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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 46.1921

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Rodenwaldt, Gerhart: Ein archaischer Torso in Athen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29496#0036
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G. Rodenwaldt

seite geteilt herunter; zwischen ihtien wird die Flanke sichtbar. Dieses
Motiv entsteht beim Heben des Armes; wir finden es z. B. bei denr Apollon
des Siphnierfrieses, dessen Oberarm horizontal ausgestreckt ist.

Ist diese Überlegung richtig — ich gebe zu, daß sie nicht zwingend
ist —, so müßten wir uns zu dem horizontal nach der Seite gestreckten
Oberarm einen aufwärts gebogenen Unterarm und eine Hand ergänzen,
die einen Stab hält. Dieser Gestus würde unseren Torso von denjenigen
Werken unterscheiden, die ihm sonst motivisch am meisten verwandt
sind, den Schreiberstatuetten von der Akropolis. Aber auch davon ab-
gesehen, wie kümmerlich wirken diese dürftigen Gestalten in ihrer be-
flissenen Haltung neben der königlichen Gestalt des Torsos! Eine Ver-
gleichung mit den schwer in ihren Thronen versunkenen Statuen der
Branchiden oder des Aiakes von Samos (A. M. XXXI 1906, Taf. XIV)
würde diesen Unrecht tun, da sie wesentlich älter sind. Der repräsentative
Eindruck des breit von vorne gesehenen, straff aufgerichteten Ober-
körpers macht es wahrscheinlich, daß der Torso nicht das Bild eines
Sterblichen, sondern eines Gottes ist, daß wir in ihin den Rest der Kult-
statue einer männlichen Gottheit besitzen, die uns neben den erhaltenen
männlichen und weiblichen Porträtstatuen, neben den Kult- und Votiv-
statuen weiblicher Gottheiten, neben den tektonisch verwandten Sitz-
figuren eine erwünschte Bereicherung der Typen der archaischen Plastik
gibt. War der linke Arm erhoben und die Hand auf ein Szepter gestiitzt,
so kommt, wie eine Übersicht über die archaischen Göttertypen zeigt,
fiir die dargestellte Gottheit nur Zeus in Frage. Er wäre dann der älteste
monumentale Vertreter eines Typus, der mit manchen Variationen die
ganze folgende Antike beherrscht hat1 * *).

l) Der Zeus des Phidias hatte bekanntlich den Oberarm nicht horizontal
nach der Seite gestreckt, sondern schräg nach unten und vorne (vgl. Overbeck,

Kunstmythoiogie I 38 ffMüller-Wieseler4 (Wernicke) 6; zuletzt Winter, öst.

Jahresh. XVIII 1915, 1 ff.); der Oberarm war daher auch bis zum Ellbogen
vom Himation bedeckt. Aber dieses Motiv hat die bildliche Tradition nicht
beeinflußt. Auf einem der beiden Zeustypen auf den altarkadischen Landes-
inünzen (Cat. of Greek Coins, Peloponnesus, pl. XXXI 11 ff.) erscheint Zeus
ebenfalls auf einem lehnenlosen Stuhle sitzend, nur mit dem Himation be-
kleidet, in der einen vorgestreckten Hand den Adler haltend, während die
andere sich bei horizontal erhobenem Oberarm auf ein Szepter stützt. Bei
dem anderen Typus sitzt Zeus auf einein Thronos und hält das Szepter in der

Rechten, während der gesenkte linke Oberarm vom Himation bedeckt wird.
 
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