1903
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 11
Berliner Kunstausstellung 1903.
Der blaue Saal.
Architekt: Alfred J. Balcke
in Berlin.
Anbringung der viel zu kleinen Bilder an den Wandflächen der Seitenräume,
die auch auf unserer Gesamtansicht erkennbar ist und ganz unorganisch,
wie eine gleichgültige, vorübergehende Benützung des Raumes wirkt.
Trotz der anscheinend sorgfältigen Auswahl der hier untergebrachten
Bilder kommen diese selbst nicht zur Geltung. Dies gilt auch von dem in
seinen Grössenverhältnissen dem Raume entsprechenden — aber grau in
grau gemalten Karton Puvis de Chavannes »Apoll und die Musen für die
Bibliothek in Boston.
Wie ganz anders müsste dieser Raum wirken mit den Riesenbildern
eines Rubens oder Snyders, wie sie z. B. die Dresdener Galerie in reicher
Folge birgt. War unter den gesamten Ausstellungswerken der Gegenwart
nichts zu finden, was an Farbenwirkung und Grösse dem Raume einiger-
massen entsprochen hätte?
Auch grössere Werke der Plastik, die im letzten Saale ja ziemlich
dicht zusammengedrängt stehen, würden hier unstreitig zur Vervollkomm-
nung der Gesamtwirkung beigetragen haben.
Der Eindruck einer interimistischen Leere wird noch gesteigert durch
den Gegensatz, welchen der voraufgehende sog. Ehrensaal mit seinen
grossen farbensatten Bildern bildet. Zudem stehen die rückwärts und seit-
lich anschliessenden Räume in keinem inneren Zusammenhänge mit dem
grossen Repräsentationsraume Balckes, so dass die Absicht, durch diesen
die übrigen Räume zusammenzufassen, noch nicht erreicht scheint, woran
freilich nach dem eben Ausgeführten der Architekt keine Schuld trägt.
Der Architekturabteilung, organisiert von der »Vereinigung-
Berliner Architekten , und der anschliessenden kunstgewerblichen Abteilung
ist diesmal der rechts von der Kuppelhalle liegende Seitensaal eingeräumt
worden. Die gut zugänglichen, nicht so versteckt wie die früheren ge-
legenen Räume, hat Architekt Albert Qessner sehr geschickt und mit
den einfachsten Mitteln zweckentsprechend ausgestaltet, indem er eine
hohe, feierlich gestimmte Mittelhalle, die von kleinen hochliegenden und
buntverglasten Seitenfenstern nur gedämpftes Licht erhält, und zu beiden
Seiten kleine, durch Oberlichte voll beleuchtete Räume von verschiedener
Form anordnete, in denen die Architekturausstellung äusserst glücklich und
unbeeinträchtigt zur eingehenden Betrachtung dargeboten ist.
Die umstehende Abbildung zeigt das System der einfachen Gliederung,
die mit den Pfeilerreliefs von Bildhauer Feuerhahn und der glücklichen
Farbengebung (Maler L. Sobotta) einen harmonischen Eindruck macht.
Auch hier sind die oberen Wandflächen mattblau und mit sparsam an-
gewendeten Ornamentstreifen in Goldton verziert.
Den wirksamen Abschluss der Mittelhalle bildet der in kräftigem Gelb
und Braun gehaltene Empfangsraum einer neuen Vereinigung von Künstlern,
»Neue Gruppe Berlin«, die unter Führung von Architekt E. Schaudt,
dem Architekten des Hamburger Bismarck-Denkmals, ihre künstlerischen
Absichten bezüglich der Wohnungsausstattung in mehreren Räumen vor-
geführt hat. Seltsam mutet es freilich besonders in einem Empfangsraume
an, dass die nackten Figuren an den beiden in die Ecken gesetzten Pfeilern
sämtlich den Eintretenden den Rücken zukehren.
Das Dekorationsgemälde des Empfangsraumes, das unsere Abbildung
zeigt, ist von Maler R. Guhr. Die anschliessenden Räume dieser Gruppe:
ein Speise- und ein Musikzimmer von Schaudt, ein Herrenzimmer von
Salzmann und ein Baderaum von William Müller, liegen etwas zu
abgeschlossen, so das smancher Besucher an ihnen vorbeigeht, und werden,
mit Ausnahme des Bades, durch zu weitgehenden künstlichen Lichtabschluss
in ihrer Wirkung stark beeinträchtigt, was um so mehr zu bedauern ist,
als die Farbenstimmung überall gut getroffen und namentlich in dem
Herrenzimmer manche hübsche Einzelheit zu finden ist.
Der Baderaum von William Müller, von dem wir die Gesamtansicht
und ein Detail des seitlichen Fensters hier wiedergeben, steht in Material-
auswahl und Behandlung u. E. an erster Stelle. Bad- und Wandbekleidung
ist von der Deutschen Steinindustrie A.G. (vorrn. Schleicher) ausgeführt,
und zwar Wanne und Rückwand in rötlich-
gelbem sardinischen Granit, die angrenzen-
den Wandflächen in weissem, gelb geadertem
Skyrosmarmor. Der Fussboden ist mit hell-
grünem Cippolino und dunkelgrünem Tynos
belegt, wozu der braun und grüne Teppich
gut stimmt. Die oberen Wandflächen sind
mit rauhem Putz versehen und von Maler
Drabig mit einem Wassermotiv licht blau
und grün bemalt. Das Oberlicht und die
kleinen Seitenfenster sind mit gelbem Opal-
glas (von Vittali) verglast und zeigen ersteres
ein Seestern-, letztere ein Tropfenmotiv. Das
Relief in der Rückwand der Wanne und die
in Bronze gegossenen und ziselierten Masken
an den Fenstersäulen (siehe Detail) sind von
Bildhauer Franz Metzner in Friedenau aus-
geführt. Die Farbenwirkung des ausgesucht
schönen Steinmaterials wird durch die Onyx-
platte des kleinen Tischchens noch vervoll-
ständigt.
In der Arch i t ekt u rabt ei 1 u ng bilden
die Aufnahmen alter Bauwerke einen hervor-
ragenden Teil. Neben den prachtvollen
Messbildaufnahmen von Professor Meyden-
bauer, von denen das Kgl. Denkmalsarchiv
eine schöne Auswahl beigesteuert hat, sind
vorzügliche Aquarelle von Günther-Naum-
b u r g, Emil H ö g g, E r n s t K ü p e r s, E. F r h r.
v. Rechenberg und Heinrich Schweitzer
zu erwähnen.
Von neuen Entwürfen, Ausführungen und
Studienblättern ist eine nicht allzu umfang-
reiche, aber sehr mannigfaltige Auswahl vor-
handen. So gibt Heinrich Frhr.v. Schmidt
in München 3 Ansichten seiner prächtigen
Maximilianskirche in München, Fr. Gottlob eine farbige Perspektive der
evangelischen Kirche in Grosslichterfelde (Rundschau, Heft 8, Tafel 60),
Jürgen Kröger die Garnisonkirche in Oldenburg und eine Kirche fiirWest-
end, Kickton seinen Wettbewerbsentwurf für eine Kirche in Zehlendorf. An
Rathäusern sind zu nennen: das grosse Schaubild des neuen Rathausviertels
in Frankfurt a. M. (v. Hoven & Neher), das Rathaus für Charlottenburg
(R e i n h a r d t & S ü s s e n g u t h) und ein leider unausgeführt gebliebener Entwurf
von Herrn. Jansen für das Rathaus mit höherer Töchterschule in Wilmers-
dorf, der durch gute Gruppierung und einfache Form, wie durch geschickte
Darstellung anzieht, ferner Otto Kuhlmanns Rathaus für Rüttenscheid.
Die Parkhalle für Remscheid von Jansen gibt unsere Tafel 77, Heft 10,
wieder. Ein in der Umgegend von Aachen von ihm erbautes Bauernhaus
zeigt dieselbe schlichte und zielbewusste Gestaltungskraft.
Berliner Kunstausstellung 1903. Architekt: Alfred J. Balcke
Detail aus dem blauen Saal. in Berlin.
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ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 11
Berliner Kunstausstellung 1903.
Der blaue Saal.
Architekt: Alfred J. Balcke
in Berlin.
Anbringung der viel zu kleinen Bilder an den Wandflächen der Seitenräume,
die auch auf unserer Gesamtansicht erkennbar ist und ganz unorganisch,
wie eine gleichgültige, vorübergehende Benützung des Raumes wirkt.
Trotz der anscheinend sorgfältigen Auswahl der hier untergebrachten
Bilder kommen diese selbst nicht zur Geltung. Dies gilt auch von dem in
seinen Grössenverhältnissen dem Raume entsprechenden — aber grau in
grau gemalten Karton Puvis de Chavannes »Apoll und die Musen für die
Bibliothek in Boston.
Wie ganz anders müsste dieser Raum wirken mit den Riesenbildern
eines Rubens oder Snyders, wie sie z. B. die Dresdener Galerie in reicher
Folge birgt. War unter den gesamten Ausstellungswerken der Gegenwart
nichts zu finden, was an Farbenwirkung und Grösse dem Raume einiger-
massen entsprochen hätte?
Auch grössere Werke der Plastik, die im letzten Saale ja ziemlich
dicht zusammengedrängt stehen, würden hier unstreitig zur Vervollkomm-
nung der Gesamtwirkung beigetragen haben.
Der Eindruck einer interimistischen Leere wird noch gesteigert durch
den Gegensatz, welchen der voraufgehende sog. Ehrensaal mit seinen
grossen farbensatten Bildern bildet. Zudem stehen die rückwärts und seit-
lich anschliessenden Räume in keinem inneren Zusammenhänge mit dem
grossen Repräsentationsraume Balckes, so dass die Absicht, durch diesen
die übrigen Räume zusammenzufassen, noch nicht erreicht scheint, woran
freilich nach dem eben Ausgeführten der Architekt keine Schuld trägt.
Der Architekturabteilung, organisiert von der »Vereinigung-
Berliner Architekten , und der anschliessenden kunstgewerblichen Abteilung
ist diesmal der rechts von der Kuppelhalle liegende Seitensaal eingeräumt
worden. Die gut zugänglichen, nicht so versteckt wie die früheren ge-
legenen Räume, hat Architekt Albert Qessner sehr geschickt und mit
den einfachsten Mitteln zweckentsprechend ausgestaltet, indem er eine
hohe, feierlich gestimmte Mittelhalle, die von kleinen hochliegenden und
buntverglasten Seitenfenstern nur gedämpftes Licht erhält, und zu beiden
Seiten kleine, durch Oberlichte voll beleuchtete Räume von verschiedener
Form anordnete, in denen die Architekturausstellung äusserst glücklich und
unbeeinträchtigt zur eingehenden Betrachtung dargeboten ist.
Die umstehende Abbildung zeigt das System der einfachen Gliederung,
die mit den Pfeilerreliefs von Bildhauer Feuerhahn und der glücklichen
Farbengebung (Maler L. Sobotta) einen harmonischen Eindruck macht.
Auch hier sind die oberen Wandflächen mattblau und mit sparsam an-
gewendeten Ornamentstreifen in Goldton verziert.
Den wirksamen Abschluss der Mittelhalle bildet der in kräftigem Gelb
und Braun gehaltene Empfangsraum einer neuen Vereinigung von Künstlern,
»Neue Gruppe Berlin«, die unter Führung von Architekt E. Schaudt,
dem Architekten des Hamburger Bismarck-Denkmals, ihre künstlerischen
Absichten bezüglich der Wohnungsausstattung in mehreren Räumen vor-
geführt hat. Seltsam mutet es freilich besonders in einem Empfangsraume
an, dass die nackten Figuren an den beiden in die Ecken gesetzten Pfeilern
sämtlich den Eintretenden den Rücken zukehren.
Das Dekorationsgemälde des Empfangsraumes, das unsere Abbildung
zeigt, ist von Maler R. Guhr. Die anschliessenden Räume dieser Gruppe:
ein Speise- und ein Musikzimmer von Schaudt, ein Herrenzimmer von
Salzmann und ein Baderaum von William Müller, liegen etwas zu
abgeschlossen, so das smancher Besucher an ihnen vorbeigeht, und werden,
mit Ausnahme des Bades, durch zu weitgehenden künstlichen Lichtabschluss
in ihrer Wirkung stark beeinträchtigt, was um so mehr zu bedauern ist,
als die Farbenstimmung überall gut getroffen und namentlich in dem
Herrenzimmer manche hübsche Einzelheit zu finden ist.
Der Baderaum von William Müller, von dem wir die Gesamtansicht
und ein Detail des seitlichen Fensters hier wiedergeben, steht in Material-
auswahl und Behandlung u. E. an erster Stelle. Bad- und Wandbekleidung
ist von der Deutschen Steinindustrie A.G. (vorrn. Schleicher) ausgeführt,
und zwar Wanne und Rückwand in rötlich-
gelbem sardinischen Granit, die angrenzen-
den Wandflächen in weissem, gelb geadertem
Skyrosmarmor. Der Fussboden ist mit hell-
grünem Cippolino und dunkelgrünem Tynos
belegt, wozu der braun und grüne Teppich
gut stimmt. Die oberen Wandflächen sind
mit rauhem Putz versehen und von Maler
Drabig mit einem Wassermotiv licht blau
und grün bemalt. Das Oberlicht und die
kleinen Seitenfenster sind mit gelbem Opal-
glas (von Vittali) verglast und zeigen ersteres
ein Seestern-, letztere ein Tropfenmotiv. Das
Relief in der Rückwand der Wanne und die
in Bronze gegossenen und ziselierten Masken
an den Fenstersäulen (siehe Detail) sind von
Bildhauer Franz Metzner in Friedenau aus-
geführt. Die Farbenwirkung des ausgesucht
schönen Steinmaterials wird durch die Onyx-
platte des kleinen Tischchens noch vervoll-
ständigt.
In der Arch i t ekt u rabt ei 1 u ng bilden
die Aufnahmen alter Bauwerke einen hervor-
ragenden Teil. Neben den prachtvollen
Messbildaufnahmen von Professor Meyden-
bauer, von denen das Kgl. Denkmalsarchiv
eine schöne Auswahl beigesteuert hat, sind
vorzügliche Aquarelle von Günther-Naum-
b u r g, Emil H ö g g, E r n s t K ü p e r s, E. F r h r.
v. Rechenberg und Heinrich Schweitzer
zu erwähnen.
Von neuen Entwürfen, Ausführungen und
Studienblättern ist eine nicht allzu umfang-
reiche, aber sehr mannigfaltige Auswahl vor-
handen. So gibt Heinrich Frhr.v. Schmidt
in München 3 Ansichten seiner prächtigen
Maximilianskirche in München, Fr. Gottlob eine farbige Perspektive der
evangelischen Kirche in Grosslichterfelde (Rundschau, Heft 8, Tafel 60),
Jürgen Kröger die Garnisonkirche in Oldenburg und eine Kirche fiirWest-
end, Kickton seinen Wettbewerbsentwurf für eine Kirche in Zehlendorf. An
Rathäusern sind zu nennen: das grosse Schaubild des neuen Rathausviertels
in Frankfurt a. M. (v. Hoven & Neher), das Rathaus für Charlottenburg
(R e i n h a r d t & S ü s s e n g u t h) und ein leider unausgeführt gebliebener Entwurf
von Herrn. Jansen für das Rathaus mit höherer Töchterschule in Wilmers-
dorf, der durch gute Gruppierung und einfache Form, wie durch geschickte
Darstellung anzieht, ferner Otto Kuhlmanns Rathaus für Rüttenscheid.
Die Parkhalle für Remscheid von Jansen gibt unsere Tafel 77, Heft 10,
wieder. Ein in der Umgegend von Aachen von ihm erbautes Bauernhaus
zeigt dieselbe schlichte und zielbewusste Gestaltungskraft.
Berliner Kunstausstellung 1903. Architekt: Alfred J. Balcke
Detail aus dem blauen Saal. in Berlin.
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