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Leo Weber

Ich glaube nun nicht, daß, wie Sybel rneint (S. 47 f.) in den Namen
jEifian’hrj (wie er ihn nach der Überlieferung gibt) und ’AQ/uelrjs saty-
rische Anspielungen versteckt liegen, in dem Sinne, daß für eine Visionen
leicht zugängliche Frau (öelfia im Sinne von cpäofia genommen) ein Erz-
myste und Erzschwärmer der passendste Gatte sei. Sollte die doppelte
Anspielung indessen doch darin versteckt liegen, so würde sie ein zwar
frei, aber doch ganz witzig erfundener Beitrag zu der Psychose sein, von
der zur Zeit der Pest in Athen die Gemüter vieler erfaßt waren1). Wie dem
nun auch sein mag und ob der Kult des ^ivog iaTQÖs damals zuerst auf-
kam oder bereits bestand, die feste und sichere Tatsache, an der sich
nicht riitteln läßt, ist der Grabstein inmitten des Staatsfriedhofes, dessen
Platz Lukian obendrein noch näher angibt (cap. 2: eou ök ov nolv äno vov
dmvlov, iv aQiovEQu ig ’Axaörjfdav dniovrcov). Und er muß bedeutend
älter sein als das 5. Jahrhundert. Die Tatsache, daß niemand den Natnen
des Heros kannte, diirfte zugleich das hohe Alter seines Kultes beweisen:
denn gerade solche Heroen haben in alter und (mutatis mutandis) auch
in neuer Zeit immer ihre stille und mit merkwiirdiger Zähigkeit bei ihnen
treu ausharrende Gemeinde gefunden. Was Lukian von dem Grabstein
sagt, daß er immer mit Kränzen geschmückt sei, spricht geradezu dafiir.
Die ‘kleinen Leute’ seinerzeit, die ihn bei Fiebererkrankung angehen,
werden dieselben gewesen sein, die auch in den Tagen der Pest, nur in
besonders großer Zahl, zu seinem Grabe sich drängten. So gewinnen wir
ein sehr altes Grab im Kerameikos zuriick, vielleicht sogar das älteste,
das sich iiberhaupt dort nachweisen läßt: ich wage aber trotzdein nicht,
es mit einer bestimmten Zeit, etwa der solonischen, in Verbindung zu
bringen: denn Lukian, dem der ‘alte gute’ Solon zur Beglaubigung seines
den Thessalonikern zuliebe erfundenen Toxaris eben gerade gut genug
ist, wäre dazu ein ganz unzuverlässiger Fiihrer.

Was nun den bildnerischen Schmuck des Grabsteins anbetrifft, so
erscheint mir die Annahme Sybels (a. a. 0. 51 ff.) wenig glaublich, daß
ähnliche Grabstatuen, wie die beiden der knieenden Bogenschiitzen, die
im Friedhof am Eridanos zutage getreten sind, Lukian zur Beschreibung
seines Toxarisgrabes das Modell geliefert hätten. Zum Beweise dagegen

b In diesem Zusammenhange sei auch darauf hingewiesen, daß nach
Sokrates’ Angabe Diotima den Athenern, als sie einmal vor der Pest opferten,
einen zehnjährigen Aufschub der Seuche bewirkt habe (Plat. syrnp, 201 D).
 
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