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Wilhelm Dörpfeld
Kultbilder erhalten haben, ist mir schon lange nicht mehr zweifelhaft.
Dieselben Phönikier und sonstigen Orientalen, die den Griechen im
II. Jahrtausend die mykenische Kunst und die phönikisch-arabische
Schrift gebracht haben, sind auch die Einführer der Tempel und der
Kultbilder gewesen. Daß sie auch den Juden zur Zeit Salomos den ersten
Tempel gebaut haben. ist allgemein bekannt. Zuerst werden sie in ihren
Kolonien und Faktoreien in Griechenland ihre eigenen Tempel, be-
sonders ihres Sonnengottes erbaut haben, fanden aber gewiß bald in
den Griechen und in den anderen, Griechenland und Kleinasien bewoh-
nenden Völkern gelehrige Nachahmer. Wenn einst in Phönikien und Ara-
bien gründliche Ausgrabungen gemacht werden, wird man dort, davon
bin ich überzeugt, nicht nur die mykenische Kunst und ihre Vorstufen,
sondern auch die Vorbilder der griechischen Tempel und ihrer Kultbilder
finden.
Nachdem wir in Olympia das Heraion untersucht hatten, haben wir
noch am Südfuße des Kronions zwischen dem Heraion und dem Metroon
Grabungen angestellt. Auch hier konnten wir meine auf Grund früherer
Studien und Grabungen gebildete Ansicht bestätigen, daß an der Stelle
des großen römischen Wasserwerkes des Herodes Attikos früher eine
natürliche, dem Kronion entspringende Quelle und ein griechisches
Brunnenhaus gelegen haben. An dieser uralten Quelle haftete meines Er-
achtens der älteste Kult von Olympia. Zu ihr gehörten die alten Pla-
tanen, die Pausanias in der Mitte der Altis sah. Neben ihr lag ferner.
wie sich zeigen läßt, die idäische Grotte, ein uraltes Heiligtum der Rhea,
in dem Zeus geboren sein sollte. Dieses diirfen wir in dem kleinen, in den
Berg hineingebauten Viereck mit Vorhalle wiedererkennen, das zwischen
der Exedra des Herodes und dem Schatzhause von Sikyon liegt und von
C. Robert und Anderen irrtümlich fiir den von Pausanias beschriebenen
Tempel des Sosipolis erklärt worden ist. Die idäische Grotte wird, wie
C. Robert richtig bemerkt hat, von Pindar erwähnt, muß also im V. Jahr-
hundert noch bestanden haben; Pausanias weiß dagegen nichts mehr von
diesem Grottenheiligtum der Göttermutter, kennt aber dafiir ihren im
IV. Jahrhundert erbauten Tempel. Dies erklärt sich dadurch, daß dieser
grottenähnliche Bau. unter dem noch Spuren einer älteren Anlage er-
halten sind, nachweisbar im IV. Jahrhundert bei der Regulierung der
Thesauren-Terrasse unter die Erde gekommen und zugleich durch den
Wilhelm Dörpfeld
Kultbilder erhalten haben, ist mir schon lange nicht mehr zweifelhaft.
Dieselben Phönikier und sonstigen Orientalen, die den Griechen im
II. Jahrtausend die mykenische Kunst und die phönikisch-arabische
Schrift gebracht haben, sind auch die Einführer der Tempel und der
Kultbilder gewesen. Daß sie auch den Juden zur Zeit Salomos den ersten
Tempel gebaut haben. ist allgemein bekannt. Zuerst werden sie in ihren
Kolonien und Faktoreien in Griechenland ihre eigenen Tempel, be-
sonders ihres Sonnengottes erbaut haben, fanden aber gewiß bald in
den Griechen und in den anderen, Griechenland und Kleinasien bewoh-
nenden Völkern gelehrige Nachahmer. Wenn einst in Phönikien und Ara-
bien gründliche Ausgrabungen gemacht werden, wird man dort, davon
bin ich überzeugt, nicht nur die mykenische Kunst und ihre Vorstufen,
sondern auch die Vorbilder der griechischen Tempel und ihrer Kultbilder
finden.
Nachdem wir in Olympia das Heraion untersucht hatten, haben wir
noch am Südfuße des Kronions zwischen dem Heraion und dem Metroon
Grabungen angestellt. Auch hier konnten wir meine auf Grund früherer
Studien und Grabungen gebildete Ansicht bestätigen, daß an der Stelle
des großen römischen Wasserwerkes des Herodes Attikos früher eine
natürliche, dem Kronion entspringende Quelle und ein griechisches
Brunnenhaus gelegen haben. An dieser uralten Quelle haftete meines Er-
achtens der älteste Kult von Olympia. Zu ihr gehörten die alten Pla-
tanen, die Pausanias in der Mitte der Altis sah. Neben ihr lag ferner.
wie sich zeigen läßt, die idäische Grotte, ein uraltes Heiligtum der Rhea,
in dem Zeus geboren sein sollte. Dieses diirfen wir in dem kleinen, in den
Berg hineingebauten Viereck mit Vorhalle wiedererkennen, das zwischen
der Exedra des Herodes und dem Schatzhause von Sikyon liegt und von
C. Robert und Anderen irrtümlich fiir den von Pausanias beschriebenen
Tempel des Sosipolis erklärt worden ist. Die idäische Grotte wird, wie
C. Robert richtig bemerkt hat, von Pindar erwähnt, muß also im V. Jahr-
hundert noch bestanden haben; Pausanias weiß dagegen nichts mehr von
diesem Grottenheiligtum der Göttermutter, kennt aber dafiir ihren im
IV. Jahrhundert erbauten Tempel. Dies erklärt sich dadurch, daß dieser
grottenähnliche Bau. unter dem noch Spuren einer älteren Anlage er-
halten sind, nachweisbar im IV. Jahrhundert bei der Regulierung der
Thesauren-Terrasse unter die Erde gekommen und zugleich durch den