimmt in Stellung und Gewandanordnung völlig überein mit
dem erwähnten Dichter vor der Maske auf der Pozzo’schen
Sarkophag - Zeichnung, der rechts als letzter in der Reihe
sitzt3; nur ist auf dem Relief auch der Gestus der ausge-
streckten zwei Finger deutlich. Offenbar ist auch hier ein Dich-
ter zu erkennen und zwar ist er durch den Hirtenstab und das
Schaf neben ihm — es ist sicher kein Hund — als bukolischer
Dichter gekennzeichnet.
Athen, Juni 1901. Emil Krüger.
1 Ein Philosoph in dieser Haltung z. B. auf dem Philosophenmosaik von
Torre Annunziata Arch. Anzeiger 1898, 121.
2 Einzel -Verkauf 530, Text Serie II S. 47.
3 Oben S. 135, Robert Sarkophagreliefs II 14T,