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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 26.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.27775#0038
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1910

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3

worden. Einen Neubau hätte man
auch nicht wieder in der Größe er-
richtet, denn bei der jetzigen Ab-
wanderung der Bevölkerung aus dem
Stadtinnern baue man nur kleine
neue Kirchen. Bei dem Wiederauf-
bau handle es sich um Gefühlswerte,
die ein Nichthamburger nicht ver-
stehen könne. Die Angelegenheit
sei eine rein Hamburgische und der
Denkmalpflegetag fürHamburgkeine
maßgebliche Instanz; er gebe dem
öffentlichen Gewissen Hamburgs
Ausdruck.
Geh. Hofrat Gur litt betonte,
der Wiederaufbau der Michaelis-
kirche sei eine deutsche Angelegen-
heit und der Denkmalpflegetag eine
Vereinigung von sachkundigen Män-
nern, die das Recht beanspruchen,
ihre Meinung zu sagen, wenn sie
auch keine Resolutionen fassen. Er
selbst habe durch sein Buch über
die Geschichte des Barockstils viel
dazu beigetragen, die Begeisterung
für die alte Michaeliskirche zu er-
wecken; er habe aber mit gleicher
Entschiedenheit sein Gutachten ge-
gen das jetzige Vorgehen der Ham-
burger abgegeben. Der Senat habe
einen Fehler gemacht, der Stimmung
nach dem Brande nachzugeben, an-
statt sie für einen Neubau zu ge-
winnen. Dreimal haben Brände die
Kirche vernichtet, jetzt zum ersten-
mal hat man den Grundsatz ver-
nachlässigt, daß beim Neubau auch
der moderne Geist zur Geltung


Wohnhaus des Herrn Strauch in Bremen.
Ausbau des Speisezimmers gegen
den Garten.

Architekten: Carl Eeg & Ed. Runge,
B. D. A. in Bremen.

bestehen. Tote Bauwerke, die noch
unter Dach und Fach sind, schütze
man, damit sie keine Ruinen werden.
Bauwerke wie den Otto-Heinrichs-
bau bringe man unter Dach und
verglase sie. Das Heidelberger Schloß
habe durch Schäfers Restaurierung
sehr gewonnen, ebenso die Marien-
burg und die Hohkönigsburg. Le-
bende Bauten, die heute noch
ihrem Zwecke dienen, sollen gemäß
ihrem historischen Stil restauriert
werden und auch nötig werdende
Zutaten und Anbauten sollen in
diesem Stil gehalten sein. »Denn
wir können nicht modern bauen,
weil wir keinen modernen Stil haben.«
Die Ansicht, die alten Architekten
hätten stets im Geiste ihrer Zeit an-
und weitergebaut, sei nicht durch-
weg zutreffend, auch ließen die Zu-
und Anbauten aus alter Zeit oft
künstlerisches Feingefühl vermissen,
und wenn man aus alten Kirchen
solche späteren Einbauten, Altäre
usw. entferne, so sei dies eine
künstlerische Tat. Jeder Stil sei ein
Organismus, den man durch fremd-
artige Zutaten nicht stören dürfe.
Unter den vielgeschmähten Restau-
rierungsarbeiten des 19. Jahrhunderts
seien auch Glanzleistungen, wie
solche von Essenwein, Tornow und
Schäfer. Bezeichnen die Gegner die
historisch Schaffenden als Fälscher,
deren Werke täuschen können, so
geben sie damit zu, daß wir fähig
sind, in den historischen Stilen zu

kam. (Lebhafter Beifall.)
Der Vorsitzende Geh. Hofrat von Öchelhäuser schloß die Er-
örterung mit dem Dank an den Hamburger Senat für die Darbietung der
Unterlagen, durch die es ermöglicht worden sei, sich ein Urteil zu bilden.
Über die Stilfrage bei Wiederherstellung alter Baulich-

schaffen. Dagegen sei ein moderner
Stil unmöglich, weil ein solcher nur aus einer einheitlichen Geisteskultur
und Weltanschauung entstehen könne und wir eine solche nicht haben.
Die Versuche moderner Stilbildung kennzeichneten sich durch Willkürlich-
keiten, durch absolute Nacktheit oder durch Vergewaltigung der Tektonik.

keiten sprach Prof. C. Weber (Danzig). Er stellte sich ganz auf den
historischen Standpunkt und bekämpfte zunächst aufs schärfste die Aus-
führungen Gräbners auf der vorigen Tagung in Lübeck. Seine Grund-
sätze lauteten: Tote Bauwerke, die weder ihrem ursprünglichen noch

Ansätze zu einem neuen Stile seien nur vorhanden in Beleuchtungs-
körpern und in Versuchen zu neuer Ornamentik. Doch handle es sich
dabei um Experimente. Mit alten Bauten aber dürfe man nicht experi-
mentieren.

einem anderen Zwecke dienen, solle man, wenn sie wertvolle Denkmäler
vergangener Zeiten sind, als solche in ihrem Bestände erhalten. Ruinen,

Beigeordneter Landesbaurat Rehorst als zweiter Redner bekannte
sich voll zu den Ausführungen Höggs. Im alten Stil solle man restaurieren,

die nur in der Landschaft malerischen Wert besitzen, lasse man als solche

wenn man einzelne Teile eines alten Bauwerks wieder herzustellen hat,

Wohnhaus des Herrn Strauch in Bremen. Loggia an der Vorderseite. Architekten: Carl Eeg & Ed. Runge, B. D. A. in Bremen.


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