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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 19.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.43187#0044
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1903.

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3

Fülluno-. Architekt: W. Kimbel in Berlin.
Ausgeführt von Kimbel & Friederichsen daselbst.


Die Mikroskopie liefert eine ganze Welt neuer brauch-
barer Formen, welche die meisten unsrer Künstler kaum ahnen,
von dem Bau der organischen Gewebe, den prächtigen Schuppen,
aus denen der Staub der Schmetterlingsflügel besteht, bis zu
den verzwickten Linienführungen der durchsichtigen Schliffe
der Steine und Mineralien und den durchaus originellen und
bislang noch völlig unbenutzten Formen der Infusorien.
Wie das Kaleidoskop dem Musterzeichner die Figuren in
immer wechselnder Zusammenstellung bietet, so kann das Mikro-
skop dem Künstler die Anregung zu neuer Gestaltung in unge-
ahnter, fast unerschöpflicher Menge und Formenfülle geben und
zugleich in den wunderbarsten Farben und Farbenzusammen-

Relief am Treppenhaus des Dienstgebäudes der Architekten: Becker & Schlüter
Deutschen Tiefbau-Berufsgenossenschaft in Berlin.
in Wilmersdorf bei Berlin. Modelliert von Rob. Schirmer daselbst.


Stellungen. Die amerikanischen Künstler fangen an, diese Ge-
bilde zu beachten. In ihren Fachzeitschriften wie „The Architec-
turcil Record“ finden sich in letzter Zeit mehrfach Abbildungen
mikroskopischerObjekte, kleinster Kiesel-und Kalkpanzertierchen.
Unsre Zeit hat ihre bedeutendsten Erfolge auf dem Ge-
biete der naturwissenschaftlichen Forschungen aller Art zu
verzeichnen. Sollte nicht auch unsre Kunst daraus neues Leben,
neue lebendige Formen schöpfen können, die unsre Or-
namentik wirklich als eine neue Kunst mit dem Geiste unsrer
Zeit erscheinen lassen und ihr einen geistigen Gehalt verleihen,
der eine vorübergehende Mode überdauert? C. Zetzsche.

■s


Ornament vom Grabdenkmal des
Fabrikbesitzers Scharf in Gleiwitz.
Architekt: Professor Fritz Schumacher
in Dresden.
Modelliert von Rob. Schirmer in Berlin.

Schaufenstergedanken.
(Schluss.)
n Hinsicht auf die zu-
lässige Grösse und die
notwendige Begrenzung
der Schaufenster ergeben sich
also greifbare Lehren aus der Be-
trachtung der vorhandenen Ge-
schäftshäuser, Lehren, die wir an
den neuesten Bauten dieser Art
in Berlin schon allgemeiner be-
herzigt finden und an einzelnen,
wie dem grossen Geschäftshause
der Deutschen Kolonialgesell-
schaft in der Potsdamerstrasse
durch die eigenartige Brechung
der Schaufensterfront vermittels
der spitzwinklig hervortretenden
Pfeiler, sogar in überzeugendster
Weise bestätigt sehen.


Hier wird uns auch die zweite Hauptforderung an eine
zweckmässige und schöne Schaufensteranlage erfüllt gezeigt:
die richtige Wahl der Farbe für die die Umrahmung der Schau-
fenster bildenden Bauteile. Wie häufig wird dagegen gefehlt
und die Wirkung einer sonst zweckentsprechenden Anlage
dadurch beeinträchtigt! Wir brauchen nur an die schwarzen
Firmenschilder über und neben den Schaufenstern und an die

Pfeiler und Säulen aus schwarzem
Syenit zu erinnern. Alles Schwarze
erscheint körperlos, gleichsam als
Loch, hellfarbiger Stein dagegen
gefällig und tragfähig.
Wo man Eisenkonstruktionen
zur Umrahmung der Schaufenster
anwendet, bedeutet die Farbe fast
alles. Dunkler Anstrich des Eisens
ist schon aus dem eben genann-
ten Grunde wenig wirkungsvoll,
aber doch immer noch besser als
der jetzt allgemein bevorzugte
hellgrüne. Dagegen kann eine
kräftige, unter Umständen sogar
leuchtende Farbe und teilweise
oder ganze Vergoldung die eiserne
Umrahmung als solche höchst
vorteilhaft wirken lassen, indem
sie die Eigenschaft des Metalles
allgemein verständlich betont.
Bei der Farbenwahl ist die


Ornament vom Grabdenkmal des
Fabrikbesitzers Scharf in Gleiwitz.
Architekt: Professor Fritz Schumacher
in Dresden.
Modelliert von Rob. Schirmer in Berlin.

Eigenart der Waren natürlich besonders zu berücksichtigen.
Sehr gefährlich in der Wirkung sind die toten und doch
intensiven Farben der Verblendziegel. Man betrachte nur die
Schaufenster des bekannten Seidenwarengeschäftes von Michels
in der Leipzigerstrasse in Berlin. Hier haben wir eine feste Um-
rahmung der Schaufenster in annehmbaren Abmessungen und
gewiss eine durchaus geschickte Auslage der Waren selbst und
doch ist der Gesamteindruck durch die Farbe der Umrahmung

Treppenläufer. Architekt: Henry van de Velde.in Weimar.
Gesetzlich geschützt. Aus dem Hohenzollern-Kunstgewerbehause H. Hirschwald, G.m.b.H., Berlin


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