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0. RUBENSOHN
zugleich der Strafvollstrecker sein soll. In den weiteren zu er-
gänzenden Zeilen werden nähere Angaben über die Überlei-
tung des Strafverfahrens an den zuständigen Staatsbeamten
enthalten gewesen sein. Der Privatkläger als Strafvollstrecker
begegnet uns z. B. in der von Ziebarth Hermes 1897, 618 teil-
weise veröffentlichten Inschrift von Mykonos, in der es heisst:
[έ]άν (δε μή) τον επίσκοπον έπιβάλ(λ)ειν ιεράς τώ[ι] Διονΰσωι
δραχμάς Άττικάς εκατόν, καί είναι πράξιμα παντι τώι εισαγγείλαντι,
und ähnlich heisst es auch in dem freilich mehr privatrecht-
lichen Gesetze der Demotioniden (Dittenberger Sylloge2 439
Z. 49): εάν δε μή επιψήφισήι δφελέτω πεντακοσίας δραχμάς ιεράς
τωι Δι'ι [τ]ώι Φρατρίω[ι- έ]σπράττεν δε τον ιερέα [κ]α'ι άλλο[ν τον
βο]λόμενον το άργΰριον. Die Behörde, an die das Strafverfahren
überzuleiten war, können wir natürlich nicht mehr feststellen.
In dem Tempelgestz von Tschipido (Dittenberger Sylloge2 569),
in dem eine ähnliche Materie abgehandelt wird, hat der Popu-
larkläger die Anzeige an das Beamtenkollegium der Theoren
zu erstatten. Die Strafsumme ist auf 51 und nicht auf 50 Drach-
men normiert worden, zweifelsohne, weil dem Popularkläger
der dritte Teil der Busse zufallen sollte; auch diese Bestim-
mung wird in dem verlorenen Schlüsse der Inschrift enthalten
gewesen sein.
Zur Vervollständigung des antiken Stadtbildes fehlen uns nun
noch zwei wichtige Elemente, die Heiligtümer der Stadt und
die Nekropolen. Paros hat einen ausserordentlichen Reichtum
an Kulten gehabt. Durch die Zeugnisse der Alten ist uns am
besten der Demeter-Kore-Kultus bekannt. Der attische Hym-
nus auf Demeter kennt ihn schon und nennt ihn fast ebenbür-
tig neben dem Kult von Eleusis in der Anrede an die Göttinnen:
490 3Αλλ3 άγ3 ΈλευσΤνος Τυοέσσης δήμον έχουσαι
και Πάρον άμφιρΰτην Άντρώνά τε πετρήεντα.
Eine lokale Kultsage erzählte, dass auf Paros Demeter zuerst
Kunde erhalten habe vom Räuber ihrer Tochter und zwar aus
dem Munde des Kabarnos, des mythischen Stammvaters eines
in historischen Zeiten öfters erwähnten Geschlechtes, in dem
das Priestertum der Mysteriengottheiten auf der Insel erblich
0. RUBENSOHN
zugleich der Strafvollstrecker sein soll. In den weiteren zu er-
gänzenden Zeilen werden nähere Angaben über die Überlei-
tung des Strafverfahrens an den zuständigen Staatsbeamten
enthalten gewesen sein. Der Privatkläger als Strafvollstrecker
begegnet uns z. B. in der von Ziebarth Hermes 1897, 618 teil-
weise veröffentlichten Inschrift von Mykonos, in der es heisst:
[έ]άν (δε μή) τον επίσκοπον έπιβάλ(λ)ειν ιεράς τώ[ι] Διονΰσωι
δραχμάς Άττικάς εκατόν, καί είναι πράξιμα παντι τώι εισαγγείλαντι,
und ähnlich heisst es auch in dem freilich mehr privatrecht-
lichen Gesetze der Demotioniden (Dittenberger Sylloge2 439
Z. 49): εάν δε μή επιψήφισήι δφελέτω πεντακοσίας δραχμάς ιεράς
τωι Δι'ι [τ]ώι Φρατρίω[ι- έ]σπράττεν δε τον ιερέα [κ]α'ι άλλο[ν τον
βο]λόμενον το άργΰριον. Die Behörde, an die das Strafverfahren
überzuleiten war, können wir natürlich nicht mehr feststellen.
In dem Tempelgestz von Tschipido (Dittenberger Sylloge2 569),
in dem eine ähnliche Materie abgehandelt wird, hat der Popu-
larkläger die Anzeige an das Beamtenkollegium der Theoren
zu erstatten. Die Strafsumme ist auf 51 und nicht auf 50 Drach-
men normiert worden, zweifelsohne, weil dem Popularkläger
der dritte Teil der Busse zufallen sollte; auch diese Bestim-
mung wird in dem verlorenen Schlüsse der Inschrift enthalten
gewesen sein.
Zur Vervollständigung des antiken Stadtbildes fehlen uns nun
noch zwei wichtige Elemente, die Heiligtümer der Stadt und
die Nekropolen. Paros hat einen ausserordentlichen Reichtum
an Kulten gehabt. Durch die Zeugnisse der Alten ist uns am
besten der Demeter-Kore-Kultus bekannt. Der attische Hym-
nus auf Demeter kennt ihn schon und nennt ihn fast ebenbür-
tig neben dem Kult von Eleusis in der Anrede an die Göttinnen:
490 3Αλλ3 άγ3 ΈλευσΤνος Τυοέσσης δήμον έχουσαι
και Πάρον άμφιρΰτην Άντρώνά τε πετρήεντα.
Eine lokale Kultsage erzählte, dass auf Paros Demeter zuerst
Kunde erhalten habe vom Räuber ihrer Tochter und zwar aus
dem Munde des Kabarnos, des mythischen Stammvaters eines
in historischen Zeiten öfters erwähnten Geschlechtes, in dem
das Priestertum der Mysteriengottheiten auf der Insel erblich