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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 26.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.27775#0043
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1910

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 4

Gasthaus auf dem Lande. Architekt: G. Krinninger in München.


Erziehung zu heimischer Bauweise.
Aus einem Vortrag.

Höchst mannigfaltig ist die Art der verschiedenen Bau-
schulen, und diese Mannigfaltigkeit erklärt sich teils
aus der Vielseitigkeit des Bauberufs, dessen einzelne
Sondergebiete je nachdem in den Vordergrund des
Lehrplans geschoben werden, teils bezeichnet sie den Weg, den
das Unterrichtswesen auf diesem Gebiete genommen hat. —
Von der einfachen Polierschule, wo der Maurergesell zum tech-
nischen Vorarbeiter ausgebildet wird, führt dieser Weg über
die Baugewerkschule, das Technikum, das Polytechnikum zur
Technischen Hochschule und schließlich zu dem Architektur-
unterricht an Kunstschulen und Akademieen.— Starr abgegrenzt
und festgelegt ist diese Ordnung der Dinge keineswegs; viel-
mehr macht sich ein gewisser Drang nach vorwärts, ein Schieben
wie in wanderndem Gletschereis auf der ganzen Linie bemerk-
bar; jede der genannten Anstaltsgattungen schielt beneidend und
strebsam nach der nächstfolgenden Stufe, in ihr eine höhere
Vollendung ihres eigenen Typs erblickend. Keine Polierschule,
die nicht danach trachtete, Technikum zu heißen, kein Poly-
technikum, das sich nicht bemühte, Technische Hochschule zu
werden. — Solches Vorwärtsdrängen ist ja menschlich leicht
erklärlich und einerseits ein erfreuliches Zeichen dafür, daß das
Unterrichtswesen keineswegs in den Zustand der Versteinerung
zu geraten droht, daß vielmehr allenthalben tüchtige Kräfte
walten und das Bewußtsein haben, Höheres leisten zu können,
als ihnen auferlegt ist.
Aber anderseits liegen in diesem Streben nach oben doch
auch recht bedenkliche Gefahren, die ich hier nur streifen will:
Wie selten wird es gelingen, Lehrkörper, Schülermaterial und
Lehrplan in gleichem Schritt und Tritt den Entwicklungsgang
mitmachen zu lassen. Der eine oder andre Teil, oder vielleicht
alle miteinander, werden hinter den erhöhten Ansprüchen Zu-
rückbleiben, und wir erleben dann jene unglückseligen Über-
gangszustände, die in unsern Bauschulen — hohen und niede-
ren — an der Tagesordnung sind, jene Unstimmigkeiten zwi-
schen dem, was gelehrt wird, und dem, was den Schülern
nottut; zwischen dem, was die Lehrer zu bieten vermögen,
und dem, was die Schüler erwarten; zwischen dem, was die
Lehrer aus ihren Schülern machen wollen, und dem, wozu die
Schüler befähigt sind. — Diese Widersprüche, die Folgen un-

reifer Organisationen, enthalten den Keim zu so manchem
Krebsschaden, an dem unsre Bauweise in Stadt und Land
leidet, und sind die Ursache von so viel Halbbildung und Ver-
bildung im Bauhandwerk, daß die Forderung nach einer recht
klaren und entschlossenen Arbeitsteilung als Garantie für eine
straffe und stetige Erziehung laut erhoben werden muß. —
Es genügt für einen kurzen Überblick, wenn wir die
zahlreichen Arten und Unterarten der Bauschulen in zwei
große Gruppen zusammenfassen und diese nach den Namen
ihrer volkstümlichsten Vertreter bezeichnen als »Gruppe der
Hochschulen« und »Gruppe der Baugewerkschulen«.
Zu der Gruppe der Hochschulen zähle ich dabei auch den
Architekturunterricht an Polytechniken, Kunstschulen und Aka-
demieen; — zu der Gruppe der Baugewerkschulen die ver-
schiedenen Spielarten von Polierschulen, Techniken usw.
Die Berechtigung zu einer solchen grundsätzlichen Spal-
tung erblicke ich in dem Doppelwesen der Baukunst,
in der Tatsache, daß hier Kunst und Technik in gemeinschaft-
licher, einander ergänzender und befruchtender Arbeit sich zu-
sammenfinden müssen. Je nach Art und Bedeutung der Auf-
gabe oder ihrer Teile wird der Nachdruck auf Kunst oder
auf Technik zu legen sein, und dementsprechend wird auch
die Erziehung zur Baukunst bald die eine, bald die andre Seite
betonen müssen.
Die Gruppe der Hochschulen dient der Erziehung zur
Baukunst, die Gruppe der Baugewerkschulen der Erziehung
zur Bautechnik. So entspricht es dem Sinne ihrer Gründung
und ihrer Geschichte.
Zunächst einen Blick in die Hochschulen, um vom
Standpunkte des Heimatschutzes zu prüfen, inwieweit sie ihren
Beruf erfüllen.
Die Hochschulen bilden Architekten aus, die als freie
Baukünstler oder als Baubeamte mit sicherem Schönheitsgefühl
an die Lösung staatlicher oder privater Architekturaufgaben
herantreten sollen; und sie bilden ferner auch unsern Lehrer-
stand — namentlich für die Baugewerkschulen — aus. Daher
ist es ganz gewiß richtig gedacht, wenn man diesem Schüler-
material eine möglichst universelle baukünstlerische Er-
ziehung gibt, eine stilistische Allgemeinbildung, die ich

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