28
G. Rodenwaldt
Erhalten ist der Oberkörper eines breitschultrigen Mannes mit langem,
tief auf den Rücken herabfallenden Haar, bekleidet mit einem Himation.
das in der üblichen Weise vom Riicken her um die rechte Hiifte genommen
und dessen anderer Zipfel über die linke Schulter zuriickgeworfen ist.
Auf den ersten Blick fesselt der Torso durch die Kraft in der Bildung
des Körpers und durch die weiche Schwere in den Falten des Stoffes.
Auf der rechten Brust befindet sich ein sauber gearbeitetes Loch von
8 mm Durchmesser und 17 mm Tiefe, in dessen Grund noch ein kleiner
Marmorbrocken (Rest des Bohrzapfens) sitzt; hier war die Brustwarze
eingesetzt1). An der Unterseite des Torsos ist hinten ein sehmaler, ganz
glatt gearbeiteter Rest einer horizontalen Grundfläche erhalten, die iti
Verbindung init dem schrägen vorderen Bruch2) und den darüber nach
vorne biegenden Falten (vgl. die Seitenansicht Taf. 113) lehrt, daß der
Oberkörper einer sitzenden Figur angehört. Sie war nicht, wie wir es
sonst gewohnt sind, mit dem Sitz zusammen gearbeitet, sondern be-
sonders hergestellt. Das wäre schwerlich geschehen, wenn die Gestalt
auf einem Thronos mit Rückenlehne und Seitenlehnen gesessen hätte.
Dagegen scheint mir auch die Behandlung des Rückens zu sprechen
(Taf. 112), wo die Gewandfalten zwar flacher und schlechter gearbeitet,
aber immerhin durchgeführt sind und die Haarmasse ausgearbeitet ist3).
Ich möchte vielmehr glauben, daß als Sitz ein vierbeiniger Stuhl ohne
Lelme diente, bei dem das Innere zur Erzielung der erforderlichen Trag-
fähigkeit stehen gelassen war4). Die Vernachlässigung der Rückseite
gegenüber deti anderen Seiten lehrt jedoch, daß die Statue schwerlich
P Studniczka weist mich auf entsprechende Bohrlöcher für die Brust-
warzen an dem Gegner der Athena in der Giebelgruppe des alten Tempels und
an dem sterbenden Niobiden in der Ny Carlsberg Glyptotek hin.
2) In dessen Mitte unten ‘zylindrisches Zapfenloch, schräg nach vorne
abgebrochen. Sauber gearbeitet. Durchm. etwa 58 mm, Tiefe etwa 51 mm’
(Studniczka).
3) Nur das unterste Stück ist rauh gespitzt. Von der etwas nach innen
gehöhlten, glatten Fläche in der Mitte links, die einen Teil des Haares und den
Mantelwulst abschneidet, vermute ich, daß sie von einer modernen Verwendung
des Steines herrührt. Wegen der Spitzung des unteren Teils möchte Studniczka
annehmen, daß dieser in einen Sitz eingefügt war.
4) Es bedarf dafür nicht der umständlichen Erklärung Br. Sauers bei
Rösch, Altertiimliche Marmorwerke von Paros (Diss. Riel 1914). Ein massives
Jnnere war in solchen Fällen natiirlich nicht gemeint. Vermutlich ließ dunkle
Bemalung des Klotzes die Formen des Stuhles noch deutlicher sich abheben.
G. Rodenwaldt
Erhalten ist der Oberkörper eines breitschultrigen Mannes mit langem,
tief auf den Rücken herabfallenden Haar, bekleidet mit einem Himation.
das in der üblichen Weise vom Riicken her um die rechte Hiifte genommen
und dessen anderer Zipfel über die linke Schulter zuriickgeworfen ist.
Auf den ersten Blick fesselt der Torso durch die Kraft in der Bildung
des Körpers und durch die weiche Schwere in den Falten des Stoffes.
Auf der rechten Brust befindet sich ein sauber gearbeitetes Loch von
8 mm Durchmesser und 17 mm Tiefe, in dessen Grund noch ein kleiner
Marmorbrocken (Rest des Bohrzapfens) sitzt; hier war die Brustwarze
eingesetzt1). An der Unterseite des Torsos ist hinten ein sehmaler, ganz
glatt gearbeiteter Rest einer horizontalen Grundfläche erhalten, die iti
Verbindung init dem schrägen vorderen Bruch2) und den darüber nach
vorne biegenden Falten (vgl. die Seitenansicht Taf. 113) lehrt, daß der
Oberkörper einer sitzenden Figur angehört. Sie war nicht, wie wir es
sonst gewohnt sind, mit dem Sitz zusammen gearbeitet, sondern be-
sonders hergestellt. Das wäre schwerlich geschehen, wenn die Gestalt
auf einem Thronos mit Rückenlehne und Seitenlehnen gesessen hätte.
Dagegen scheint mir auch die Behandlung des Rückens zu sprechen
(Taf. 112), wo die Gewandfalten zwar flacher und schlechter gearbeitet,
aber immerhin durchgeführt sind und die Haarmasse ausgearbeitet ist3).
Ich möchte vielmehr glauben, daß als Sitz ein vierbeiniger Stuhl ohne
Lelme diente, bei dem das Innere zur Erzielung der erforderlichen Trag-
fähigkeit stehen gelassen war4). Die Vernachlässigung der Rückseite
gegenüber deti anderen Seiten lehrt jedoch, daß die Statue schwerlich
P Studniczka weist mich auf entsprechende Bohrlöcher für die Brust-
warzen an dem Gegner der Athena in der Giebelgruppe des alten Tempels und
an dem sterbenden Niobiden in der Ny Carlsberg Glyptotek hin.
2) In dessen Mitte unten ‘zylindrisches Zapfenloch, schräg nach vorne
abgebrochen. Sauber gearbeitet. Durchm. etwa 58 mm, Tiefe etwa 51 mm’
(Studniczka).
3) Nur das unterste Stück ist rauh gespitzt. Von der etwas nach innen
gehöhlten, glatten Fläche in der Mitte links, die einen Teil des Haares und den
Mantelwulst abschneidet, vermute ich, daß sie von einer modernen Verwendung
des Steines herrührt. Wegen der Spitzung des unteren Teils möchte Studniczka
annehmen, daß dieser in einen Sitz eingefügt war.
4) Es bedarf dafür nicht der umständlichen Erklärung Br. Sauers bei
Rösch, Altertiimliche Marmorwerke von Paros (Diss. Riel 1914). Ein massives
Jnnere war in solchen Fällen natiirlich nicht gemeint. Vermutlich ließ dunkle
Bemalung des Klotzes die Formen des Stuhles noch deutlicher sich abheben.