Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]
Das Kurhaustheater in Augsburg-Göggingen — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 14: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1982

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63239#0007
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Seit einem Jahrzehnt, seit der Brand von 1972 die ursprüng-
lichen Strukturen der Glas-Eisenkonstruktion wieder frei-
legte, ist das öffentliche Interesse am Schicksal des Gög-
ginger Kurhaustheaters erwacht. Das Werk des Augsburger
Architekten Jean Keller gilt heute als ein einzigartiges
Zeugnis der Architekturgeschichte des 19. Jahrhunderts,
nachdem so viele vergleichbare Konstruktionen verloren
gegangen sind, vom Münchner Glaspalast bis zu den im Zu-
sammenhang mit den großen Weltausstellungen entstan-
denen Glas-Eisenbauten der Zeit. Nostalgische Rückbesin-
nung auf die glanzvollen Jahre der Gründerzeit verbindet
sich hier mit dem wissenschaftlichen Interesse an der Er-
forschung der ersten Jahrzehnte des Industriezeitalters, die
in vieler Hinsicht weit in unsere Gegenwart hinein wirken.
Unter diesen Voraussetzungen hat erst kürzlich ICOMOS,
die Internationale Vereinigung der Denkmalpfleger, den eu-
ropäischen Rang des Kurhaustheaters herausgestellt und
seine Rettung und Wiederherstellung gefordert.
Das Gögginger Kurhaustheater erinnert als phantasievolle
Kombination von Palmenhaus und Theater an die so belieb-
ten orientalischen Dekorationen mit Palmenarrangements,
in denen damals das Publikum der Opern- und Schauspiel-
häuser schwelgen konnte und natürlich waren Wintergär-
ten mit ihren Palmen, z.T. in unterschiedlichen Kombinatio-
nen mit anderen Bauaufgaben, die große Mode. Hier wäre
auch eine so kühne Glas-Eisenkonstruktion wie der 1867/69
errichtete Wintergarten König Ludwigs II. über dem Fest-
saalbau der Münchner Residenz zu erwähnen, der im glei-
chen Jahr stillgelegt werden mußte, in dem das Gögginger
Theater — am 25. Juli 1886 — eingeweiht wurde, wenige
Wochen nach dem tragischen Tod des Königs.
Als charakteristisches Werk der Gründerzeit ist das Gög-
ginger Kurhaustheater zugleich in der Reihe der histori-
schen Theaterbauten Bayerns zu sehen, von denen eine
ganze Reihe in den vergangenen Jahren, zum Teil unter Be-
teiligung der Werkstätten des Bayerischen Landesamtes
für Denkmalpflege, restauriert wurden: 1958 die Rekon-
struktion des Alten Residenztheaters von Frangois Cuvilli-
es unter Verwendung der vor der Kriegszerstörung geborge-
nen Teile der Dekoration, 1959 die Restaurierung des Erlan-
ger Markgrafen-Theaters in der Fassung von 1743 unter
vollständiger Erneuerung der stark baufälligen Außenarchi-
tektur, 1960 die Restaurierung des Passauer Stadttheaters
in der ursprünglichen Fassung der Erbauungszeit von 1783,
1969 die Restaurierung der Jugendstilfassung von Richard
Riemerschmids Schauspielhaus in der Münchner Maximi-
lianstraße, 1975/78 die Wiederherstellung des in die ehema-
lige Franziskanerkirche eingebauten Amberger Stadtthea-
ters in der Fassung um 1860, 1977/78 die Instandsetzung
des 1876 errichteten Bürgertheaters Weißenhorn in der Fas-
sung von 1922, zuletzt die Konservierung der verhältnismä-
ßig gut erhaltenen originalen Fassung des Markgräflichen
Opernhauses Bayreuth und die Wiederherstellung des
Münchner Gärtnerplatztheaters. Die Instandsetzung des
Gögginger Kurhaustheaters, dessen weiterer Verfall zu-
nächst einmal abgewendet werden konnte, ist eine höchst
ungewöhnliche Aufgabe, die auch im Vergleich zu den er-
wähnten Restaurierungen historischer Theater sicher unge-

wöhnliche Anforderungen an alle Beteiligten stellen wird. In
erster Linie ist hier der Stadt Augsburg zu danken, die mit
der Sicherung des Gebäudes den ersten mutigen Schritt
unternommen hat. Die Stadt hat in vielfach bewährter Zu-
sammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege
auch das Erscheinen dieses Arbeitsheftes ermöglicht, das
vielleicht Anlaß zu neuen Überlegungen über das weitere
Schicksal eines einzigartigen Baudenkmals geben kann.
Michael Petzet
Generalkonservator

5
 
Annotationen